Die Kollision der beiden Vanthoor-Brüder beim 24h-Rennen Nürburgring 2022 schlägt nicht nur im Fahrerlager hohe Wellen. Leider gibt es aber kaum jemanden, der sich namentlich und öffentlich dazu äußern möchte. Dafür wird hinter vorgehaltener Hand umso mehr harte Kritik an dem Geschehen geäußert.

Einer von ganz wenigen, die Motorsport-Magazin.com kontaktiert hat und der selten ein Blatt vor den Mund nimmt, ist 'Ring-König' Klaus Ludwig. Der dreimalige Gesamtsieger der 24h Nürburgring weiß, wovon er spricht.

"Für mich hat diesen Zwischenfall eindeutig und ganz allein Laurens Vanthoor zu verantworten", sagt Ludwig, dessen Sohn Luca am Freitag die Pole Position für das 24h-Rennen Nürburgring im octane-Ferrari erzielt hatte. "Er hat in den Audi seines Bruders hineingelenkt und die Kollision billigend in Kauf genommen - das ist bei einer Geschwindigkeit von mehr als 250 km/h kriminell!"

Ludwig Senior weiter in gewohnt ehrlichem Ton: "Zudem können wir von großem Glück sprechen, dass nicht noch mehr passiert ist als lediglich ein völlig unnötig zerstörter Porsche. Ich denke vielmehr an die Sportwarte, die direkt hinter der Leitplanke standen, um dort ihren Job zu erledigen. Wenn die Streckenbegrenzung an dieser Stelle nachgibt, endet der Unfall mit einer Katastrophe!"

Genau das ist der Punkt, der von vielen angesprochen wird. Wie lange wollen die Verantwortlichen noch warten und zuschauen, bis solch ein Szenario tatsächlich passiert? Das erste Rennviertel der Jubiläumsausgabe hat gezeigt, dass sehr hart und aggressiv agiert wird. Der Respekt vor der fahrerisch wohl schwierigsten Rennstrecke der Welt ist bei einigen Teilnehmern offensichtlich abhandengekommen.

Kollisionen in der Boxengasse und wenig später auf der Rennstrecke - wie im Falle des ROWE-BMW und dem Toksport-WRT-Porsche - ein übermütiger Crash des Junior-Team-BMW mit einem 330i, das heftige Gelb-Vergehen von Ricardo Feller, weitere Einschläge vermeintlicher Favoriten auf der Nordschleife - die ersten Stunden des Rennens zweimal rund um die Uhr hatten es in sich, nicht selten ging es über das Limit hinaus. "Es sind einige schwere Unfälle passiert, zum Glück ohne Personenschaden", bestätigte Rennleiter Walter Hornung.

Das liegt sicherlich am großen Erfolgsdruck durch die Hersteller, absolut am Limit agierendem Material, aber auch an den Verbesserungen, die im Laufe der letzten Jahre an der legendären Rennstrecke und auf Verlangen des Automobil-Weltverbandes FIA in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Motor Sport Bund (DMSB) vorgenommen wurden.

Kuppen wurden entschärft, Bodenwellen begradigt, neuer Asphalt gelegt und Sturzräume vergrößert. Das führt dazu, dass an manchen Streckenabschnitten wie beispielsweise "Antoniusbuche" und "Tiergarten" viel höhere Geschwindigkeiten erzielt werden.

Ein Nebeneinanderfahren bis zur Hohenrain-Schikane, wie von Laurens und Dries Vanthoor vorgeführt, wäre vor der Neuasphaltierung nur mit ganz großem Risiko verbunden gewesen, weil die vielen Bodenwellen ein tückisches 'Hindernis' waren und für die Protagonisten kaum abzuschätzen war, wohin ein Rennauto bei diesen Geschwindigkeiten springt.

Unisono heißt es: Der große Respekt vor der Nordschleife ist fast wortwörtlich auf der Strecke geblieben. Das beweisen auch Überholmanöver, bei denen drei oder sogar vier Rennwagen nebeneinander um eine Platzverbesserung kämpfen - notfalls sogar auf dem Grünstreifen.

Das sei "lebensgefährlich" und ist laut Reglement sogar verboten! Verboten ist ein gutes Stichwort: Denn nicht immer endet ein mögliches Verbot auch mit einer Strafe, wie die Beispiele der Kollisionen von Laurens Vanthoor in Daytona und jetzt auch am Nürburgring beweisen. Immerhin sprach der Belgier selbst von einer großen Dummheit.

Für andere Fahrer aber eine geradezu perfekte Vorlage, ähnlich robust zu Werke zu gehen und dem in der Öffentlichkeit bekannten Ruf der Nordschleife als 'gefährlichster Rennstrecke der Welt' auch weiterhin gerecht zu werden...

24h Nürburgring: Wichtigste Ereignisse nach 9 Stunden

  • Crash zwischen Laurens (Manthey) & Dries Vanthoor (Phoenix)
  • Manthey-Porsche raus - L. Vanthoor kämpft mit Tränen
  • #98 ROWE-BMW erleidet Unfall kurz vor Mitternacht
  • #90 TF-Sport-Aston-Martin: Unfall kurz vor Mitternacht
  • 2:32-Zeitstrafe für #5 Phoenix-Audi nach Gelb-Vergehen
  • #5 Phoenix-Audi crasht später mit Porsche Cayman auf GP-Strecke
  • #22 Car-Collection-Audi dreht #44 Falken-Porsche, Opel Astra involviert
  • KTM von Felix von der Laden fackelt ab - Fahrer okay
  • #99 ROWE-BMW crasht in Box mit #27 Toksport-WRT-Porsche
  • Wenig später dann noch Kollision auf der Strecke - Strafe für BMW!
  • #27 Toksport-WRT-Porsche vom Rennen abgemeldet
  • #72 BMW Junior Team schießt BMW 330i ab
  • Porsche-Pech: Falken mit Crash und Reifenschaden, Dinamic-911er fliegt ab
  • Pole-Ferrari von octane fällt nach frühem Reifenschaden zurück