Dreimal hintereinander Weltmeister - das haben vor ihm nur Juan-Manuel Fangio in den Fünfziger Jahren und Michael Schumacher geschafft. Schon allein die Zahlen wären es also, die Sebastian Vettel nach seinem Titelgewinn in Sao Paulo zu einem der Allergrößten in der ewigen Formel-1-Geschichte machen. Einmal ganz abgesehen davon, dass der Heppenheimer mit seinen 25 Jahren sowieso mit Abstand der Jüngste ist, der überhaupt drei Titel gewann - bis jetzt war das Ayrton Senna. Der war 1991 bei seinem dritten Weltmeistertitel immerhin schon 31...

Mehr als die Zahlen

Aber es sind nicht einmal in erster Linie die Zahlen, die aus diesem Sebastian Vettel etwas so Besonderes machen, viel mehr als einen erfolgreichen Sportler, einen Dominator in seiner Disziplin. Es ist das, zu dem dieser Junge aus Heppenheim in den letzten Jahren auch neben der Strecke herangewachsen ist, zu einer charismatischen Persönlichkeit, deren Strahlkraft weit über die Fahrerlager dieser Welt hinaus reicht.

So, dass inzwischen einigen, die die "alten Zeiten" miterlebt haben, auch in dieser Beziehung schon der Vergleich mit dem unvergessenen Senna in den Sinn kommt: Vor allem dann, wenn Vettel, wie etwa nach seinem Sieg in Indien, anfängt, vom eigentlichen Thema Rennen abzuschweifen, sich mit dem Land, der Bedeutung von Werten und seiner eigenen, durch Beobachtungen dort vielleicht etwas veränderten Sicht auf Prioritäten im Westen und speziell in der Formel-1-Glitzerwelt angenommenen Selbstverständlichkeiten auseinandersetzt.

Red Bull gewann beide Titel drei Mal in Serie, Foto: Sutton
Red Bull gewann beide Titel drei Mal in Serie, Foto: Sutton

"Speziell, wenn man da nur zuhört, nicht hinschaut, auf den Tonfall, die manchmal schon fast ins Philosophische gehende Nachdenklichkeit achtet, dann hat man schon das Gefühl, dass das in die gleiche Richtung geht, dass es da Parallelen zu Senna gibt," beobachtete kürzlich auch ein deutscher Fotograf.

Parallelen, deren Basis in speziellen Eigenschaften liegen: In großem Einfühlungsvermögen, Sensibilität für die Umwelt, auch für die außerhalb der Formel 1, Intelligenz und der Kapazität, neben der Fokussierung auf die Formel 1 auch noch Interesse an anderem zu haben, gepaart mit einer auf dem Weg nach ganz oben nie verlorenen Bodenhaftung.

Spezialparkplatz

Natürlich - völlig ohne Veränderungen geht es nicht auf dem Weg vom Jungen im Kart über die ersten Gehversuche in der Formel 1 bis zum dreimaligen Weltmeister. Gewisse Dinge wachsen im Laufe der Zeit, werden größer, komplizierter. Sein Motorhome zum Beispiel, in dem er bei den Europarennen öfters wohnt, das er manchmal direkt an der Strecke stehen hat, in Monza allerdings neben dem Traditionshotel Fossati, wo der Rest seiner Familie und auch sein Physiotherapeut ihre Zimmer haben.

Wobei das erhebliche "Wachstum" des Gefährts die Hotelchefs in diesem Jahr vor einige Probleme stellte - weil der normale Parkplatz nicht mehr passte, das ganze Parkschema mit An- und Abfahrtsmöglichkeiten geändert werden musste. Aber für seinen "Lieblingsgast" machte Vittorio Fossati, in dessen Haus schon alle Legenden von Jackie Stewart über Ayrton Senna bis zu Michael Schumacher logierten, das fast Unmögliche möglich. Und freute sich dann unheimlich, dass der nette Junge, der schon 2008 nach seinem ersten Grand-Prix-Sieg überhaupt in Monza mit seiner Familie bei ihm gefrühstückt und ganz höflich und bescheiden - in gutem Italienisch - seine heiße Schokolade bestellt hatte, immer noch so nett und höflich geblieben war: "Er hat sich unheimlich gefreut, dass wir das hingekriegt haben und sich mindestens 20 Mal bei allen bedankt..."

Sebastian Vettel eroberte die F1-Welt im Sturm, Foto: Red Bull
Sebastian Vettel eroberte die F1-Welt im Sturm, Foto: Red Bull

Auch Journalisten-Kollegen, die Vettel des Öfteren mal für diese gewissen Kleinigkeiten brauchen, die eigentlich eben wirklich Kleinigkeiten sein sollten, aber mit vielen auch weniger erfolgreichen Formel-1-Piloten oft zu "Staatsaffären" ausarten, wissen die Kooperationsbereitschaft des 25-Jährigen zu schätzen. "Am besten direkt fragen, gar nicht über Team-Umwege wie Pressesprecher oder PR-Umwege gehen", das hat sich als der erfolgreichste Weg herausgestellt, ob es nun um ein ganz spezielles Foto oder eine handschriftliche Aufstellung gewisser persönlicher Prioritäten geht. Sicher, da kommt auch schon mal ein bisschen öfter als früher ein "muss das sein, viel Zeit hab ich nicht", weil halt immer mehr Leute an ihm herumzerren, etwas wollen - aber er macht es, zumindest in den allermeisten Fällen. Und dann auch sehr professionell, sodass am Ende alle zufrieden sein können und kein Unmut zurück bleibt.

Echte Kommunikation bitte

Es sei denn, es geht um irgendwelche Dinge, die zu sehr mit Social Media zu tun haben. Da ist Vettel eine ganz große Ausnahme in der heutigen Facebook- und Twitter-Generation, lehnt diese Form der Kommunikation ab und steht dazu: "Ich halte nichts davon, für mich ist das keine echte Kommunikation. Wenn, dann will ich mit Leuten, die mich interessieren oder die sich für mich interessieren, direkt sprechen. Das andere ist für mich irgendwie unecht und künstlich."

Vettel ist der einzige aktuelle Formel-1-Fahrer, der weder bei Twitter noch bei Facebook vertreten ist, selbst seine Pressesprecherin Britta Roeske hat so ihre Probleme, wenn sie ihm da wenigstens für die entsprechenden Red-Bull-Accounts, die am liebsten ständig Nachschub hätten, irgendetwas abringen soll... Die reale Umwelt und die Menschen dort sind ihm eben wichtiger. Das zeigt sich zum Beispiel im Fahrerlager, auf dem Weg von den Siegerpressekonferenz zurück zur Red-Bull-Hospitality, umringt von einer Autogramme jagenden Fanhorde, einigen Kameras und Mikrofonen. Dann sorgt er sich schon mal darum, dass in dem Tumult jemand hinfallen und verletzt werden könnte. Deshalb versucht Vettel immer wieder, den Überblick zu behalten und eventuell Gefährdete zu warnen, auch mal kurz zu "sichern", wenn jemand doch ins Stolpern geraten sollte...

Auf dem Weg zum dritten WM-Titel, Foto: Sutton
Auf dem Weg zum dritten WM-Titel, Foto: Sutton

Das Interesse an seiner Umwelt, an den Menschen dort, das fällt sogar seinen Fahrerkollegen auf, bleibt auch mal länger im Gedächtnis als es in der schnelllebigen Formel 1 normalerweise der Fall ist. Felipe Massa erinnert sich noch heute daran, dass ihm Vettel 2010 in Bahrain, beim Comeback-Rennen des Brasilianers nach seinem schweren Unfall in Budapest 2009, ein "Herzlich Willkommen zurück" zukommen ließ, noch ehe er auf der offiziellen Pressekonferenz über seine Pole-Position reden wollte.

Etwas Besonderes

"Und Sebastian macht so etwas nicht aus Showgründen, das ist absolut ehrlich, er ist einfach ein Supertyp." Bruno Senna fällt auf, wie engagiert sich Vettel - im Gegensatz zu einigen anderen "Superstars" - bei Fahrerbriefings einsetzt, "immer seine Meinung äußert, auch wenn sie mal unbequem ist - und sich vor allem sehr intensiv um Sicherheitsfragen kümmert." Und wenn schon die Gegner auf der Strecke in so hohen Tönen von der Person, nicht nur von dem Fahrer Vettel sprechen, dann ist das der Beweis dafür, dass der wirklich etwas ganz Besonderes ist...