Nach der voran gegangenen Katastrophen-Saison mit nur fünf WM-Zählern konnte es 2012 nicht mehr schlimmer werden für Williams. Es war Zeit für einen Umbruch und der britische Traditionsrennstall zog die Konsequenzen: Rubens Barrichello wurde durch Bruno Senna ersetzt und der schwächelnde Cosworth-Motor wich dem erfolgreichen Aggregat aus dem Hause Renault. Aus der chaotischen Auftaktphase der Saison ging Williams als einer der großen Gewinner hervor: Zunächst ließ Bruno Senna beim Malaysia Grand Prix mit Platz sechs aufhorchen, dann sorgte Teamkollege Pastor Maldonado für die Sensation. Der oft als Bezahlfahrer abgestempelte Venezolaner gewann in Barcelona und sorgte für den ersten Williams-Sieg seit Juan-Pablo Montoya 2004.

Fortan zählte das Team zum Kreis der Sieganwärter. Doch stattdessen ging es bergab für die Truppe von Sir Frank Williams. Spanien-Triumphator Maldonado ging anschließend neun Rennen in Folge leer aus. Teamkamerad Senna war immer mal wieder für eine Fahrt in die Punkte gut, doch am Ende musste sich Williams mit dem achten Platz in der Konstrukteurswertung begnügen. Maldonado sammelte in der abgelaufenen Saison 45 Zähler, Senna brachte es auf 31.

Das Team

Zu Saisonbeginn wehte ein frischer Wind durch die angestaubten Hallen der Teamfabrik in Grove. Frank Williams und Patrick Head zogen sich aus dem operativen F1-Geschäft zurück, mit Toto Wolff und Mike Coughlan traten neue starke Leute an die Spitze. Die Truppe wartete zu Beginn der Testfahrten vor der Saison mit einer weiteren interessanten Personalie auf: Alex Wurz wurde als Fahrer-Coach verpflichtet, um die relativ unerfahrenen Maldonado und Senna zu pushen. Besonders nach Maldonados Spanien-Sieg wurde Wurz bescheinigt, den oftmals ungestümen Venezolaner gezähmt zu haben. Doch im Endeffekt leistete sich Maldonado wieder einige Fehler und vergab wichtige Punkte.

Toto Wolff ist Miteigentümer von Williams, Foto: Sutton
Toto Wolff ist Miteigentümer von Williams, Foto: Sutton

Trotz der insgesamt 20 Saisonrennen nimmt der Große Preis von Spanien den wichtigsten Teil der Williams-Formkurve im Jahr 2012 ein. Auf der einen Seite der große Triumph auf dem Circuit de Catalunya, auf der anderen das verheerende Boxenfeuer eineinhalb Stunden nach Rennende. Bei dem Brand wurden Großteile der Williams-Box zerstört, Mitglieder des Teampersonals verletzten sich, Autoteile wurden beschädigt und wichtige Daten gingen verloren. Rückblickend betrachtet, war der Feuerunfall die sinnbildliche Kehrtwende einer Saison, die für Williams so hoffnungsvoll begonnen hatte.

Das Auto

Mit dem Renault-Motor wollte Williams an die glanzvollen Zeiten längst vergangener Tage anknüpfen. Zwar verfügte das neue Aggregat nicht über mehr Power als der Vorgänger von Cosworth, doch die effizientere Bauweise kam der Aerodynamik des FW34-Boliden sehr zugute. Williams verzichtete bei der Konstruktion des Autos auf revolutionäre Bauteile, die im Vorjahr für reichlich Ärger gesorgt hatten. Stattdessen baute das Team ein grundsolides Auto samt bekanntem, schmalem Heck auf, das im Verlauf der Saison immer wieder für eine Fahrt in die Punkte gut war. Mangelnde Zuverlässigkeit können sich die Ingenieure zumindest nicht vorwerfen lassen.

Auch der Speed des Autos war wesentlich besser als die Ergebnisse es vermuten lassen. Vor allem Maldonado brachte in den Qualifyings unter verschiedenen Bedingungen immer wieder schnelle Runden zusammen und startete zehnmal aus den Top-10. Die Basis des FW34 war durchaus konkurrenzfähig, doch zu oft verrechnete sich das Team bei den Einstellungen des Autos auf die jeweiligen Bedingungen.

"Wir sind grundsätzlich mit dem Setup ziemlich im Dunkeln herum getappt, haben blind ein paar Entscheidungen getroffen, die zum Teil auch in die falsche Richtung gingen", machte Senna kein Geheimnis aus dem Manko. Williams verpasste zudem, mit seinen Updates Boden gut zu machen, die Konkurrenz arbeitete im Verlauf der Saison meist effizienter.

Die Fahrer

Williams verfügte 2012 über eine der interessantesten Fahrerpaarungen in der Formel 1. Da war zum einen Maldonado, der Bad Boy und Mario Balotelli des Motorsports. Talentiert und schnell, gleichzeitig aber genauso ungestüm wie in seiner Premierensaison. Der Venezolaner produzierte ordentlich Schrott in den Rennen und ließ viele Punkte liegen. Von Sergio Perez wurde er als Idiot bezeichnet und Lewis Hamilton schüttelte nach dem Crash in Valencia nur noch mit dem Kopf. Da war aber auch dieser Maldonado, der in Spanien sensationell gewann, in Singapur Zweitschnellster im Qualifying war und seinen FW34 in Valencia und Abu Dhabi in die zweite Startreihe stellte. Schnell ja, konstant nein: Maldonado erlebte nach dem Spanien-Triumph eine grauenhafte Durststrecke und schaffte es in den insgesamt 20 Rennen nur fünfmal in die Punkteränge.

Maldonado - der Balotelli der F1?, Foto: Sutton
Maldonado - der Balotelli der F1?, Foto: Sutton

Auf der anderen Seite war Senna. Der Mann mit dem glorreichen Nachnamen startete stark in die Saison, fiel dann aber konstant ab. Auch er leistete sich in den Rennen unglückliche Patzer, wenn auch nicht so gravierend wie sein Teamkollege. Für den Crash mit Sebastian Vettel in Interlagos konnte Senna nichts, musste anschließend aber wüste Beschimpfungen über sich ergehen lassen. Interessant: Senna war oft konstant, aber nur selten überragend. Er schaffte es bei der Hälfte aller Rennen in die Top-10 - doppelt so häufig wie Maldonado - doch am Ende reichte es nur für Platz 16 in der Fahrerwertung. 14 Punkte fehlten ihm auf seinen Teamkameraden.

Für Senna ist das Kapitel Williams nach nur einer Saison wieder beendet. Der Brasilianer muss sein Cockpit an Valtteri Bottas abtreten. Senna ärgerte sich nicht selten, dass er bei insgesamt 15 Freitags-Trainings sein Auto an Bottas abtreten musste - 2013 hat er zumindest dieses Problem nicht mehr. Unter dem Strich konnte Senna nicht überzeugen und da er nicht so viel Geld auftreiben kann wie Maldonado, muss er sich eine neue Arbeit suchen.

Pro & Contra

Pro: Pastor Maldonado und Bruno Senna bekleckerten sich 2012 im Schnitt nicht gerade mit Ruhm und machten zeitweise mehr kaputt, als das Team an Ersatzteilen nachliefern konnte. Aber: Mit dem FW34 gelang dem Team ein richtig starkes Auto, das sogar für Siege gut war. Der Bolide hatte keine großartigen Schwachstellen und verfügte über einen ordentlichen Grundspeed sowohl im Qualifying als auch im Rennen. Im Vergleich zum diesjährigen Auto war der Vorgänger eine absolute Katastrophe. Respekt, wie das Team mit dem FW34 die 180-Grad-Wende geschafft hat. Wenn Maldonado reifer wird und Bottas überzeugt, ist 2013 für Williams eine Menge drin. Robert Seiwert

Contra: Williams sollte nicht den Fehler machen, sich von Pastor Maldonados Erfolg in Barcelona blenden zu lassen. Der erste Grand-Prix-Sieg nach acht Jahren Wartezeit war eine tolle Sache für die Truppe aus Grove, allerdings auch der einzige Ausreißer in einer ansonsten mittelmäßigen Saison. Williams gelang es nicht, das Potenzial des überraschend starken Autos zu nutzen. Hinzu kamen die wenig überragenden Leistungen der beiden Fahrer. Maldonado hatte zwar den Speed, agierte im Rennen aber viel zu ungestüm. Senna war im Qualifying häufig zu langsam, sodass er für einen Spitzenplatz von vorneherein nicht in Frage kam. Olaf Mehlhose