"Du darfst hier nicht mitfahren. Du bist zu klein", musste sich der kleine blonde Junge anhören, als er vor einem unüberwindbaren Hindernis stand. Der Junge starrte auf die Querstange, die weit über ihm hing. Zwar konnte er einfach drunter durchlaufen - doch genau das war das Problem. Nick Heidfeld war mit seinen sechs Jahren einfach zu klein. "An den Leih-Kartbahnen gab es immer solche Stangen: Wer darunter durchlaufen konnte, durfte nicht fahren", erinnert sich der 33-Jährige an seine Kindheit zurück.

Doch nach anfänglichen Differenzen in Sachen Motorsport wusste man sich im Hause Heidfeld zu helfen. Manchmal braucht es für den Beginn einer großen Motorsport-Karriere nur zwei Reifen und eine Decke - so lief es zumindest in Nicks Fall. Dank der improvisierten Erhöhung konnte der gebürtige Mönchengladbacher mit seinen acht Jahren richtig ins Lenkrad greifen und mit dem Kartsport beginnen. Der Größte in Sachen Körperlänge ist Heidfeld auch heute nicht - aber er ist seit jeher ein Stehauf-Männchen.

Kubicas Horror-Unfall als große Chance

So wohl auch in diesem Jahr. Bis zum tragischen Rallye-Unfall von Robert Kubica stand Heidfeld ohne Job in der Formel 1 dar. Lotus Renault hatte entschieden, auf einen erfahrenen GP-Piloten als Ersatz setzen zu wollen - schon saß Heidfeld bei den Testfahrten in Jerez im schwarz-goldenen R31. Ein perfekter Einstand: Er unterbot nicht nur die Bestzeit seines wohl künftigen Teamkollegen Vitaly Petrov um sechs Zehntel, Heidfeld landete am Ende des dritten Tages der Tests sogar auf Rang eins der Zeitentabelle. Nach diesem Auftritt bleibt Renault kaum eine andere Wahl, als Heidfeld das Cockpit zu überlassen. Perfekt ist der Deal noch nicht - doch spätestens seit Samstag ein offenes Geheimnis im Fahrerlager.

Wieder einmal hat sich der Blondschopf offenbar in letzter Sekunde einen Platz in der F1 gesichert. Last-Minute-Einstiege ziehen sich wie ein roter Faden durch "Quick Nicks" Karriere. Oft genug hingen die Stangen zu hoch, oder waren alle Plätze bereits vergeben - doch immer wieder fand Heidfeld ein Hintertürchen in die Königsklasse. "Ich hatte Sorgen, aber keine Angst", sagte er nach seinem Testtag. "Natürlich bestand die Möglichkeit, dass ich in diesem Jahr ohne einen Job in der Formel 1 darstehen könnte. Aber ich hätte mich im Laufe der Saison wieder herangearbeitet - wie im vergangenen Jahr."

Ersatzfahrer-Job war nichts für Heidfeld

2010 stand Heidfeld nach dem F1-Rückzug seines ehemaligen Arbeitgebers BMW ohne ein Stammfahrer-Cockpit da. Er nahm den Job als Test- und Ersatzfahrer bei Mercedes an, doch wenn Michael Schumacher und Nico Rosberg den Silberpfeil an den Rennwochenenden über die Strecke pilotierten, war Heidfeld zum Zusehen verdammt. Es folgte ein kurzes Intermezzo als Testfahrer für den neuen Reifenlieferanten Pirelli. Eine unbefriedigende Situation, die sich änderte, als er zumindest für die letzten fünf Rennen den Platz von Pedro de la Rosa im Sauber-Cockpit einnahm.

2001: Schumacher, Coulthard und Heidfeld auf dem Podest, Foto: Sutton
2001: Schumacher, Coulthard und Heidfeld auf dem Podest, Foto: Sutton

Heidfeld kennt diese Situation bereits aus den Anfängen seiner Formel-1-Karriere. Nach seinem Debüt für Prost Grand Prix im Jahr 2000 wechselte er ein Jahr später ins Team von Peter Sauber und verdiente sich in den Folgejahren seine ersten Sporen. Doch nach unbefriedigenden Ergebnissen entschied sich Sauber Ende 2003, den Job neu zu vergeben. Heidfeld stand zum ersten Mal ohne ein festes Cockpit da.

In letzter Sekunde kam er doch noch bei Jordan unter. Ein sportlicher Abstieg im Vergleich zu Sauber. Der EJ114 war 2004 völlig unterlegen im Fahrerfeld, Heidfeld holte nur drei Punkte und landete auf dem 18. Platz der Gesamtwertung. Wieder musste er nach dem Ende der Saison um einen festen Platz in der Formel 1 bangen, wieder war es Winter - wieder war Nick arbeitslos.

2004: Nick Heidfeld bei Testfahrten für Williams, Foto: xpb.cc
2004: Nick Heidfeld bei Testfahrten für Williams, Foto: xpb.cc

Wieder öffnete sich ein Hintertürchen namens Williams. Doch einfach gestaltete sich der Einstieg im Team von Frank Williams nicht. In einem monatelangen Wettbewerb mit Antonio Pizzonia musste Heidfeld um sein Cockpit kämpfen - und behielt letztendlich die Oberhand gegenüber dem Brasilianer. Seine Zukunft stand ein weiteres Mal auf Messers Schneide, doch Heidfeld hatte sich wieder einmal durchgeboxt.

Den technischen K.o. erlebte Heidfeld allerdings noch in der selben Saison. Ab dem Italien-GP 2005 musste er sein Cockpit an Pizzonia abgeben, nachdem der Deutsche zunächst einen Trainingsunfall und später auch noch eine Verletzung erlitten hatte. Doch Nick hatte Glück im Unglück: Nach dem Ausstieg von BMW als Motorenlieferant für Williams machte sich der bayerische Autohersteller mit einem eigenen F1-Team selbstständig - und hievte Heidfeld ins Cockpit.

Großartige Erfolge konnte Heidfeld während seiner gesamten Formel-1-Zeit nicht bejubeln. Doch als einer der Wenigen in diesem gnadenlosen Geschäft biss er sich immer wieder durch - so wohl auch 2011. Heidfeld, das ewige Stehauf-Männchen der Königsklasse.