Der Klassiker jeder Langstrecken- und Sportwagen-Saison steht an: die 24h von Le Mans. Für den Gesamtsieg kommen wohl nur die drei LMP1-Werke Porsche, Audi und Toyota in Frage. Das Wettrüsten der Hersteller ist groß, ein Gesamtsieg an der Sarthe ist immer auch mit einem riesigen Imagegewinn verbunden. Das machte einmal mehr Porsches Triumph 2015 mit Formel-1-Pilot Nico Hülkenberg am Steuer deutlich. Für 2016 werden die Karten allerdings neu gemischt, die drei Hersteller liegen sehr dicht beisammen.

Das LMP1-Kräfteverhältnis in Spa

Bei der Generalprobe zu den 24h von Le Mans 2016 in Spa war vor allem eines erkennbar: Audi, Porsche und Toyota liegen im Renntrimm allesamt auf Augenhöhe. Wenn überhaupt, dann hatte bei der reinen Pace Porsche die Oberhand, was die Doppel-Pole in den Ardennen verdeutlichte. Achillesferse aller drei Hersteller allerdings: Die Zuverlässigkeit. Als einziger Hybrid-LMP1 kam der Audi #8 ohne Probleme durch. Das alles lässt auf einen extrem eng geführten Dreikampf an der Sarthe hoffen. Beim offiziellen Vortest indes hatte Audi die Nase vorn.

Audi vor den 24h Le Mans 2016

Derzeit läuft es für den Audi R18 #8 wie geschmiert. Trotz eines problembehafteten Wochenendes in Spa kamen Di Grassi/Duval/Jarvis im Rennen als einziges Trio ohne Probleme durch und holten damit den Rennsieg. Beim Vortest vergangene Woche in Le Mans knüpften sie mit der Bestzeit nahtlos daran an. Das Low-Downforce-Paket des R18 scheint am Besten zu funktionieren. Doch Audi-Sportchef Dr. Wolfgang Ullrich hält den Ball flach: "Aus dem offiziellen Testtag bereits eindeutige Schlüsse für das Rennen in Le Mans zu ziehen wäre voreilig."

Audi zog beim Vortest an Porsche vorbei, Foto: Audi
Audi zog beim Vortest an Porsche vorbei, Foto: Audi

Audi ist bei den 24h von Le Mans aber nicht nur auf den Erfolg aus. Man ist zwar an der Sarthe mit 13 Gesamtsiegen inzwischen zweiterfolgreichste Marke in der Geschichte des Rennens. Die Ingolstädter rücken aber auch die Synergieeffekte zwischen Renn- und Straßenwagen in den Vordergrund. Zwei Erfolge haben daher für Audi einen ganz besonderen Stellenwert: Vor zehn Jahren war man der erste Hersteller, der das Rennen mit einem Dieselmotor gewann, 2012 folgte der erste Hybrid-Sieg durch Audi.

Porsche vor den 24h Le Mans 2016

Schon im Jahr nach dem Le-Mans-Comeback holte sich Porsche den Gesamtsieg. Im Vorjahr waren es Bamber/Hülkenberg/Tandy, die dem Rekordsieger in Le Mans den 17. Triumph in der Geschichte sicherten. Der 919 Hybrid wurde seitdem überarbeitet und für die 2016er-Ausgabe der 24h von Le Mans mit einem neuen Low-Downforce-Paket ausgerüstet. Beim offiziellen Vortest spielte Porsche allerdings nur die zweite Geige hinter Audi. Die reine Pace spielt jedoch nur eine geringfügige Rolle.

Vorrangig geht es für Porsche darum, sein Paket beim Testtag bestmöglich auf das große Event vorzubereiten. Das scheint gelungen zu sein, glaubt man den Ausführungen der Fahrer. "Le Mans ist operativ extrem anspruchsvoll, dazu der Verkehr mit den Überrundungen, unter Umständen schwierige Wetterbedingungen. Wir haben großen Respekt davor, aber wir sind auch so gut vorbereitet wie man es nur irgendwie sein kann und haben die besten Aussichten, um den Sieg kämpfen zu können", blickt Mark Webber dem Rennen optimistisch entgegen.

Toyota vor den 24h Le Mans 2016

Toyota ist 2016 wieder zurück im Konzert der Großen - das wurde nicht zuletzt in Spa erkennbar, als man das Rennen zeitweise anführte und der Sieg zum Greifen nahe war. Wie groß der Sprung der Japaner tatsächlich ist, verdeutlichte der Le-Mans-Vortest am ersten Juni-Wochenende. Dort unterbot der TS050 Hybrid #5 von Davidson/Buemi/Nakajima/Wurz den Kurs um zwei Sekunden schneller als das 2015er-Auto in seiner besten Runde, und das trotz gut 8 Prozent weniger Leistung! Eine Performance, die hohe Begehrlichkeiten bei den Fahrern weckt.

Toyota lag zuletzt zeitweise vor seinen Konkurrenten in den WEC-Rennen, Foto: Toyota
Toyota lag zuletzt zeitweise vor seinen Konkurrenten in den WEC-Rennen, Foto: Toyota

"Der Testtag ist sehr positiv verlaufen, vor allem im Vergleich zum Vorjahresauto, also gehe ich davon aus, dass wir siegfähig sind", meint Sebastien Buemi. Doch zur Bestzeit fehlten immer noch zwei Sekunden. Sollte es aber mit dem Sieg klappen, wäre es der erste Toyota-Erfolg überhaupt in Le Mans. Als offizielles Ziel gibt Toyota jedoch "nur" einen Podiumsplatz aus. Dafür feilte man bis zum Vortest noch am Low-Downforce-Paket des TS050 Hybrid, nachdem schon man schon beim Prolog Ende März in Paul Ricard erste Testfahrten damit absolvierte.

24h Le Mans: Das LMP1-Kräfteverhältnis im Vorjahr

Die 24h Le Mans 2015 drehten sich hauptsächlich um den Sieg-Zweikampf Audi vs. Porsche, beide Marken setzten drei statt üblicherweise zwei LMP1-Prototypen ein. Die späteren Sieger Bamber/Hülkenberg/Tandy konnten die Pace der Spitze in den ersten Stunden nicht mitgehen, kamen aber ohne nennenswerte Probleme über die Distanz, was der Schlüssel zum Sieg war. Toyota konnte dagegen nicht mithalten und nicht einmal von den Problemen der Konkurrenz profitieren. Am Ende wurden es die Plätze sechs und acht für die Japaner.

Die Aussagen der Verantwortlichen vor den 24h Le Mans 2016

Dr. Wolfgang Ullrich, Motorsportchef Audi: "Wie anspruchsvoll die Aufgaben in diesem Jahr sind, haben wir bereits in der FIA-Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC gesehen. Aus dem offiziellen Testtag bereits eindeutige Schlüsse für das Rennen in Le Mans zu ziehen wäre voreilig. Wir haben großen Respekt vor unseren starken Gegnern"

Andreas Seidl, Teamchef Porsche: "Das Einsatzteam und die Mannschaft in Weissach haben in der Entwicklung sowie der Test- und Vorbereitungsphase einen super Job gemacht. Gerade am Beispiel Le Mans lässt sich eine steile Lernkurve ablesen. 2014 kam das Rennen viel zu früh für unsere frisch aufgestellte Mannschaft. Wir haben uns besser geschlagen als man erwarten durfte und erfahren, wie bitter ein Ausfall kurz vor Rennende ist. 2015 haben wir drei Fahrzeuge gemanagt, auf die ersten drei Startplätze gestellt, alle ins Ziel gebracht und einen Doppelsieg gefeiert. Le Mans 2016 wird unser insgesamt 19. Renneinsatz als Team. Das ist nicht sehr viel. Wir sind im technischen und im operativen Bereich besser vorbereitet als je zuvor. Dennoch wissen wir um die Herausforderung, die Rennwoche und vor allem das Rennen zunächst einmal ohne technische Probleme und ohne Zwischenfälle auf der Strecke zu überstehen. Davor haben wir den allergrößten Respekt. Wir fühlen uns bereit."

Toshio Sato, Team Präsident Toyota: "Le Mans ist unser Highlight der Saison und dieses Rennen stand im Mittelpunkt all der harten Arbeit der Vorsaison. In Spa konnten wir bereits das Potenzial des Autos aufblitzen lassen. Bedenkt man, dass wir den TS050 HYBRID speziell auf Le Mans hin entwickelt haben, so bin ich von seinem Lesitungsniveau begeistert. Aber im Rennen geht es um so viel mehr als nur das Auto. Es ist für das gesamte Team ein sehr forderndes Rennen, besonders für die Fahrer. Unter solch schwierigen Bedingungen ist es besonders wichtig, dass jeder von uns seine bestmögliche Leistung abruft und Fehler vermeidet, das Resultat ergibt sich dann von selbst. Natürlich ist unser erklärtes Ziel, so wie aller konkurrierenden LMP1-Hersteller, das Rennen zu gewinnen. Und wir sind bereit um den Sieg zu kämpfen. Dieses Ziel visieren wir zum Ende dieses langen Rennens an, bis dahin heißt es diese 24 Stunden mit aller Entschlossenheit und mit höchster Konzentration anzugehen."