Der Reifenkrieg geht in eine neue Runde: Nachdem Pirelli die Konstruktion der sensiblen Pneus eigentlich zum Kanada GP ändern wollten, waren einige Teams - allen voran Force India - mit dieser Entscheidung nicht einverstanden. Laut Reglement sind lediglich sicherheitsrelevante Anpassungen während der Saison ohne Zustimmung aller Teams erlaubt. Vor allem Mercedes kommt bislang mit dem schwarzen Gold noch nicht zurecht. In Barcelona starteten Nico Rosberg und Lewis Hamilton aus der ersten Startreihe, Rosberg wurde als bester Mercedes-Pilot aber nur Sechster - mit mehr als einer Minute Rückstand.

Doch offenbar erhielt die Mannschaft von Ross Brawn nach dem Spanien GP Gelegenheit, am Reifenproblem zu arbeiten. Wie Autosport berichtet, soll Mercedes nach dem Rennen vor zwei Wochen nicht zurück nach Brackley gereist, sondern für Testfahrten in Katalonien verblieben sein. Etwa 1000 Kilometer sollen zurückgelegt worden sein, wegen schlechten Wetters war der Test drei Tage lang. Trotz Testverbots sollen die Reifentests von Mercedes legal sein. Pirelli soll Mercedes bei Problemen, die in den letzten Rennen an den Reifen aufgetreten sind, um Hilfe gebeten haben. Wie Quellen berichten, dürfen die Italiener ein Team darum bitten, bei der Verbesserung ihrer Produkte zu helfen, sollten es die Umstände erfordern.

Konkurrenz verärgert

Dass die Konkurrenz über die Extra-Kilometer der Silberpfeile nicht besonders erfreut ist, versteht sich von selbst. Weil andere Teams nicht von der Rechtmäßigkeit des Tests überzeugt sind, sollen diese bereits die FIA eingeschaltet haben. Red Bull Teamchef Christian Horner äußerte gegenüber britischen Medien seinen Unmut über die Vorgänge nach dem Spanien GP: "Wir haben vergangene Nacht aus zweiter Hand davon erfahren. Wir müssen das jetzt in geordneten Zügen aufarbeiten, das ist es, was wir gerade machen." Dabei bringt Horner durchaus Verständnis für Pirelli auf, doch die Art und Weise, wie der Test ablief, missfällt ihm. "Ich kann verstehen, dass Pirelli die Reifen testen will, weil sie offensichtlich damit Probleme haben. Was enttäuschend ist, ist die Tatsache, dass es auf so intransparente Weise geschehen ist."

"Es hat ein drei Tage andauernder Test mit einem aktuellen Auto stattgefunden, mit Reifen, die im nächsten Rennen zum Einsatz kommen werden. Man braucht wohl nicht zu sagen, dass das eine interessante Geschichte ist", fuhr Horner fort, der selbst die genauen Bestimmungen um einen solchen Extra-Test nicht kennt. "Ich glaube, es gibt Verwirrung darüber, was vertraglich erlaubt ist, und was ein Team, das an der Weltmeisterschaft teilnimmt, vom Sportlichen Reglement her machen darf." Red Bull sei nun sehr an der Aufklärung dieses Falls interessiert und bittet um Klarstellung.

Pirelli spielt Test herunter

Seitens Pirelli versuchen die Verantwortlichen den Test herunterzuspielen. Einen Vorteil hätte Mercedes deshalb nicht, versicherte Paul Hembery. "Absolut nicht, nein. Weil es einfach nicht relevant dafür ist, was hier passiert." Der Pirelli-Mann weiter: "In Wirklichkeit suchen wir nach einer Lösung für das nächste Jahr und wir haben verschiedene Dinge ausprobiert. Mercedes hat in Wahrheit keine Ahnung davon, was um Himmels willen wir da eigentlich getestet haben. 90 Prozent davon waren für das nächste Jahr." Zudem sei es nicht das erste Mal, dass ein zusätzlicher Test abgespult wurde. "Wir haben es zuvor schon mit einem anderen Team gemacht und wir haben auch ein anderes Team gefragt, uns zu helfen." In der Tat soll nach dem Bahrain GP bereits Ferrari einen Reifentest gefahren haben. Mit 200 Kilometer war dieser allerdings deutlich kürzer. Zusätzlich war nicht der aktuelle Bolide der Scuderia im Einsatz, sondern ein Model aus dem Jahr 2010.

Von der Regelkonformität ist Pirelli jedoch überzeugt. "Es ist total regelgerecht, weil wir einen 1000-Kilometer-Test mit jedem Team abspulen dürfen", so Hembery, der zudem betonte, dass solche Tests auch in anderen Rennserien wie zum Beispiel der WRC erlaubt sind. "Wir können sie mit einem repräsentativen Auto fahren." Dass der Test nicht publik gemacht wurde, hat einen einfachen Grund. "Wenn man in der Formel 1 damit beginnt, über etwas zu sprechen, dann können sechs Monate vergehen und man hat immer noch keine Lösung gefunden.".

Pirelli-Test, nicht Mercedes-Test

Mercedes Motorsportchef Toto Wolff sieht die Thematik ähnlich wie Paul Hembery. "Es war kein Mercedes-Test, sondern ein Pirelli-Test. Wir wurden gefragt, ob wir helfen können, wie alle anderen Teams schon vor einem Jahr auch gefragt wurden." Der Österreicher will aber nicht von einem Geheimtest sprechen. "Es war kein Geheimtest, ganz im Gegenteil. Er hat mit Transparenz stattgefunden und wir sind mit dem ganzem Equipment und Trucks dort hingefahren."

Dass Mercedes von den zusätzlichen Kilometern profitieren wird, bestreitet Wolff vehement. "Wir sind mit Prototypen-Reifen gefahren, die uns keinen Vorteil verschafft haben." Dabei sei es auch nicht um die Performance oder um Haltbarkeit der Pirelli-Pneus gegangen, sondern lediglich um die Sicherheit. "Es ging um die Sicherheitsfrage, das hilft uns in dieser Saison nicht. Es ist kein Vorteil." Die Konkurrenz, die vom Extra-Test wenig begeistert ist, kann Wolff nicht verstehen. "Die anderen Teams wissen wahrscheinlich nicht, was im Detail gemacht wurde." Teamchef Ross Brawn stimmt Wolff zu. "Du weißt nicht, welche Reifen du testest. Dir werden nur Codes gegeben. Wir wissen immer noch nicht, welche Schlüsse wir daraus ziehen können."

Protest eingereicht

Red Bull hat inzwischen offiziell Protest eingelegt, das Weltmeisterteam sieht die Test als nicht regelkonform an. "Es gibt einen offiziellen Protest gegen das Team und die beiden Fahrer Rosberg und Hamilton", sagte RBR-Motorsportberater Dr. Helmut Marko. "Nach unserer Ansicht hat dieser Test gegen das sportliche Reglement verstoßen. Es kann nicht sein, dass eine Vereinbarung zwischen FIA und Pirelli über diesen Regularien steht." Mercedes habe sich dadurch nach Meinung von Red Bull einen klaren Wettbewerbsvorteil verschafft. "Newey sagt, wenn wir ihm einen Dreitagestest geben, sind wir eine Sekunde schneller", meinte der Österreicher abschließend.

Niki Lauda, Vorsitztender des Aufsichtsrats des Mercedes Formel-1-Teams ist jedoch davon überzeugt, dass sich sein Team nichts zu Schulden hat kommen lassen. "Wir haben bei der FIA, bei Charlie Whiting und bei den Behörden angefragt, ob wir das tun dürfen. Wir haben dann schriftlich die Antwort erhalten, dass wir das dürfen." Seitens der FIA wollte das gegenüber Motorsport-Magazin.com niemand bestätigen. Lauda erklärt: "Pirelli hat einen Vertrag, in dem steht, dass sie in der Not 1000 Kilometer fahren dürfen. Deswegen hat Mercedes getestet."

Fraglich ist, ob der Pirelli-Vertrag übe das Sportliche Reglement gestellt werden darf. In Absatz 22.1 der Sporting Regulations sind Testfahrten in dieser Form verboten. Trotzdem ist sich Lauda sicher, dass Mercedes alles richtig gemacht hat. "Mehr, als die Behörden fragen, kann Mercedes nicht machen. Die Aussage der FIA ist eindeutig." Unabhängig vom Ausgang des Protests kann sich die Formel-1-Legende nicht vorstellen, dass der Test Einfluss auf das Monaco-Resultat haben wird. "Das hat mit dem Rennen hier überhaupt nichts zu tun. Das kann irgendwann mal im World Motorsport Council besprochen werden, aber das dauert länger.