Ein schnelles Auto, ein guter Teamkollege und ein schwerer Gasfuß allein reichen heute nicht mehr aus, um im Motorsport Erfolge zu feiern. Eine gute Fitness ist bei den Piloten im ADAC GT Masters Pflicht. Auch wenn ein Fahrer in einem Rennen der "Liga der Supersportwagen" maximal 35 Minuten hinter dem Steuer sitzt, kann das eine schweißtreibende Angelegenheit werden. Neben dem obligatorischen Fitnesstraining bereiten sich viele Piloten mittlerweile auch mit "Fitness im Kopf" - einem Mentaltraining - auf die neue Motorsportsaison vor. Rennsportlegende Hans-Joachim "Strietzel" Stuck (61) und sein Sohn Johannes Stuck (25), der ADAC GT Masters-Vizechampion der Saison 2011, sprechen über das Thema Saisonvorbereitung im Wandel der Zeit und über Mentaltraining im Motorsport.

"Der Vergleich von meiner Zeit zu der Vorbereitung meiner Söhne heute ist ein ziemlicher Schwarz-Weiß-Vergleich", so "Strietzel" Stuck, der die ADAC GT Masters-Saison 2011 auch als Gastkommentator für den TV-Partner kabel eins begleitete. "Wir haben damals vor den Rennen Cola getrunken und Currywurst gegessen. Das wäre heute wohl undenkbar. Erst Anfang der 1970er-Jahre hat uns der damalige Ford-Rennleiter Jochen Neerpasch zu einem Fitnesstraining einbestellt. Wie man sich vorstellen kann, waren wir davon natürlich erst einmal nur mäßig begeistert. Allerdings haben wir schnell erkannt, dass das ein wichtiger Faktor ist, denn im Sport ist Kondition immer auch mit Konzentration verbunden."

Fitnesstraining zählt mittlerweile zum guten Ton, dahingegen ist mentales Training ein noch sehr neuer Baustein der Saisonvorbereitung. "Strietzel" Stuck machte seinerzeit auch erste Erfahrungen mit der "Vorbereitung im Kopf". "Die Anfänge des Mentaltrainings waren sehr kurios und für mich damals nicht besonders überzeugend", erinnert sich Stuck 30 Jahre zurück. "Allerdings hat sich eine Methode bis heute bewährt: Das Abfahren der Strecke in Gedanken. Ein sehr guter Trick, sich auf die Strecke zu konzentrieren und ganz nebenbei auch ein netter Zeitvertreib." Das geistige Abfahren der Runde führt nebenbei zu verblüffenden Ergebnissen: "Wenn man dabei eine Stoppuhr laufen lässt, kommt man bis auf eine Sekunde an seine tatsächlich gefahrene Rundenzeit heran."

Eine Methode, die sich auch Sohn Johannes zunutze macht. "Nachdem ich 2004 im ADAC Volkswagen Polo Cup einmal den Start verhauen habe, ist mir das kein zweites Mal mehr passiert. Ich habe begonnen, die Prozesse, die in der Startphase ablaufen, im Geiste zu visualisieren", sagt der vierfache ADAC GT Masters-Laufsieger. "Ich präge mir die Strecke ein und fahre sie dann gedanklich in einer perfekten Runde ab. Alles, was dann im Auto auf der Rennstrecke folgt, ist nur eine Abweichung von einer 100%-Runde und im Rennen gilt es ‚nur‘, die Abweichung möglichst gering zu halten."

Strecken zu visualisieren ist ein wichtiges Instrument des Mentaltrainings und ein Baustein, mit dem die Mentaltrainerin Julia C. David (31, Frankfurt) Rennfahrer im Kopf fit macht. Zusammen mit Hans-Joachim Stuck saß Julia David als Expertin für Mentaltraining im letzten Jahr auch in der Jury der ADAC Stiftung Sport. "Je sicherer die Fahrer auf der Strecke sind, um so mehr können sie ihre Energie bündeln und sich auf sich selbst, die Technik und Taktik konzentrieren", sagt die Mentaltrainerin, die neben ihrer Arbeit im Motorsport auch Führungskräfte coacht und der erste weibliche Mentalcoach in der deutschen Fußball-Bundesliga ist.

Das Thema Mentaltraining nimmt mittlerweile nicht nur im Motorsport einen immer größeren Stellenwert ein. Julia David: "Viele Sportler erkennen nicht zuletzt auch durch Burn-Out-Syndrome bekannter Kollegen die Sinnhaftigkeit des Mentaltrainings. Denn: Der Erfolg in Beruf und Sport beginnt im Kopf. Mittlerweile arbeite ich mit vielen Rennfahrern und Fußball-Profis zusammen, die sich zum Beispiel gegen den immer größeren Druck von innen und außen stärken." Ein wichtiger Aspekt des Mentaltrainings in ihrer Arbeit ist die Persönlichkeitsentwicklung. "Talent ist eine Sache, aber wenn die Einstellung nicht stimmt, bringt auch das größte Talent keinen Erfolg. Ich versuche im Sportler Emotionen zu wecken, um die Persönlichkeit zu entwickeln, und die Leistungen für einen nachhaltigen Erfolg zu optimieren. Die Basis meiner Arbeit ist es, den Fahrern Bewusstsein für ihr Denken und Handeln zu vermitteln. Für einen Rennfahrer ist es wichtig, dass er im ‚Hier und Jetzt‘ lebt und nicht schon geistig auf dem Siegerpodest steht. Wenn man zu fokussiert ist, setzt man sich unter zu großen Druck und das kann zu vermeidbaren Fehlern führen."

Hans-Joachim Stuck hat sich mittlerweile von den Vorzügen des Mentaltrainings überzeugen lassen. "Ich war nach meinen ersten Erfahrungen vor vielen Jahrzehnten kein Fan des Mentraltrainings. Aber selbst ich bin ja noch lernfähig und die Zusammenarbeit mit Julia David bei der ADAC Stiftung Sport hat mich überzeugt. Das Thema Mentaltraining war bei der Auswahl der geförderten Nachwuchsmotorsportler ein wichtiger Faktor und hat einen hohen Stellenwert eingenommen. Man muss die Dinge der Zeit umsetzen und das Beste daraus machen. Ich bin sehr gespannt, was die nächsten Jahre bringen, und wo in diesem Bereich die Reise hingeht."