Die neuen DTM-Autos sollten eigentlich weniger Aerodynamik aufweisen. Ist es so gekommen?
Manuel Reuter: Im Aufgabenkatalog standen ursprünglich mal 20 Prozent weniger Aero. Ich glaube allerdings, dass wir nicht allzu weit weg sind vom letztjährigen Level. Die Ingenieure haben mal wieder gute Arbeit geleistet. Das ist aus ihrer Sicht zwar toll, für die DTM aber eher kontraproduktiv Gleichzeitig haben die Autos aber mehr mechanischen Grip wegen der weicheren Reifen. Dadurch sind die Fahrer wieder in der Lage, eine andere Rennlinie zu wählen um sich besser in Position zu bringen.

Außerdem sollen die 2017er-Autos mehr Leistung haben. 20 bis 30 PS sollen es sein. Klingt erst mal nicht nach dem Monster-Auto, das sich viele gewünscht hatten...
Manuel Reuter: Nein, das ist es leider nicht. Auch nicht das, was sich die Fahrer wünschen. Dieses Wunsch-Auto hat deutlich weniger Aerodynamik und 700 bis 800 PS, wenn nicht noch mehr. Aber hoffentlich werden wir solche Monster in der Zukunft noch erleben. Wir haben aktuell wenig Möglichkeiten. Wir müssen ohne viel Geld mehr Leistung aus den bewährten Motoren holen. Da kommen nun mal nur 20 bis 30 PS raus.

Die DTM-Favoriten 2017 (02:34 Min.)

Der DRS-Einsatz wird eingeschränkt, es stehen nur noch 12 Runden bzw. 36 Schüsse zur Verfügung. Reicht das?
Manuel Reuter: Es ging darum, das DRS wertvoller zu machen. Ich hoffe, dass das gelingt. Die ursprüngliche Idee war, das DRS etwas freier einsetzen zu können. Die 1-Sekunde-Abstand-Regelung bleibt allerdings bestehen. In den ersten Rennen wird sich zeigen, wie Aero-sensibel die neuen Autos sind und wie viel der neue weiche Reifen tatsächlich ausmacht. Schwer zu sagen, wie die Fahrer ihr DRS nutzen werden. Es gibt ja auch einen neuen Flügel, bei dem sich nur noch das obere Leitblech bewegt. Bei den Tests in Hockenheim haben wir gesehen, dass der Effekt gut spürbar war. In Sachen DRS ist auch das Funkverbot interessant, weil die Fahrer nicht mehr wissen, was ihre Gegner machen und wie viel DRS sie noch übrig haben. Hier sind die Fahrer also ebenfalls gefragt und rücken dadurch noch mehr in den Mittelpunkt.

Es gibt neue Reifen mit höherem Grip, aber auch mehr Verschleiß. Was erwartet uns da?
Manuel Reuter: Das war ja eine Forderung der Fahrer, einen weicheren Reifen zu bekommen, der einen Peak in der Qualifikation hat und nicht mehr von Anfang bis zum Ende des Stints konstant ist. Da die Reifen im letzten Jahr noch so waren, ähnelten die Rennen einer Prozession, wenn der DRS-Vorteil gering war. Jetzt gibt es mit den weicheren Reifen die Möglichkeit ein aggressiveres Setup zu fahren, weil ich in der Qualifikation vorne stehen will. Aber dann muss ich damit rechnen, Probleme über die Distanz zu bekommen. Das wird für unterschiedliche Herangehensweisen sorgen.

Manuel Reuter analysiert die Regel-Revolution in der DTM, Foto: Motorsport-Magazin.com
Manuel Reuter analysiert die Regel-Revolution in der DTM, Foto: Motorsport-Magazin.com

Das Boxenstoppfenster in den Rennen gibt es nicht mehr. Wozu führt das genau?
Manuel Reuter: Mit den neuen Reifen und ohne Boxenstoppfenster haben wir eine Variabilität in den Strategien, die attraktiver ist und durch die der Fahrer mit dem Ingenieur mehr Möglichkeiten hat. Wenn man die letzten Jahre betrachtet hat, waren es ja beinahe immer die gleichen Strategien, weil die Hersteller natürlich auch hervorragende Leute haben, die zum gleichen Ergebnis kamen. Jetzt kann man mehr eine eigene Strategie wählen. Da tut sich der Gegner deutlich schwerer, das vorherzusehen.

Dadurch dürfte der Begriff des 'Reifenflüsterers' wieder vermehrt aufkommen...
Manuel Reuter: Mir geht es mittlerweile auf den Keks, wenn es heißt, dass Reifenflüsterer einen Vorteil haben. Es ist immer eine Frage deines Gesamtpakets. Wie gut funktioniert mein Paket auf der Strecke, wo liegen die Stärken, wo die Schwächen, wie komme ich persönlich klar? Da gab es in der Vergangenheit, als wie noch zwei verschiedene Reifenmischungen hatten, Fahrer, die das besser oder schlechter hinbekommen haben. Das wird sich aber alles nivellieren.

DTM-Rückkehrer Maro Engel im Interview (06:17 Min.)

Das bedeutet?
Manuel Reuter: Wenn man nicht weit vorne steht, muss man da erst mal hinkommen. Das macht aber auch ein attraktives Rennen aus. Mit dem neuen Paket gibt es auch die Chance, von Platz 8,9 oder 10 das Rennen zu gewinnen. Als Fahrer kann ich mit einem guten Einsatz also wieder mehr rausholen. Vielleicht kann ich mein Auto trotz eines Renn-Setup nach vorne stellen. Zuletzt war es schwierig, sich als Fahrer zu profilieren. Der Fahrer wird also wieder der entscheidende Faktor sein.

Das Verbot der Reifenheizdecken könnte dieses Jahr ein großes Thema sein.
Manuel Reuter: Beim Start gibt es keine Unterschiede, da für alle die gleichen Voraussetzungen gelten. Es wird aber interessant werden beim Boxenstopp. Der kalte Reifen braucht eine Weile, bis er auf Temperatur ist. Einen kalten Reifen kann ich aber auch schnell überfordern, wenn ich zu aggressiv bin. Zusätzlich kommen dann die anderen Autos von hinten, deren Reifen perfekt sind. Es wird also unglaublich interessant werden.

Alles neu! So funktioniert die DTM 2017 (05:27 Min.)

Wie lange wird ein Fahrer auf der Outlap brauchen, um die Reifen auf Temperatur zu bekommen?
Manuel Reuter: Das ist ganz unterschiedlich. An einem sonnigen Tag dauert es eine vielleicht zwei Runden. Bei acht oder zehn Grad am Nürburgring dauert es entsprechend länger. In Zandvoort mit dem aggressiven Belag sieht es wieder ganz anders aus.