Am Ende der Nacht gab es plötzlich eine Vorentscheidung zu Gunsten von Porsche. Der Audi von Marcel Fässler, Andre Lotterer und Benoit Treluyer streifte am Morgen unvermittelt seine Außenhaut ab. Es führt nach 263 Runden der 919 Hybrid von Nico Hülkenberg, Earl Bamber und Nick Tandy mit zwei Minuten Vorsprung auf den Audi R18 e-tron quattro von Filipe Albuquerque, Marco Bonanomi und Rene Rast. Eine einminütige Stop&Go-Strafe warf den Porsche von Timo Bernhard, Mark Webber und Brendon Hartley auf P3 zurück. Porsche war bei kühlen Bedingungen leicht schneller als Audi.

Der größte Aufreger der Nacht war eine Kollision mit weitreichenden Folgen sowohl für die LMP2 als auch die GTE Pro. Fernando Rees kam gerade von einem Bremsenwechsel zurück auf die Strecke und räumte beim ersten harten Bremspunkt auf der Hunaudieres-Geraden den Oreca 05 von Thiriet by TDS Racing ab - möglicherweise hatte er nicht ausreichend gepumpt. Damit wurden Pierre Thiriet, Tristan Gommendy und Ludovic Badey aus dem Rennen gerissen und der Aston Martin verlor 20 Runden.

Le-Mans-Romantik: Die Nacht sorgte für spektakuläre Bilder, Foto: Speedpictures
Le-Mans-Romantik: Die Nacht sorgte für spektakuläre Bilder, Foto: Speedpictures

Kampf um die Spitze halbiert

Zu Beginn der Nacht bekämpften sich noch jeweils zwei Hybrid-Boliden der beiden Marken aus dem VW-Konzern. Doch schon bald nach Aufhebung der SC-Phase wegen des Unfalls des Alpine gab es einen bitteren Happen für Mark Webber: Eine einminütige Stop&Go-Strafe für Überholen unter gelb. Die Übeltat hatte noch Brendon Hartley begangen. Ein ganz bitterer Zeitverlust für die Nummer 17, von dem sie sich bis jetzt nicht erholt hat und nach Lage der Dinge auch nicht mehr erholen wird.

Und die Nacht meinte es nicht gut mit den beiden WEC-Vollzeit-Porsche: Um Viertel nach eins fuhr Neel Jani in der Mulsanne-Kurve geradeaus und vergrub den 919 Hybrid tief im Kies. Auch mit Hybrid-Allrad war da kein Entrissen mehr. Unter Einsatz schwerer Bergegeräte wurde der High-Tech-Bolide wieder auf den Asphalt gehievt, verlor aber eine Runde. Danach geschah erst einmal lange Zeit nichts und das Rennen nahm seinen Lauf. Im Laufe der Nacht fiel sukzessive der Audi mit der Startnummer 9 leicht zurück. Eine Berührung mit einem überrundeten Ferrari durch Filipe Albuquerque samt vorgezogenem Stopp half auch nicht weiter.

Bei Nissan kamen mit der Dunkelheit größere Probleme auf: Zunächst überfuhr Harry Tincknell ein Trümmerteil auf der Hunaudieres-Geraden, riss sich dadurch die Fronthaube ab und beschädigte sich die Radaufhängung, was einen Reparaturstopp nach sich zog. Kurz darauf verbremste sich Olivier Pla in Arnage. Er hatte Probleme, das Fahrzeug wieder in Gang zu bringen, und kam daraufhin an die Box. Schließlich rannte auch noch der Retro-Nissan in Probleme, als Tsugio Matsuda ein Rad verlor - dummerweise einen Vorderreifen. Mit Ein-Rad-Antrieb drehte er sich in Arnage und stand dann dort minutenlang. Mittlerweile ist das Fahrzeug als Ausfall gemeldet.

Großes Drama um Vorjahressieger

Das lange Zeit problemlose Debüt des AER-betriebenen Rebellion R-One kam um kurz nach Mitternacht zu einem Ende, als Mathias Beche in die Garage zurückgeschoben wurde. Eine ganze Menge von Runden zogen ins Land, wenig später musste auch der zweite R-One unplanmäßig rein. Derzeit stehen beide Fahrzeuge an der Box. Noch unterwegs sind die beiden verbliebenen Nissan sowie den ByKolles-CLM. Kurz vor sieben Uhr schlug schließlich der Blitz bei Audi ein: Die Motorabdeckung des R18 von Marcel Fässler löste sich in ihre Bestandteile auf - ein unplanmäßiger Stopp war die Folge. Das kostete zwei Runden und alle Siegchancen.

Wie sind die Perspektiven für den Rest des Rennens? Vorausgesetzt, dass beide Fahrzeuge problemlos über die Distanz kommen, muss Audi zwei Minuten aufholen. Es wird nun wieder wärmer werden, was den Ingolstädtern entgegenkommen sollte. Die Möglichkeit eines Fünffachstints wäre auch noch gegeben. Verloren hat Audi dieses Rennen noch nicht - doch die Joest-Truppe muss sich mit der Nummer 9 etwas einfallen lassen.

Unfassbar: Der Audi von Marcel Fässler löste sich kurzerhand auf!, Foto: Audi
Unfassbar: Der Audi von Marcel Fässler löste sich kurzerhand auf!, Foto: Audi

Oreca führt Ligier vor

In der LMP2 führt weiter trotz einer Durchfahrtsstrafe überlegen der KCMG-Oreca von Matt Howson, Richard Bradley und Nicolas Lapierre. Einen wilden Abgang legte um 1:30 Uhr Jon Fogarty im ESM-Ligier hin, der bei einem Einschlag in den Porsche-Kurven sich die gesamte Front demolierte. Knapp eine Stunde später rutschte Ho-Pin Tung im Pegasus-Morgan in den Kies, konnte das Rennen aber bald wieder aufnehmen. Das konnte der Morgan Evo von Pierre Ragues, Oliver Webb und Zoel Amberg aus dem Team SARD-Morand nicht mehr - Aus um 2:40 Uhr mit Motorschaden.

Die Klasse zog sich mehr und mehr auseinander, der neue Oreca 05 hatte die Ligier JS P2 deutlich im Griff. Doch kurz vor 5 Uhr morgens kam es zur verhängnisvollen Kollision rund um den zweitplatzierten Thriet-Oreca. Tristan Gommendy wurde aus dem Rennen gerissen, so dass der G-Drive-Ligier von Roman Rusinov, Julien Canal und Sam Bird die zweite Position übernahm. Auf Rang drei liegt der Oreca 03R von Murphy Prototypes von Karun Chandhok, Mark Patterson und Nathanael Berthon.

So sollte es nicht laufen: Aston Martin wird die GTE Pro wieder nicht gewinnen, Foto: Speedpictures
So sollte es nicht laufen: Aston Martin wird die GTE Pro wieder nicht gewinnen, Foto: Speedpictures

Aston Martin in der Pro-Kategorie eliminiert

In der GTE Pro schlug das Schicksal bei Aston Martin zu: Zunächst erwischte es um kurz nach 23 Uhr die mitfavorisierten Stefan Mücke, Darren Turner und Rob Bell mit ihrem Aston-Martin-Artcar, die auf der Hunaudieres-Geraden mit Motorschaden ausrollten. Bitter, doch noch führte der V8 Vantage von Fernando Rees, Alex MacDowall und Richie Stanaway, der sich einen erbitterten Kampf mit der verbliebenen Corvette von Oliver Gavin, Tommy Milner und Jordan Taylor lieferte. Die Kollision mit dem TDS-Oreca erwies sich aber als extrem teuer: Der Kühler wurde beschädigt und der Aston Martin versank im Nirwana.

Stark: Der SMP-Ferrari bietet dem Aston Martin in der GTE Am Paroli, Foto: Speedpictures
Stark: Der SMP-Ferrari bietet dem Aston Martin in der GTE Am Paroli, Foto: Speedpictures

Fast zur selben Zeit kam Oliver Gavin an die Box, um seinerseits die Bremsscheibe und -beläge wechseln zu lassen. Der Stopp dauerte aber länger als angedacht, so dass urplötzlich wieder die AF Corse Mannschaft an der Spitze auftauchte. Gianmaria Bruni, Toni Vilander und Giancarlo Fisichella führen die Klasse momentan an und haben rund 15 Sekunden Vorsprung auf die Corvette - je nach Boxenstopp auch schonmal knapp 90 Sekunden.

In der GTE Am hatte der drittplatzierte Ferrari von Francois Perrodo, Emmanuel Collard und Rui Aguas einen Reifenschaden zu beklagen, der richtig teuer wurde: Fünf Plätze Verlust. Der Windpocken-geplagte Pedro Lamy brachte am frühen Morgen den Aston Martin von ihm, Paul Dalla Lana und Mathias Lauda an die Spitze dieser Kategorie. Der SMP-Ferrari von Viktor Shaitar, Alexey Basov und Andrea Bertolini folgt auf der zweiten Position, auf Rang drei wechseln sich je nach Boxenstopp der Proton-Porsche von Patrick Dempsey, Pat Long und Marco Seefried sowie der Scuderia-Corsa-Ferrari von William Sweedler, Townsend Bell und Jeffrey Segal ab.