Im Vorjahr sah Montreal ein denkwürdiges Formel-1-Rennen. Schwere Regenfälle führten dazu, dass der Grand Prix für mehr als zwei Stunden unterbrochen werden musste, da man der Wassermassen auf der Strecke selbst mit technischem Gerät nicht Herr werden konnte. Auch in diesem Jahr hatte es zunächst den Anschein, als sollte der Regen eine gewichtige Rolle spielen, denn unmittelbar nach dem zweiten Freien Training am Freitag öffnete der Himmel über Montreal seine Schleusen.

Es stellte sich jedoch bald Wetterbesserung ein; bereits der Samstag war deutlich wärmer als der Freitag und für das Rennen werden knapp 30 Grad bei wolkenlosem Himmel erwartet. Diese wechselhaften Bedingungen machen es den Teams und Fahrern alles andere leicht, sich optimal einzustellen, wie auch Romain Grosjean zugab. "Gestern war es recht kalt, heute waren die Bedingungen normaler und wir müssen aus diesem schwierigen Wochenende einige Lektionen ziehen", sagte der Lotus-Pilot.

Auf die richtige Temperatur kommt es an

Die Temperaturen haben entscheidenden Einfluss auf die Reifen, die ohnehin schon als besonders sensibel gelten und für die meisten Teams auch nach sechs Rennen noch immer ein Buch mit sieben Siegeln darstellen. Die Herausforderung besteht darin, die Reifentemperatur in jenem schmalen Fenster zu halten, in dem die Pneus optimal arbeiten. Aufgrund dieser Komplexität kommt es wenig überraschend, dass sich manche Fahrer kühlere Bedingungen wünschen, da die Reifen unter diesen Voraussetzungen besser funktionieren, während andere sich wiederum auf die prognostizierte Hitze freuen.

Bei Red Bull, Lotus und Williams geht man davon aus, dass die höheren Temperaturen der Performance zuträglich sein werden. "Üblicherweise kommen uns wärmere Bedingungen entgegen", verriet Kimi Räikkönen, während Lewis Hamilton kälteres Wetter bevorzugen würde. "Gestern hatten wir eine gute Pace, allerdings waren die Bedingungen kühler", sagte der McLaren-Star, der von der zweiten Position starten wird. "Mit dem wärmeren Wetter heute hatten wir ziemlich zu kämpfen."

Geringer Reifenverschleiß

Bei höheren Streckentemperaturen ist die Abnutzung der Reifen höher, sodass vermutlich mehr Boxenstopps eingeplant werden müssen. Pirelli brachte die beiden weichsten Gummimischungen nach Kanada, die sich als recht standhaft erwiesen und verglichen mit anderen Strecken auf dem Circuit Gilles Villeneuve in geringerem Maße abbauen. Laut Paul Hemberey, dem Motorsportdirektor des italienischen Reifenherstellers, lag im Qualifying unter den wärmeren Bedingungen zwischen den beiden Reifentypen lediglich eine halbe Sekunde Zeitunterschied und somit deutlich weniger, als viele erwartet hatten.

Auch in Montreal dreht sich alles um die Reifen, Foto: Sutton
Auch in Montreal dreht sich alles um die Reifen, Foto: Sutton

"Der superweiche Reifen hält etwa 30 Runden", erklärte Hembery, der die meisten Teams zweimal an der Box erwartet, jedoch auch eine Ein-Stopp-Strategie für möglich hält. Jenson Button, der im Qualifying nur den zehnten Platz belegte und mit den härteren Reifen starten wird, schloss sich dieser Meinung an. "Es werden Ein- oder Zwei-Stopp-Strategien sein. Ich denke, dass die meisten Teams zwei Stopps machen werden", sagte der Brite und teilt damit auch die Ansicht von Felipe Massa. "Im Rennen gibt es nur die Wahl zwischen einem oder zwei Stopps."

Kurze Stopps in Montreal

Mercedes-Teamchef Ross Brawn hält hingegen zwei Stopps für die wahrscheinlichere Variante, zumal man an der Box nur 13 bis 14 Sekunden verliert - einer der kürzesten Boxenaufenthalte der gesamten Saison. "Es wäre ziemlich mutig, eine Ein-Stopp-Strategie zu wagen", gab er zu Bedenken. Der Grund: sollten die Reifen vor oder nach dem geplanten Reifenwechsel abbauen, könnte der Fahrer massiv an Performance verlieren.

Ein spannendes Rennen scheint also wie so oft in Montreal auch ohne Regen garantiert, denn das erwartete warme Wetter könnte die Rangordnung ordentlich durcheinander wirbeln. Allerdings könnten auch die besten Strategieüberlegungen schnell über den Haufen geworfen werden, wie Fernando Alonso anmerkte: "Was wir am Samstagnachmittag denken, ist normalerweise nicht das, was am Sonntag passiert."