Es ist Zeit, eine Lanze für Fernando Alonso zu brechen. Der Spanier ist nämlich keinesfalls der Ehrgeizling, Unsympath und Egozentriker als der er zuletzt in einigen Medien dargestellt wurde, sondern ein ausgezeichneter Rennfahrer, der vor allem eins will: gewinnen. Dass er dabei ab und zu Mal über das Ziel hinaus schießt - geschenkt.

Was ist Alonso überhaupt vorzuwerfen? Dass er Sebastian Vettel den Titel mit allen erdenklichen Mitteln entreißen wollte? Ferrari hat den Spanier wahrscheinlich genau aus diesem Grund verpflichtet. Zumal erfolgreiche Fahrer, zum Beispiel Ayrton Senna und Michael Schumacher, in der Wahl ihrer Mittel nie zimperlich waren und zu ihrer Hoch-Zeit wahrscheinlich keinen Sympathiepreis gewonnen hätten.

Bester Fahrer?

Dass er sich im Vergleich mit Vettel für den besseren Fahrer hält? Damit steht der Spanier nicht alleine da. Viele Experten halten den Spanier für den komplettesten und ausgereiftesten Fahrer im Feld. Und das nicht ohne Grund: Was er 2012 im nicht gerade überragenden F2012 gezeigt hat, war bemerkenswert. Alonso hat ganz recht, wenn er sagt, dass es einem Wunder gleiche, dass er bis zum letzten Rennen im Titelrennen war. Allerdings stellt er sein Licht dabei gehörig unter den Scheffel: Das Wunder war er selbst. Wie er in fast jedem Rennen von einer hinteren Startposition aufs Podium fuhr und dabei erstklassige Konkurrenten abkochte, war sehenswert; wie er das Auto am Limit bewegte und trotzdem bombensicher auf der Strecke hielt, beeindruckend.

In Valencia ging Fernando Alonso von Startplatz zehn ins Rennen - und gewann, Foto: Sutton
In Valencia ging Fernando Alonso von Startplatz zehn ins Rennen - und gewann, Foto: Sutton

Hinzu kommen die starken Leistungen an den verregneten Wochenenden in Sepang, Silverstone, Hockenheim und Interlagos, die er nie schlechter als auf Platz zwei beendete. Und es gibt noch ein paar weitere Statistiken, die als Beweis für die außergewöhnliche Saison Alonsos angeführt werden können. In Spa und Suzuka wurde er bei Startunfällen aus dem Rennen befördert, ansonsten beendete er alle 18 Grands Prix in den Punkten. 13 Mal schaffte Alonso den Sprung aufs Podest, häufiger als jeder andere Fahrer - selbst Weltmeister Vettel brachte es nur auf zehn Podiumsplatzierungen.

Dass Ferrari in der entscheidenden WM-Phase alles auf die Karte Alonso setzt? Es ist eher unprofessionell, wenn ein Team oder Fahrer - wie Mark Webber in Interlagos - das nicht tut. Es ist ohnehin nicht Alonsos Schuld, dass Felipe Massa erst in der zweiten Saisonhälfte einfällt, dass er von Beruf Rennfahrer ist. Der Siegelbruch am Getriebe des Brasilianers war sicherlich nicht schön, aber in Bezug auf Tricksereien nehmen sich die Rennställe - insbesondere, wenn es um den Titel geht - nicht viel.

Alonso als Samurai

Dass er kryptische Samurai-Weisheiten und ein Foto mit einem Paintball-Gewehr über ein soziales Netzwerk verbreitet? Man kann von Alonsos neuer Twitter-Leidenschaft beziehungsweise den Inhalten seiner Kurzmitteilungen halten, was man will. Direkt angegriffen hat er Vettel nie. Darüber hinaus ist es auf jeden Fall intelligenter ein paar doppeldeutige, aber harmlose Formulierungen zu twittern als zum Beispiel die Telemetriedaten des Teams preiszugeben. Im Gegensatz zu den Medien, für die Alonsos Aktivitäten natürlich ein gefundenes Fressen waren, reagierte Vettel genau richtig: Er ignorierte das Ganze.

Beschwerden und Psychospielchen

Dass er sich bei der Rennleitung über Vettel beschwert hat? Nun, Alonso hat die Situationen in Monza und Suzuka offenbar richtig eingeschätzt. Einmal bekam Vettel eine Strafe - über die sich natürlich streiten lässt -, in Japan kam er mit einer Verwarnung davon. Diskussionsbedarf bestand aber in beiden Fällen. Und warum sollte sich Alonso nicht beklagen, wenn er sich benachteiligt fühlt? Die Entscheidung liegt immer noch bei den Stewards.

Im Regen war der Ferrari-Star 2012 kaum zu schlagen, Foto: Sutton
Im Regen war der Ferrari-Star 2012 kaum zu schlagen, Foto: Sutton

Dass er versuchte, Vettel mit seinen ständigen Sticheleien aus dem Konzept zu bringen? Es war mit Sicherheit nicht die feine spanische Art, gebetsmühlenartig zu betonen, dass Vettels Erfolg vor allem dem Auto von Adrian Newey geschuldet sei. Und wenn er den fahrerischen Leistungen des Red-Bull-Stars - immerhin dreimaliger Weltmeister - ein bisschen mehr Wertschätzung entgegenbrächte, würde sich Alonso auch keinen Zacken aus der Krone brechen. Andrerseits ist es im Sport Gang und Gäbe, den Gegenspieler mit Psychospielchen - dazu zählen auch die Twitter-Attacken - unter Druck zu setzen. Im Fall von Vettel verpufften die kalkuliert eingesetzten Nadelstiche ohnehin.

Fazit: Brillante Saison

Nachdem ein Großteil der unberechtigten Vorwürfe nun hoffentlich entkräftet ist, ließe sich noch hervorheben, welche Meriten sich der 31-Jährige in diesem Jahr erworben hat. Die Saison 2012 wäre ohne Alonso, seine brillanten Starts, Überholmanöver und Aufholjagden nur die Hälfte wert gewesen. Nur ihm ist es zu verdanken, dass der Titelkampf bis zur letzten Rennrunde auf des Messers Schneide stand. Die Fans wünschen sich so ein Saisonfinale wie in Brasilien - und Vettel wird der Erfolg über einen so famosen Konkurrenten sicherlich noch besser schmecken.