Die Verpflichtung von Kimi Räikkönen schlug ein wie eine Bombe. Der Finne und sein neues Team beherrschten die Schlagzeilen noch ehe es auf die Rennstrecken dieser Welt ging. Doch Lotus wollte auf der Strecke für Schlagzeilen sorgen. "Wir wollen als eines der Top-Teams in diesem umkämpften Sport angesehen werden und auch dementsprechend abschneiden", stellte Teamchef Eric Boullier vor Saisonbeginn klar.

Lotus weiß wie man feiert, Foto: Lotus F1 Team
Lotus weiß wie man feiert, Foto: Lotus F1 Team

Die Marschroute war mit Platz vier in der Konstrukteurswertung klar vorgegeben. Mit 303 WM-Punkten hat Lotus sein Ziel eindeutig erreicht - in der ersten Saisonhälfte lag der Rennstall kurzzeitig sogar auf Platz drei, nur einen Punkt hinter McLaren. Doch am Ende ging dem Rennstall im Entwicklungsrennen die Puste bzw. das Geld aus. Doch die Chancen, dass sich die Schwarz-Goldenen 2013 als Top-Team etablieren, stehen sehr gut. Immerhin läuft endlich der teameigene Simulator und man hat Coca Cola ins Sponsorboot holen können.

Das Team: Im Vorjahr noch belächelt, hat sich Lotus 2012 eindeutig den Status eines Siegerteams erarbeitet. Dabei war lange Zeit nicht klar, wie das Team überhaupt heißen würde, lag Lotus doch im Namens-Clinch mit Caterham, damals noch Team Lotus. Nach monatelangem Hin und Her einigten sich beide Parteien außergerichtlich, mit dem Ergebnis, dass es 2012 nur noch ein Lotus-Team gab.

Immerhin steckte für einen Teil der Saison hinter dem Rennstall tatsächlich der gleichnamige Automobilhersteller, wenn auch Lotus nicht Eigentümer des Formel-1-Teams war, sondern nur Hauptsponsor. Die Namensrechte blieben dem Team auch nach dem Rückzug der Marke erhalten. Die tatsächliche Kontrolle obliegt unverändert dem Investmentunternehmen Genii Capital von Geschäftsmann Gerard Lopez - und dieser hat hohe Ansprüche. "Mittelmaß oder nur irgendwie in der Formel 1 mitzufahren, ist nicht unser Ding", stellte Lopez gegenüber Motorsport-Magazin.com klar.

Das Auto: Wie sein Vorgänger war der neue Lotus-Bolide in schwarz-gold gehüllt und erinnerte damit stark an die legendären John-Player-Special-Lotus-Autos der 70er-Jahre. Das waren aber auch schon alle Gemeinsamkeiten. Im Vorjahr noch R31 benannt, ging der neue Bolide unter dem Namen E20 an den Start. Bereits bei den Wintertestfahrten überzeugte der E20 mit seiner Pace auf den Longruns und seiner Zuverlässigkeit.

Dass es sich dabei um kein Trugbild handelte, zeigten die ersten Rennen der Saison. Der schwarz-goldene Bolide war im Renntrimm auf einem Level mit McLaren & Co. - vor allem wenn die Streckentemperaturen in die Höhe gingen - und ging zudem sehr schonend mit den Reifen um. In der Paarung mit Räikkönen bewies der E20 eine 100-prozentige Zuverlässigkeit - trotz kleinerer Defekte wie KERS-Aussetzer oder Probleme mit dem Differential sah der Finne in allen 20 Rennen die schwarz-weiß-karierte Zielflagge.

Neben den Updates, die nicht immer den erwünschten Erfolg auf der Strecke brachten, stellte die Qualifying-Performance den größten Schwachpunkt des Boliden dar. Denn mit wenig Sprit an Bord konnte der Bolide nicht annähernd mit dem Speed der drei Top-Teams mithalten.

Die Fahrer: Kimi Räikkönen und Romain Grosjean - die Fahrerpaarung, die dem Teamchef Kopfschmerzen bereitete und Experten die Stirn runzeln ließ, hat sich als durchaus positiv herausgestellt. Vor allem der finnische F1-Rückkehrer überzeugte auf ganzer Linie. Trotz zweijähriger Abwesenheit hatte Räikkönen nichts verlernt und stand bereits in seinem vierten Rennen für Lotus auf dem Podest.

Grosjean krachte oftmals in die Mauer oder in einen anderen Wagen, Foto: Sutton
Grosjean krachte oftmals in die Mauer oder in einen anderen Wagen, Foto: Sutton

Insgesamt holte er sieben Podestplätze, inklusive dem ersten Lotus-Sieg in Abu Dhabi. Während Räikkönen mit seiner Abgebrühtheit und Erfahrung lange Zeit als Geheimfavorit auf den Titel gehandelt wurde, musste sein Teamkollege 2012 einiges an Lehrgeld bezahlen. Grosjean fuhr zwar ebenfalls drei Podestplätze ein und konnte Räikkönen im Qualifying die Stirn bieten, doch viel mehr sorgten seine Unfälle für Schlagzeilen. In Spa-Francorchamps löste er einen Massencrash aus, woraufhin er für ein Rennen gesperrt wurde. Obwohl er danach versuchte, sich aus allem Ärger herauszuhalten, wurde er seinen Ruf als Crash-Kid nicht mehr los.

Pro: Lotus blieb zwar 2012 den Beweis schuldig, dass man über die Saison hinweg im Entwicklungsrennen mithalten kann, dennoch kann das Team die Saison als Erfolg verbuchen. Das gesteckte Ziel hat Lotus erreicht - was anderen Teams nicht gelang. Lotus hat sich ganz klar vom Mittelfeld distanziert und war stets die viertstärkste, manchmal sogar die drittstärkste Macht, in der Formel 1. Hätte Romain Grosjean mehr wie sein Teamkollege performt, hätte sich McLaren in der Konstrukteurswertung warm anziehen müssen. Nach all den Turbulenzen im letzten Jahr ein beeindruckender Sprung nach vorne. Gratulation! Kerstin Hasenbichler

Contra: Dritter in der Fahrer-WM, Vierter in der Konstrukteurs-WM - was für ein Jahr! Könnte man meinen. Klar, das erfolgreiche Comeback von Kimi Räikkönen überstrahlte in diesem Jahr vieles - doch bei Lotus lief nicht alles rund. Die Spekulationen um Löcher in der Kasse reißen nicht ab und die Leistungskurve zeigte in der zweiten Saisonhälfte nach unten - genauso wie im Vorjahr. Das Team verzettelte sich bei der Weiterentwicklung und verpasste so die Gelegenheit zum ganz großen Coup. Von den Crash-Eskapaden des Romain Grosjean einmal ganz zu schweigen. Es war zweifelsohne ein gutes Jahr für Lotus, aber es wäre viel mehr drin gewesen. Stephan Heublein