Was für ein Rennen an der Sarthe - jeder Hersteller hatte mindestens einmal die Nase vorn! Es gab alle Emotionen: Strahlende Sieger und unglaubliche Debüts auf der einen, Tragödien und Debakel auf der anderen Seite. Motorsport-Magazin.com blickt zurück auf das größte Rennen der Welt und präsentiert die Tops und Flops des Langstreckenklassikers.

Top: Audi-Mechaniker ermöglichen Doppelsieg

Die Mechaniker vom Audi Sport Team Joest zeigten nicht nur grandiose Boxenstopps, Foto: Speedpictures
Die Mechaniker vom Audi Sport Team Joest zeigten nicht nur grandiose Boxenstopps, Foto: Speedpictures

Sie bekommen keinen Ruhm in der Presse, doch sie sind die wahren Helden dieses Doppelsieges: Die Mechaniker vom Audi Sport Team Joest ermöglichten es Andre Lotterer, Marcel Fässler und Benoit Treluyer erst, den Sieg zu holen. In Rekordzeit tauschten sie an dem Audi R18 e-tron quattro den Turbolader aus. Später wiederholten sie das Kunststück beim Fahrzeug von Lucas di Grassi, Marc Gene und Tom Kristensen. Überhaupt konnten diese nach dem schweren Unfall von Loic Duval erst durch eine Monster-Schicht der Mechaniker in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag Training und Rennen in Angriff nehmen. Wir recken beide Daumen für die Schrauber beim Joest-Team!

Top: Andre Lotterer am Sonntagmorgen

Andre Lotterer prügelte den R18 um den Kurs als ginge es um sein Leben, Foto: Speedpictures
Andre Lotterer prügelte den R18 um den Kurs als ginge es um sein Leben, Foto: Speedpictures

Es ist schwierig, in einem solchen Teamsport als Fahrer herauszustechen. Doch was Andre Lotterer am Sonntagmorgen ablieferte, kann nur als unglaublich bezeichnet werden: In einem sagenhaften Fünffachstint quetschte er den Audi R18 e-tron quattro bis zum letzten Tropfen aus und machte im Alleingang eine komplette Runde auf den Porsche von Timo Bernhard, Mark Webber und Brendon Hartley wett. Als er das Fahrzeug an Benoit Treluyer übergab, hatte er den Porsche bereits zu Tode gehetzt und Audi konnte Speed rausnehmen. Er war aber bereits vor dem Ausfall Webbers in Führung gegangen.

Top: Sportgeist in Le Mans

Wolfgang Ullrich zollte der Konkurrenz Respekt, Foto: Audi
Wolfgang Ullrich zollte der Konkurrenz Respekt, Foto: Audi

Was haben wir im Motorsport schon nicht alles gesehen: Hersteller, die alle ihre Autos aus Protest aus einer Serie zurückziehen, Proteste an allen Fronten, Verbalduelle über die Medien. Doch in Le Mans wurden trotz des enormen Prestiges der Veranstaltung große Gesten gezeigt: Dr. Wolfgang Ullrich entschuldigte sich beinahe bei Toyota für den Audi-Sieg und würdigte das Porsche-Comback. Toyota seinerseits beglückwünschte in der Presseaussendung ebenfalls Porsche zum eindrucksvollen Comeback und Audi zum Sieg. So sieht fairer Sport aus, Respekt!

Top: Kampf der Giganten in der GTE Pro

Was für eine GT-Schlacht!, Foto: Speedpictures
Was für eine GT-Schlacht!, Foto: Speedpictures

Angesichts dessen, was dort geboten wurde, ist es eigentlich schon zu schade, dass die GT-Klassen eher eine Randnotiz in Le Mans sind: Hier wurde wahnsinniger Sport geboten: Aston Martin, Corvette und Ferrari lieferten sich über weite Strecken einen unglaublichen Kampf auf Messers Schneide, aber mit fairen Mitteln. Leider fiel die Corvette in der Nacht aus dem Kampf wegen technischer Probleme heraus. Aston Martin Racing und AF Corse bekämpften sich weiter über Stunden hinweg, bis die Servolenkung am Aston Martin schlapp machte. Doch unterm Strich: Wahnsinn, Jungs, ihr habt uns richtig Freude bereitet!

Top: Ligier beeindruckt im ersten Rennen

Der klobig wirkende Ligier beeindruckte auf Anhieb, Foto: Speedpictures
Der klobig wirkende Ligier beeindruckte auf Anhieb, Foto: Speedpictures

Am Ende blieb die Sensation zwar ganz knapp aus, doch man muss Onroak Automotive beglückwünschen: Bei einem Auto, das kein einziges Rennen absolviert hat und dann direkt in Le Mans an den Start geht, wäre eine Zielankunft eigentlich schon ein Sieg. Doch Oak Racing und Thiriet by TDS Racing brachten die von Nissan- und HPD-Motoren angetrieben Fahrzeuge bei der Rückkehr von Guy Ligier auf die internationale Motorsportbühne nicht nur ins Ziel, sondern lagen auch noch die überwiegende Zeit des Rennens an der Spitze. Zwar ging der Sieg aufgrund eines Reifenschadens bei Thriet by TDS Racing und eines tragischen Elektronikproblems bei Oak Racing ganz knapp durch die Lappen, doch das Debüt war richtig stark. Der JS P2 wird eine neue LMP2-Ära einläuten.

Flop: Toyotas ewiges Le-Mans-Pech

Was muss Toyota tun, um endlich einmal zu gewinnen?, Foto: Speedpictures
Was muss Toyota tun, um endlich einmal zu gewinnen?, Foto: Speedpictures

Es gibt diejenigen, die sagen: "Es gibt kein Pech im Motorsport." Aber in Le Mans braucht es eben auch das berühmte Quäntchen. Und was auch immer Toyota Fortuna angetan hat, sie bekommen es auf bittere Weise zu spüren: Nach 1998 und 1999 hatte das japanisch-kölsche Team zum dritten Mal das schnellste Auto im Feld - und machte wieder nichts draus. Der Lapierre-Unfall war pures Pech. Doch der Elektronikdefekt bei der Startnummer 7 ist ein technisches Problem, das man nicht auf Pech schieben kann. Toyota muss auf den Le-Mans-Sieg wieder ein langes Jahr warten.

Flop: Nissan ZEOD RC hält nur 20 Minuten

Ganze fünf Runden hielt der Nissan ZEOD RC, Foto: Speedpictures
Ganze fünf Runden hielt der Nissan ZEOD RC, Foto: Speedpictures

Zwar hat Nissan das Ziel, 300 km/h und eine Le-Mans-Runde rein elektrisch zurückzulegen, erreicht, doch von einem Erfolg kann keine Rede sein: Mehr als 39 Runden waren in der gesamten Le-Mans-Woche nicht drin. Das innovative Fahrzeug stand mehr an der Box als es fuhr. Im Rennen kam dann nach 20 Minuten das Aus durch einen Getriebeschaden. Das eigentliche Ziel, Erfahrungen für das LMP1-Projekt zu sammeln, wurde buchstäblich meilenweit verfehlt. Nach der vollmundigen Ankündigung, dass man in Le Mans 2015 nicht nur gewinnen, sondern "anders" gewinnen wolle, ist ein solches Debakel ganz schlechte PR. Dirk Adorf kommentierte auf Eurosport: "Das war ja mal gar nichts." Wir schließen uns an.

Flop: Safety Cars trotz Slow Zones

Das Safety Car war öfter im Einsatz als es sollte, Foto: Speedpictures
Das Safety Car war öfter im Einsatz als es sollte, Foto: Speedpictures

Eigentlich sollte das leidige Safety-Car-Prozedere in Le Mans, durch das Klassen in der Vergangenheit regelmäßig auseinander gezogen wurden, dank der Slow Zones der Vergangenheit angehören. Dennoch sahen wir gleich dreimal die drei Führungsfahrzeuge. Okay, als die Regenschauer die Strecke fluteten, eine nachvollziehbare Maßnahme. Nach demUnfall des Murphy-Orecas wurde statt eine Slow Zone einzurichten wieder das Safety Car auf die Strecke gebracht. Wozu also die neue Regelung, wenn sie dann doch nicht zum Einsatz kommt?

Flop: Die angebliche Ferrari-Ankündigung

Die Scuderia kehrt erst einmal nicht nach Le Mans zurück, Foto: Sutton
Die Scuderia kehrt erst einmal nicht nach Le Mans zurück, Foto: Sutton

Eine bessere Formel 1 will Luca di Montezemolo also kreieren. Und um ein schönes Druckmittel zu haben, wurde kurzfristig mal das größte Autorennen der Welt als solches missbraucht. Zumindest die Gerüchte um einen LMP1-Einstieg hätte man in Maranello besser sofort dementiert, statt sie frei im Fahrerlager herumkursieren zu lassen. Ursprünglich sollte am Samstagvormittag eine Pressekonferenz stattfinden. Erst am Vorabend wurde sie wieder abgesagt. Ein klarer Flop.

Top/Flop: Porsches Comeback

Top oder Flop? Ihr dürft selbst entscheiden, Foto: Sutton
Top oder Flop? Ihr dürft selbst entscheiden, Foto: Sutton

Die Erwartungen der Öffentlichkeit waren gigantisch und eigentlich gar nicht zu erfüllen. Dennoch muss man wirklich anerkennen, dass Porsche großartigen Kampfgeist gezeigt hat und lange Zeit das Optimum aus den Möglichkeiten gemacht hat. Mit einem völlig neuen Team und einem völlig neuen Auto führte man über gewisse Strecken das Feld an und startete aus der ersten Reihe. Umso tragischer, dass Weissach am Ende doch mit leeren Händen dasteht: Erst nach 22 Stunden brachen die Porsche 919 Hybrid endgültig auseinander. Zwar gab es bis dahin kleinere Probleme, aber die hatte die Konkurrenz auch. Wir ziehen den Hut vor dem Mut, wieder nach Le Mans zurückzukehren. Ein 919er sah auch tatsächlich die Zielflagge. In die Wertung kam er aber nicht mehr.