Was denken Sie? Wie viele WM-Zähler haben alle Frauen, die jemals in der Formel 1 angetreten sind, zusammen eingefahren? Die Antwort ist: Ein halber Punkt. Dabei gewann eine von ihnen sogar ein Rennen. Frauen gibt es in der Formel 1 viele - sie heißen Grid Girl oder PR-Beauftragte, TV-Journalistin oder Hostess. Mit Saubers Monisha Kaltenborn hat die Königsklasse mittlerweile sogar eine Teamchefin in leitender Position. Doch Frauen hinter dem Steuer? Fehlanzeige. Dabei war das nicht immer so. Überraschend ist jedoch der Trend. Von Emanzipation kann heutzutage keine Rede sein, denn die letzte aktive Dame im Fahrerlager liegt schon 20 Jahre zurück. Es ist die bis dato längste Durststrecke ohne weibliche Teilnehmerin im Feld - und das in einer so modernen Epoche voller Öffentlichkeitsbewusstsein, Förderprogrammen und Gleichstellung.

Gerade einmal fünf Damen versuchten sich in der über sechzigjährigen Geschichte des Sports in der Formel 1. Von Erfolg oder Dauer waren diese Bemühungen jedoch nicht gekrönt - sind die schnellen Autos vielleicht doch zu abschreckend für das vermeintlich schwache Geschlecht? Bekannte Rennfahrerinnen gibt es heute immer mehr: Danica Patrick, Susie Wolff, Katherine Legge, Natacha Gachnang, Rahel Frey, Maria de Villota - in ein Stammcockpit in der Königsklasse hat es keine von ihnen geschafft. Dabei würde eine Formel-1-Pilotin der Szene durchaus gut tun und in Zeiten von Markenbotschaftern und PR-Püppchen Farbe in den grauen Rennsportalltag bringen. Wie das genau gehen soll? Die Geschichte ist einmal mehr das beste Beispiel...

Aller Anfang ist schwer

Zu den Rennlegenden von damals pflegt De Filippis immer noch gute Beziehungen, Foto: Dr. Peter Maierhofer
Zu den Rennlegenden von damals pflegt De Filippis immer noch gute Beziehungen, Foto: Dr. Peter Maierhofer

Am 15. Juni 1958 setzte Maria Teresa de Filippis im belgischen Spa einen Maserati 250F ein und wurde so zur ersten Frau, die jemals an einem Formel-1-Grand-Prix teilnahm. Die zierliche Italienerin stammte aus einem der reichsten Häuser Italiens. Von Kindesbeinen an stand für De Filippis sportliche Betätigung in Verbindung mit der Liebe zur Geschwindigkeit im Vordergrund. Zunächst übte sich die gebürtige Neapolitanerin im Reitsport, ehe sie mit Unterstützung ihres Vaters im wahrsten Sinne des Wortes auf eine Vielzahl Pferdestärken umsattelte. Bereits zehn Jahre vor ihrer F1-Premiere gewann sie so ihr erstes Rennen in einem Fiat 500 - im Alter von gerade einmal 22 Jahren. Ihre Erfolgssträhne setzte sich fort und die Tochter eines aristokratischen Großindustriellen wagte den Sprung ins einsitzige Formelauto. Für ihr Debüt suchte sich die als willensstark und sturköpfig geltende De Filippis Maserati heraus.

"Zu Ferrari wollte ich nie. Was hätte ich dort gesollt - nur weil ich Italienerin bin? Nein, ich wollte zu dieser Zeit nicht von Enzo Ferrari herumkommandiert werden. Ich habe mit ihm gesprochen und ihm gesagt, dass ich nicht für sein Team fahren will. Damals sagte er etwas und jeder sprang sofort - das war nichts für mich", erinnerte sich De Filippis viele Jahre später an ihren F1-Einstieg. Beim ersten Versuch, sich für ihr neues Team zu qualifizieren, scheiterte sie zwar noch an den Schwierigkeiten des Straßenkurses in Monaco, doch schon beim zweiten Anlauf in Belgien schaffte sie es in die Startaufstellung - wenngleich die Italienerin sich immer wieder mit Vorurteilen und Offiziellen konfrontiert sah, die ihr höflich aber bestimmt verdeutlichten, dass Frauen ihrer Meinung nach hinter die Boxenmauer, aber sicher nicht auf die Strecke gehören würden.

Der Bann war gebrochen

Die Wahrnehmung ist moderner geworden - nicht nur auf sondern auch neben der Piste, Foto: Sutton
Die Wahrnehmung ist moderner geworden - nicht nur auf sondern auch neben der Piste, Foto: Sutton

Spätestens mit ihrem zehnten Platz beim Debüt in Spa ließ De Filippis die Kritiker jedoch verstummen. Im selben Jahr folgten mit den Rennen in Portugal und Italien noch zwei weitere Auftritte, bei denen sie allerdings ausfiel. Für die Saison 1959 wechselte die von den männlichen Rennfahrerkollegen geschätzte Dame ins Porsche-Team von Jean Behra. Mit dem unausgereiften F2-Wagen konnte sie sich in Monte Carlo abermals nicht qualifizieren. Als dann wenige Monate später ihr französischer Teamkollege bei einem Sportwagenrennen auf der Berliner AVUS ums Leben kam, nachdem sie ihm für den Lauf ihr Cockpit überlassen hatte, war De Filippis geschockt und kehrte dem aktiven Sport den Rücken. Einen Anfang für die Frauenbewegung in der Königsklasse hatte die Pionierin jedoch gemacht und so überraschte es wenig, dass mit Maria Grazia "Lella" Lombardi auch die nächste Pilotin, die sich in die F1 wagte, aus Italien kam.

1974 versuchte sich Lombardi in England erstmals für einen Grand Prix zu qualifizieren und scheiterte. Die ob ihrer Kurzhaarfrisur keck wirkende Italienerin gab jedoch nicht auf und avancierte mit zwölf Starts bei insgesamt 17 Antritten letzten Endes zur Rekordstarterin der Formel 1. Bereits bei ihrem zweiten Rennen auf dem Montjuïc Circuit in Barcelona gelang es Lombardi als erster und bisher einziger Frau überhaupt, in die Punkteränge vorzustoßen. Da der Lauf auf Grund eines schweren Unfalls von Rolf Stommelen aber noch vor der Hälfte der zu absolvierenden Distanz abgebrochen wurde, wurden die Punkte geteilt - für ihren sechsten Platz erhielt die March-Pilotin demnach gerade einmal einen halben WM-Zähler.

Olympia & Rennsport

Lella Lombardi 1976 im Brabham, Foto: Sutton
Lella Lombardi 1976 im Brabham, Foto: Sutton

Obwohl sich Lombardi immerhin drei Jahre lang in der Formel 1 hielt, konnte sie an diesen Erfolg nicht mehr anknüpfen. Bessere Zeiten erlebte die quirlige Pilotin später bei NASCAR- und Sportwagenrennen. Das Glück blieb ihr jedoch nicht hold - im Alter von nur 50 Jahren erlag Lombardi 1992 einem Krebsleiden. Im gleichen Jahr nahm mit Divina Galica eine ihrer ehemaligen Konkurrentinnen an den Olympischen Winterspielen im französischen Albertville teil. Bereits Mitte der siebziger Jahre hatte sich Galica als zweite Frau neben Lombardi im Oberhaus des Motorsports versucht. Die Britin galt als Tausendsasserin und fuhr bereits vor ihrem F1-Engagement für Großbritannien dreimal als Skiläuferin zur Olympiade. Dass sie mit rasanten Geschwindigkeiten umgehen konnte, bewies Galica auch auf der Rennstrecke und machte sich in der Folge in nationalen Motorsportklassen einen Namen.

1976 versuchte sie sich auf einem Surtees TS16 beim Heimspiel in Brands Hatch dann erstmals für ein Formel-1-Rennen zu qualifizieren. Bei den Südamerikaläufen in Argentinien und Brasilien folgten zwei Jahre später auf Hesketh erneut zwei Anläufe, die jedoch ebenso wenig von Erfolg gekrönt waren, wie der gescheiterte erste Versuch. 1980 trat mit Desiré Wilson die nächste Dame in der Königsklasse auf den Plan. Bereits Ende der sechziger Jahre hatte die Südafrikanerin mit Kleinstrennwagen und Starts in der Formel-V-Meisterschaft ihre Rennfahrerkarriere begonnen. Siege in der Formel Ford ebneten ihr dann den Weg nach oben, bis sie ab 1978 schließlich in der britischen Aurora-AFX-Meisterschaft an den Start ging - einer durchaus stark besetzten Rennserie für ältere Formel-1-Boliden.

Entführung, Briatore & Brabham

Tyrrell-Pilotin Desiré Wilson in ihrer südafrikanischen Heimat, Foto: Sutton
Tyrrell-Pilotin Desiré Wilson in ihrer südafrikanischen Heimat, Foto: Sutton

In ihrer dritten Saison konnte sie dort Geschichte schreiben und beim Lauf in Brands Hatch in einem Theodore-Wolf als allererste Frau ein Formel-1-Rennen gewinnen. Die Veranstaltung zählte jedoch nicht zur offiziellen Weltmeisterschaft, weswegen Wilson Punkte, Medienpräsenz und die große Ehre verwehrt blieb. Angespornt von ihrem Triumph, versuchte sie sich an ihrer Erfolgsstätte noch im gleichen Jahr auch beim offiziellen WM-Lauf, scheiterte allerdings an der Qualifikation.1981 bestritt Wilson dann ihr Heimrennen für Tyrrell, kollidierte jedoch ausgerechnet mit Teamkollege Eddie Cheever - da das Rennen auf Grund eines Streites zwischen FISA und FOCA von vielen Teams boykottiert worden war, wurde es überdies nachträglich nicht zur Weltmeisterschaft gezählt. Die Frau des bekannten Streckenarchitekten Alan Wilson wechselte anschließend in die amerikanische CART-Serie, wo sie ihre Karriere ausklingen ließ.

Die Letzte im Bunde der bislang fünf Formel-1-Fahrerinnen war 1992 Giovanna Amati. Hinter der Italienerin, die auch als optischer Hingucker das Fahrerlager aufzupeppen wusste, lag bereits in jungen Jahren ein bewegtes Leben. Als Tochter einer reichen Familie, war sie im Kindesalter entführt und erst gegen die Zahlung von Lösegeld wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Mit 15 kaufte sich die abenteuerlustige Römerin ein Motorrad, welches sie gekonnt zwei Jahre vor ihren Eltern versteckte. Als diese endlich ein Einsehen hatte und ihrer Tochter wunschgemäß die Rennfahrerkarriere finanzierten, machte Amati mit Erfolgen in niederen Klassen und beachtlichen Leistungen in der japanischen und europäischen Formel 3000 auf sich aufmerksam.

Giovanna Amati scheiterte in Mexiko 1992 wie immer an der Qualifikation, Foto: Sutton
Giovanna Amati scheiterte in Mexiko 1992 wie immer an der Qualifikation, Foto: Sutton

Zwischenzeitlich war Amati auch mit Flavio Briatore liiert, was ihr zu einem Test im F1-Benetton verhalf. 1992 kaufte sich die damals 29-Jährige dann bei Brabham ein Cockpit in der Königsklasse. Bei drei Versuchen in Südafrika, Mexiko und Brasilien, konnte sie sich jedoch nicht für das Rennen qualifizieren, ehe ihr das Geld ausging und sie im Team durch keinen Geringen als den späteren Formel-1-Weltmeister Damon Hill ersetzt wurde. Anschließend wechselte Amati auf die Langstrecke und später in die Motorsportmedien, wo ihr ihre Fachkenntnis und Bekanntheit einen Job beim Fernsehen einbrachte.

Die Reportage über die schnellen Damen in der Formel 1 stammt aus der Printausgabe des Motorsport-Magazins. Mehr Technikhintergründe, Interviews und Analysen lesen Sie im Motorsport-Magazin - im gut sortierten Zeitschriftenhandel oder am besten direkt online zum Vorzugspreis bestellen: