Jahrelang wurde die DTM als eine Rennserie bezeichnet, in der es so eng zugeht wie in keiner anderen auf der Welt - und in der Tausendstelsekunden den Unterschied zwischen Erfolg und Niederlage ausmachen können. Qualifying-Resultate waren in der Tat oftmals ein Beleg für diese ambitionierte Aussage. Aber: Wird das auch so bleiben, wenn die DTM-Autos in der Saison 2019 erstmals mit Turbo-Power gegeneinander antreten?

Es gibt einige Fragezeichen, beispielsweise: Werden Audi, BMW und Neueinsteiger Aston Martin, vertreten durch das Schweizer Privatteam R-Motorsport, angesichts neuer Motoren und geänderter Aerodynamik auf Anhieb auf Augenhöhe kämpfen? Interessant, dass jüngst ausgerechnet DTM-Boss Gerhard Berger selbst diese Frage in einem gemeinsamen Interview mit Audi-Motorsportchef Dieter Gass auf der offiziellen Audi-Internetseite stellte.

Genau damit beschäftigen sich schon seit Monaten die Ingenieure der Hersteller genauso wie die Verantwortlichen der ITR. Mitte dieser Woche gab die Dachorganisation der DTM mit Gordian von Schöning als neuem Direktor des Geschäftsbereichs Sport und Technik eine Neuverpflichtung bekannt. Von Schöning, in der Vergangenheit für BMW Motorsport und HWA tätig, wird in seiner neuen Rolle gemeinsam mit Michael Bernard die Zusammenarbeit zwischen den Herstellern, dem DMSB und der ITR hinsichtlich technischer Entwicklungen leiten.

Testmöglichkeiten sind begrenzt

Allzu viele Möglichkeiten, die Turbo-Prototypen unter realen Bedingungen zu testen, gibt es nicht. Nach dem privaten Hersteller-Test in Jerez im Dezember 2018, stehen im neuen Jahr nur noch zwei weitere Tests, ein weiterer privater Anfang März in Jerez sowie der offizielle ITR-Test am Lausitzring Mitte April an, bevor die 32. DTM-Saison am 03. Mai 2019 auf dem Hockenheimring beginnt.

Bei der ersten Vergleichsmöglichkeit auf der spanischen Rennstrecke waren die neuen Boliden von Audi und BMW nach Informationen von Motorsport-Magazin.com noch nicht mit maximaler Power unterwegs. Die Laufleistung der neuen Turbo-Motoren ist eines der ganz großen Themen, die es im vollen Umfang noch zu klären gilt.

Was bedeutet der große Unterschied?

Zwar bieten die in Jerez erzielten Rundenzeiten einen ersten Anhaltspunkt. Was die deutliche Zeitdifferenz zwischen den beiden deutschen Herstellern allerdings tatsächlich bedeutet, wird sich noch zeigen. Audi-Werksfahrer Nico Müller erzielte die Bestzeit aller drei Testtage in 1:32.428 Minuten (172,467 km/h) vor seinem Markenkollegen Mike Rockenfeller (1:32.678 / 172,002).

Als schnellster BMW-Fahrer reihte sich Bruno Spengler auf dem dritten Platz in der kumulierten Zeitentabelle ein. Der DTM-Champion von 2012 benötigte 1:33.025 Minuten (171,360 km/h) für seine persönliche Bestzeit auf dem Circuito de Jerez. Damit war Spengler im M4 Turbo 0,597 Sekunden langsamer als Müller im RS 5 Turbo. Auch zu Rockenfeller fehlten ihm noch 0,347 Sekunden.

Dabei hatte das Trio ausreichend Zeit, sich mit den Autos vertraut zu machen: Müller reichten bereits 118 Runden (522,504 km) zur Bestzeit, Rockenfeller konnte trotz 211 Runden (934,308) nicht kontern. Und Spengler war mit insgesamt 246 Umläufen (1089,288 km) auf der 4,428 km langen Strecke der fleißigste Testfahrer. Im Quartett der Turbo-Tester fiel der zweimalige DTM-Champion Marco Wittmann mit den wenigsten Runden (36/159,408 km) sowie der mit Abstand langsamsten Zeit (1:36.258 Minuten / 165,605 km/h) auf. Warum? Das ist vorläufig noch ein Geheimnis von BMW Motorsport.

Die Zukunft der DTM: Neuer Name, Aston Martin & Co: (09:36 Min.)

Genauer Blick auf die Rundenzeiten

Mit Blick auf die theoretischen Bestzeiten war der Unterschied zwischen Audi und BMW sogar noch größer: Hätte Müller seine drei Sektorenbestzeiten innerhalb einer Runde zusammenbekommen, hätte beim Schweizer eine Zeit von 1:32.391 Minuten zu Buche gestanden. Spengler gelang keine einzige Sektorenbestzeit, seine theoretisch schnellste Runde war eine 1:33.011 - womit er immerhin 0,62 Sekunden langsamer als Müller war.

Jerez-Test: Sektoren Zeitenvergleich

MüllerRockenfellerSpengler
AutoAudi-TurboAudi-TurboBMW-Turbo
S135,17535,18735,548
S225,60625,85725,967
S331,6131,45231,496
Bestzeit1:32,428 1:32,678 1:33,025
theor. Bestzeit1:32,391 1:32,496 1:33,011
Topspeed256 km/h257 km/h256 km/h

Was passiert also, wenn Audi, BMW und Neueinsteiger Aston Martin, deren Einsatzteam noch keinen einzigen offiziellen Test-Kilometer zurückgelegt hat, mit derart großen Zeitdifferenzen in die Saison 2019 starten würden? Da es in der DTM keine Balance of Performance gibt und es nach Informationen von Motorsport-Magazin.com auch keine Performance-Gewichte geben soll, halten sich die Möglichkeiten einer künstlichen Angleichung in Grenzen.

BMW-Boss zeigt sich zuversichtlich

BMW Motorsport Direktor Jens Marquardt bewahrte die Ruhe, als ihn Motorsport-Magazin.com kurz vor dem Beginn der Jerez-Tests fragte, was denn im Falle einer Ungleichheit passieren könnte. Marquardt: "Ich bin relativ zuversichtlich, dass wir das gut hinbekommen miteinander. Das Reglement ist dementsprechend gemacht und ich glaube nicht, dass heute noch so eine große Variation herauskommt."

Und falls doch, Herr Marquardt? "Dann ist es schwierig zu sagen, woher es kommt. Man hat auch 2018 gesehen, dass einer, der zu Anfang hinterhergefahren ist (Audi; d. Red.), zum Schluss fast alle Rennen in Folge gewonnen hat. Insofern wird es ganz schwierig sein, da zu Anfang etwas zu sagen. Es ist für uns alle neu und es wird entscheidend sein, schnell das Maximum aus dem Paket herauszuholen. Es wird dann die Herausforderung sein, zu bestimmen, wann man von einem Unterschied im Konzept sprechen kann oder von 'Ich habe es noch nicht im Griff'."

Berger: Die Zähler stehen auf null

Marquardt betonte, dass das neue Reglement viel mehr beinhalte, als einfach nur den Motor auszutauschen. Es handele sich um ein neues Auto. "Das ist nicht so trivial. Andere Serien würden mehr Zeit mit Testen verbringen", fügte der 51-Jährige an.

Für Berger ("Die Zähler stehen auf null. Das allein sorgt für Reiz und Spannung!") und Co. gilt es, innerhalb kurzer Zeit und mit überschaubaren Testmöglichkeiten ein Niveau zu schaffen, in dem nicht nur Audi und BMW, sondern auch die Kunden- sowie Privatteams WRT (Audi) und R-Motorsport (Aston Martin) einigermaßen auf Augenhöhe fahren können. Keine einfache Aufgabe angesichts der umwälzenden Änderungen bezüglich des neuen Class-1-Reglements...