Dass Pirelli mit der Herangehensweise an die Reifen für 2013 zu aggressiv war, hat man mittlerweile auch beim italienischen Monopolisten eingesehen - nach anhaltender Kritik hat man sich nun dazu entschlossen, die Mischungen bereits zum Großen Preis von Kanada zu ändern. Für Freunde von Strategiespielchen dürfte das jedoch eine weniger willkommene Nachricht sein, gestaltete sich für sie der Spanien GP doch als wahres Festmahl. Einmal mehr zeigte sich am Ende: Die Teams, die am besten aus dem Taktik-Poker von Barcelona hervorgingen, waren die, die den Umgang mit den Reifentemperaturen am besten unter Kontrolle hatten. Dadurch bot sich ihnen der Luxus, mit ihrer Rennstrategie nicht so starken Zwängen zu unterliegen wie mancher Konkurrent.

Heimtriumph: Alonso setzte Ferraris Taktik perfekt um und ließ der Konkurrenz keine Chance, Foto: Sutton
Heimtriumph: Alonso setzte Ferraris Taktik perfekt um und ließ der Konkurrenz keine Chance, Foto: Sutton

Ferrari legte sich beispielsweise schon vor dem Rennen auf vier Stopps fest - genauso wie Lotus auf drei. Den Großteil der Zeit verbrachte das Team aus Enstone dabei sogar auf den weicheren Reifen, was einmal mehr den schonenden Umgang ihres Autos mit den Pneus demonstrierte. Andere Teams wie etwa Red Bull und vor allem Mercedes wurden davon aus dem Konzept gebracht, dass sie im Vorfeld des Rennens keine klare Vision hatten, wie sie dieses am besten angehen sollten. In 23 Jahren hat den Spanien GP in Barcelona noch niemand gewonnen, der von so weit hinten wie dem fünften Platz aus losgefahren ist - Fernando Alonso hat es am Sonntag trotzdem geschafft und das zeigt, wie sehr Pirelli das Geschehen in der Formel 1 wirklich durcheinandergewirbelt hat.

Unentschlossenheit wirft Red Bull zurück

Bereits von der Datenanalyse der Long-Runs am Freitag im Training wusste Alonso, dass Kimi Räikkönen im Rennen der Gegner sein würde, den es zu schlagen galt: Sein Lotus hatte durchwegs gute Pace und wies wenig Reifenabbau auf. Spätestens als sich der Finne dann auf P4 auch noch direkt vor Alonso qualifizierte, ließ ihn das zum Hauptgegner des Asturiers aufsteigen - ganz ungeachtet der Tatsache, dass Sebastian Vettel sogar von Rang drei aus losfuhr, hatten die Long-Runs von Red Bull im Training doch bereits vermuten lassen, dass sie mit den Reifen über die Distanz Probleme kriegen würden. Ferrari konnte daher bereits frühzeitig davon ausgehen, das Räikkönen drei und Vettel vier Stopps machen würde. Deshalb legte man sich selbst auch darauf fest, vier Mal an die Box zu kommen und mit Alonso besonders im zweiten und dritten Stint hart zu attackieren.

Was machst Du denn hier? Massa überraschte auf dem Podium, Foto: Sutton
Was machst Du denn hier? Massa überraschte auf dem Podium, Foto: Sutton

In Bezug auf Räikkönen lag Ferrari richtig, nicht so aber bei Vettel... eigentlich - schlussendlich sollte ihnen das aber sogar noch in die Karten spielen. Lotus schaute sich hingegen die Daten an und kam zu dem Schluss, dass es - trotz der Tatsache, dass vier Stopps eigentlich drei Sekunden schneller waren als drei - ein erhöhtes Risiko sei, da man eher in den Verkehr geraten würde und zudem bei einem zusätzlichen Stopp auch mehr schiefgehen könnte. Auch verliert Lotus im Vergleich zu Ferrari bei den Stopps durchschnittlich eine Sekunde, weil sie in diesem Bereich einfach nicht so schnell sind. Positiv war für sie hingegen der Fakt, dass sie das einzige Team waren, das den Großteil des Rennens auf gebrauchten weicheren Reifen verbringen konnte - diese waren für sie dabei sogar noch schneller als neue harte, wobei sich die Mischungen im Verschleiß bei ihnen kaum unterschieden.

Von der schlechteren Seite aus gestartet, verlor Räikkönen seinen Vorteil gegenüber Alonso schon am Start - das war für das Endresultat entscheidend, denn Alonso konnte deshalb bei den ersten Stopps vorne bleiben, als sich das Feld entzerrte. Das Geheimnis der guten Performance Ferraris im Rennen, ist die Tatsache, dass sie zu Beginn eines Stints gleich auf den ersten Runen unglaublich hart pushen können, ohne dass ihre Reifen dabei überhitzen oder später noch einen Schaden dadurch davontragen. Alonsos zweiter und dritter Stint bewies das perfekt. Besonders seine überlegene Pace nach seinem ersten und zweiten Stopp, in den Runden 10 bis 13 und 22 bis 24 half ihm auf dem Weg zum Sieg. Im Zuge des engen Duells mit Räikkönen, war es vor allem der zweite schnelle Stint, in dem er den Grundstein zu seinem Erfolg legte, baute er seine Führung auf den Finnen hier doch von zwei auf sieben Sekunden aus.

Räikkönen ging am Ende die Puste aus

Das war entscheidend, kam er nach seinem vierten Stopp doch acht Sekunden vor dem Lotus-Piloten zurück auf die Strecke. Dieser hatte hingegen auch ein bisschen Pech, verlor er nach seinem zweiten Stopp hinter Vettel doch zusätzlich Zeit, da dieser Alonsos Pace nicht mitgehen konnte. In Runde 38, bei etwas über der Halbzeit des Rennens, waren die beiden Führenden dann etwa gleichauf und hatten jeweils noch einen Stopp zu machen. Alonso war auf frischen Reifen, Räikkönen auf Pneus, die schon zwölf Runden hinter sich hatten. Wenn der Finne ihn hier länger aufhalten oder sich zumindest an Alonso dranhängen hätte können, dann hätte er möglicherweise eine Siegchance gehabt - am Ende fehlte ihm aber einfach die Pace. Wer nun aber denkt, Lotus hätte auch vier Stopps wählen sollen, der irrt - dann hätte man die gleiche Strategie wie Ferrari gehabt, aber eine etwas schlechtere Pace... somit waren drei Reifenwechsel richtig.

Vettel dürfte der Blick auf die Strategie nicht besonders gefallen haben, Foto: Sutton
Vettel dürfte der Blick auf die Strategie nicht besonders gefallen haben, Foto: Sutton

Bei Red Bull bekleckerte man sich in Sachen Strategie in Spanien hingegen nicht gerade mit Ruhm. Vettel qualifizierte sich als Dritter und hatte im ersten Stint auch auf der Strecke die Nase vor Alonso. Dann verlor er das Rennen jedoch und fiel bis auf Platz vier zurück, weil Red Bull in die für die Pirelli-Ära fast schon klassische Falle der Unentschlossenheit tappte. Man versuchte drei Stopps zu machen, schaffte dies aber nicht und musste dann notgedrungen noch ein viertes Mal an die Box - das kostete dann natürlich richtig Zeit. Beweis für diese These ist der Fakt, dass man von Massa geschlagen wurde, der von Rang neun aus losgefahren war. Auch kam Teamkollege Mark Webber, der das Rennen von P7 aus in Angriff genommen hatte, direkt hinter Vettel als Fünfter ins Ziel - optimal war die Taktik des Deutschen also definitiv nicht.

Ferrari überrumpelte Vettel schon beim ersten Stopp, indem man früher reinkam und ihm so den Vorteil auf der Strecke wegnahm - zwar fuhr der Red-Bull-Pilot im zweiten Stint dafür gleich drei Runden länger... dabei verlor er gegenüber Alonso, Räikkönen und Massa in dieser Phase des Rennens aber eigentlich nur noch mehr Zeit. Vettels Hauptproblem war jedoch sein dritter Stint auf den neuen harten Reifen. Er gelangte nur bis zur 39. Runde, wodurch er gezwungen war, noch einmal zum Reifenwechsel zu seiner Crew zu kommen - das war so nicht geplant und die ganze, bei dem Versuch längere Stints zu fahren, verlorene Zeit, zählte anschließend gegen ihn.

Mercedes mit gravierenden Problemen

Schlecht lief es im Rennen auch für Mercedes - schon zum zweiten Mal in Folge verlor man auf alarmierende Art und Weise die Spitzenposition nach dem Qualifying. Nico Rosberg fiel auf P6 zurück, Lewis Hamilton, der immerhin von Rang zwei aus losgefahren war, endete als Zwölfter. Zwar wussten die Silberpfeile schon aus dem Training, dass sie einen ziemlich hohen Reifenverschleiß haben würden - trotzdem setzten sie Rosberg auf eine Drei-Stopp-Strategie und der Deutsche war temperiert genug, diesen anspruchsvollen Job mit den Reifen am Sonntag dann auch umzusetzen. Gleichsam stellte sich aber die Frage, ob er - ähnlich wie Vettel - nicht besser dran gewesen wäre, wenn er mit vier Stopps härter hätte angreifen können. In seinem Fall lautet die Antwort höchstwahrscheinlich nein, wobei die Gründe dafür nicht unbedingt strategischer Natur waren.

Als Mercedes-Fan war man am Sonntag wieder einmal allein auf weiter Flur, Foto: Sutton
Als Mercedes-Fan war man am Sonntag wieder einmal allein auf weiter Flur, Foto: Sutton

Es zeigt sich, dass die Charakteristik des Mercedes-Boliden so ist, dass das Auto extreme Temperaturen in den Reifen entstehen lässt, was einen Performance-Verlust über eine größere Anzahl an Runden nach sich zieht. Das wäre auch noch der Fall gewesen, hätte man das Rennen in vier Stopps, respektive fünf statt vier Stints aufgeteilt. Dementsprechend hätte man zu den Problemen eigentlich nur 20 weitere Sekunden für einen zusätzlichen Boxenstopp hinzugefügt und somit waren den Strategen durch die Limits des Autos auch Limits bei der Taktik gesetzt. Das Problem dabei: Leicht zu beheben ist das nicht. Es gibt zwar verschiedene Ansatzpunkte, die man im Heckbereich und auf der Hinterachse des Boliden verstellen kann, um die Temperaturen um ein paar Grad herunterzuschrauben - für die Spitzenwerte der Temperaturen, die der Mercedes generiert, reicht das aber noch lange nicht. Dass es sich zudem um ein gerade auf Strecken wie Barcelona stetig wiederkehrendes Problem handelt, zeigt, wie schwierig es ist, überhaupt zu wissen, wo man genau ansetzen soll.