Mit dem Comeback der Silberpfeile kehrte 2010 ein Stück Motorsport-Geschichte in die Formel 1 zurück. Was als eine Notlösung gedacht war, entwickelte sich zu einem Mythos. Die Piloten, die in einem Silberpfeil saßen, wurden zu Legenden. Mit 300 Stundenkilometern rasten sie auf den Geraden entlang, Sicherheitsgurte gab es nicht, statt eines Helms hatten sie Lederkappen auf und statt eines Monocoques waren sie von einem Tank umgeben, der beim Aufprall zu einer Brandbombe wurde. Namen wie Rudolf Caracciola, Manfred von Brauchitsch, Hermann Lang sowie Stirling Moss und Juan Manuel Fangio sind untrennbar mit dieser Ära verbunden. Sie alle bewegten sich auf dem schmalen Grat zwischen Leben und Tod und sorgten in der Geschichte der Silberpfeile für spektakuläre, dramatische und unfassbar tragische Ereignisse.

Von Brauchitsch im Jahr 1932, Foto: Mercedes
Von Brauchitsch im Jahr 1932, Foto: Mercedes

Kühn, unberechenbar, todesmutig - alle diese Eigenschaften trafen auf Manfred von Brauchitsch zu. Beim Großen Preis von Deutschland 1938 geriet der Deutsche mit seinem Wagen durch verschütteten Kraftstoff in Flammen. Rennleiter Alfred Neubauer zog von Brauchitsch aus dem Wagen und löschte dessen brennenden Overall. Als die Flammen erstickt waren, stieg er unbeeindruckt in den Wagen und nahm das Rennen wieder auf. Geschichte schrieb er allerdings vier Jahre zuvor mit dem Satz: "Lassen Sie sich etwas einfallen, sonst sind wir die Lackierten". Beim Eifelrennen auf dem Nürburgring hatte sein Rennwagen W25 zu viel Gewicht. Um das Gewichtslimit zu erreichen, wurde in der Nacht geschliffen und poliert. Am nächsten Tag ging von Brauchitsch in einem der drei ersten Silberpfeile an den Start und gewann prompt sein erstes Rennen als Werksfahrer.

Der alte Abruzzenräuber

Als er die Ziellinie kreuzte, sprangen die Zuschauer von den Sitzen und die Stimmen der Rundfunkreporter überschlugen sich. Seine härtesten Konkurrenten fand von Brauchitsch in seinen Teamkollegen Luigi Fagioli und Rudolf Caracciola. Fagioli, von denen, die ihn mochten, zärtlich 'der alte Abruzzenräuber' genannt, war im Gegensatz zu von Brauchitsch ein Spätzünder. Mit 28 Jahren bestritt er sein erstes Rennen, zwei Jahre später folgte der erste Sieg. Auf den ersten Blick sah Fagioli alles andere als wie ein Rennfahrer aus, dafür zeichnete sich der Italiener durch andere Eigenschaften aus. Mit seiner Beständigkeit hinter dem Lenkrad und seiner Einsatzfreude schaffte er es 1934 ins Mercedes-Werksteam. Es folgten zwei Siege in Monza - gemeinsam mit Caracciola - und ein Sieg im spanischen Lasarte.

1935 setzte er noch einen drauf, indem er den Saisonauftakt in Monaco gewann. Noch mehr Siege räumte Caracciola ab. Allein 1934 stand der Rheinländer sechs Mal auf dem Siegerpodest. Er war ein vielseitiger Rennfahrer, ein eiskalter Taktiker und galt wie Michael Schumacher als Artist im Regen. Wo immer er auftauchte, genoss Caracciola Kult-Status. Während der berühmten Silberpfeil-Ära von 1934 bis 1939 wurde der Rheinländer drei Mal Europameister - vergleichbar mit dem heutigen Weltmeistertitel in der Formel 1 - und festigte damit seinen Ruf als erfolgreichster Rennfahrer dieser Epoche.

Rennleiter Neubauer mit Caracciola & Lang, Foto: Mercedes-Benz
Rennleiter Neubauer mit Caracciola & Lang, Foto: Mercedes-Benz

Für Mercedes-Benz zu fahren war für Caracciola genauso ein Traum wie für Richard Seaman. "Wenn ich jemals für Mercedes fahren darf, dann fahre ich nie wieder für jemand anderen", erklärte der Brite nach seiner Verpflichtung. Seine größte Stunde erlebte Seaman als er 1938 den Großen Preis von Deutschland mit mehr als drei Minuten Vorsprung für Mercedes Benz gewann. Nur elf Monate später war einer der vielversprechendsten Rennfahrer der 30er Jahre tot. Der GP von Belgien wurde Seaman zum Verhängnis. Der junge Brite wollte es im Regenrennen vor allem "Regenmeister" Caracciola zeigen und behielt trotz eines Vorsprungs von 31 Sekunden sein Tempo bei. Ein Fehler - sein Wagen geriet ins Schleudern, schoss mit rund 200 km/h von der Strecke und prallte gegen einen Baum.

Debüt in der Eifel

Binnen Sekunden ging der Wagen in Flammen auf. Das Rennen gewann Hermann Lang. Lang, eigentlich Rennmechaniker von Fagioli, wollte immer selbst Rennen fahren. 1935 war es endlich soweit. Bei Probefahrten in Monza konnte Lang mit seiner Kurventechnik beeindrucken und feierte beim Eifelrennen sein Debüt. Im Rennen konnte ihn dann nicht einmal ein Abflug bremsen. Der Deutsche wuchtete den 750-Kilogramm-Monoposto auf die Piste zurück und wurde am Ende noch Fünfter. Die Herzen der Zuschauer eroberte Lang 1936 als er beim Großen Preis von Deutschland acht Runden lang mit einem gebrochenen Finger fuhr. Gemeinsam mit von Brauchitsch und Caracciola bildete er das bei der Konkurrenz gefürchtete Fahrertrio auf den Mercedes-Benz Silberpfeilen. Nach dem zweiten Weltkrieg bildete Lang mit Juan Manuel Fangio und Karl Kling das Mercedes-Gespann.

Moss gilt bis heute als bester Fahrer ohne WM-Titel, Foto: Mercedes-Benz
Moss gilt bis heute als bester Fahrer ohne WM-Titel, Foto: Mercedes-Benz

Kling verkörperte während seiner Rennkarriere stets den Typ des Herrenfahrers, dem der Mensch über den Sieg ging. "Karl Kling blieb selbst im harten Duell auf der Rennstrecke in letzter Konsequenz immer ein fairer Sportsmann", erinnerte sich Herrmann. Die große Zeit von Kling begann am Steuer eines Mercedes-Benz 300 SL-Flügeltürer 1952. Als Daimler-Benz zwei Jahre später wieder in den Formel-Sport einstieg, war Kling zusammen mit Fangio und später Stirling Moss mit von der Partie. Im Gegensatz zu Kling galt Fangio weit weniger als Gentleman. Viel mehr wurde der Argentinier mit den tiefen, blauen Augen und der hohen Stimme zum Beispiel dafür, wie weit es ein Mann bringen kann.

Mit seinem legendären, punktgenauen Fahrstil, der Fähigkeit, aus seinem Auto alles herauszuholen beziehungsweise dieses - wenn nötig - auch bis ins Ziel hinein zu tragen und dem notwendigen 'Killerinstinkt', gewann Fangio 24 von 51 Rennen. Seine fünf Weltmeisterschaften - 1954 und 1955 auf Mercedes-Benz - verliehen ihm das Image des Unbesiegbaren. Der Name Fangio und Mercedes-Benz sind untrennbar miteinander verbunden. Schon zu seinem Einstand spendierte er Mercedes-Benz einen Sieg und in gleicher Siegesmanier verabschiedete er sich auch 1955 von der Marke.

Stirling Moss gelang zwar nie das Meisterstück eines Weltmeistertitels, dennoch galt er als Ausnahmetalent. Bis heute gilt der Brite als Grandseigneur des Rennsports. Insgesamt gehen 16 Siege und Pole-Positions sowie 19 schnellste Rennrunden in 66 Grand Prix auf sein Konto. Sein Erfolg bei der Mille Miglia 1955 im Mercedes-Benz 300 SLR ist unvergessen. Nach 10 Stunden, 7 Minuten und 48 Sekunden sah Moss in seinem silbernen Auto mit der rot aufgemalten 722 die Zielflagge. Das entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 157,65 km/h - ein Rekord, der bis heute nicht gebrochen werden konnte.