Audi, Porsche und Toyota hin, zukunftsweisende Spitzentechnologie her: Für das diesjährige 24-Stunden-Rennen von Le Mans verspricht kaum eine Kategorie einen radikaleren Wettbewerb als jene der vermeintlich kleinen Prototypen. Sage und schreibe 17 LMP2-Boliden stehen auf der Teilnehmerliste für den großen Klassiker, darunter vier verschiedene Chassishersteller, drei verschiedene Motorenlieferanten sowie die konkurrierenden Reifenkonstrukteure Dunlop und Michelin. 16 Mannschaften mit 52 Fahrern, gedeckelte Materialkosten, spannender Motorsport.

Zwar reichen obige Zahlen nicht ganz an jene aus den beiden Vorjahren heran, dennoch steht die LMP2-Klasse an der Sarthe einmal mehr gut da. Marginal besser besetzt ist lediglich die Sparte der GTE-Amateure, so sind für ebendiese in der Summe 19 Wagen angemeldet. Alterdgins stellt sich der Löwenanteil des LMP2-Feldes heuer aus Teilnehmern der European Le Mans Series zusammen, welche gewissermaßen die Unterserie der Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC darstellt. Der Grund: Mehrere Teams, die in der Saison 2013 an der WM partizipierten, haben im Winter einen veränderten sportlichen Kurs eingeschlagen.

Delta-ADR fehlt versprochenes Geld

So orientierte sich die Lotus-Equipe in Richtung der Oberklasse LMP1, derweil Greaves Motorsport in das besagte ELMS-Championat übersiedelte. Luís Pérez Companc und dessen durch den Ferrari-Kundensportbetreuer AF Corse gestützte Truppe Pecom Racing hatten sich zwischenzeitlich einen Wechsel in die neue United SportsCar Championship vorgenommen, verzichteten letzten Endes aber auf weitere Starts mit dem Oreca-Nissan. Pérez Companc greift in diesem Jahr in einem GTE-Am-Ferrari seitens AF Corse ins Volant, sein deutscher Pecom-Fahrerpartner Pierre Kaffer fiel im Zuge dessen durch den Rost.

Verzockt hat sich indes Delta-ADR. Das Gespann aus Delta Motorsport und Alan Docking Racing holte sich via Geschäftemacher Fabien Giroix eine Investmentfirma aus Dubai an Bord. Zwei Oreca-Nissan unter dem Banner Millennium Racing hätten das Delta-ADR-Aufgebot auf insgesamt drei Vehikel gebracht, doch die arabischen Gelder versanken irgendwo im Nirgendwo. Das Resultat: Delta-ADR wird mit null Autos am Start sein; so verlor man ferner die G-Drive-Nennung um den Russen Roman Russinow an Oak Racing. Giroix, 2013 in einem Lola-Renner dabei (Gulf Racing Middle East), steht ohne Cockpit da.

Der Name Ligier zurück in Le Mans

Der Ligier JS P2 bei seinem Rollout in Le Mans, Foto: DPPI
Der Ligier JS P2 bei seinem Rollout in Le Mans, Foto: DPPI

Über die frei gewordenen Plätze für die Schlacht an der Sarthe freuten sich unter anderem kleinere Teams wie Pegasus Racing, Signatech-Alpine und Larbre Compétition. Letztere Organisation ist in den zurückliegenden Monaten von Chevrolet Corvette aus der GTE-Am-Klasse auf Morgan-Judd, von der WM in die ELMS gewechselt. Wenngleich die Franzosen mit den Muscle-Cars in der Vergangenheit stets vorne dabei waren, tut man sich bei den Prototypen noch äußerst schwer. Zu den Favoriten auf den Sieg in Frankreich zählen andere Mannschaften, beispielsweise Titelverteidiger Oak Racing und das ELMS-Spitzenteam Jota Sport.

Über den Eichen schwebt allerdings ein Fragezeichen namens Ligier JS P2. Die Neukonstruktion war bislang nur im Testbetrieb unterwegs, wird ergo in Le Mans ihr Renndebüt geben. Zwar vermeldet die Oak-Entwicklungssparte Onroak Automotive dieser Tage durchweg Positives über das geschlossene Vehikel, doch inwiefern selbiges beim großen Rennen konkurrenzfähig sein wird, bleibt abzuwarten. Dass Jacques Nicolets Mannen zur besten ihrer Zunft gehören, steht hingegen nicht zur Debatte. Einer der beiden Oak-Ligier wird im Übrigen mit Nissan-, der andere mit Honda- respektive HPD-Motorisierung starten.

Oak mit G-Drive beim Test voran

Durch die Adaption des G-Drive-Wagens haben die Oak-Schrauber aber noch ein zusätzliches Eisen im Feuer. Der Morgan-Nissan mit der Nummer 26 ist nach seinem Verkauf an Delta-ADR gewissermaßen zu seinen Schöpfern zurückgekehrt. Bei den offiziellen Probefahrten auf dem Circuit de la Sarthe lief auch gleich alles bestens: Russinow war es, der den Flitzer zur Klassenbestzeit pilotierte. Die Marke in Minuten: 3:37,795. Man landete schlussendlich 0,491 Sekunden vor Karun Chandhok in Diensten der irländischen Crew Murphy Prototypes auf Oreca-Nissan. Die drittbeste Rundenzeit ging an Signatech-Alpine.

Gemessen an diversen Ergebnisse aus den jüngeren Jahren haben etwa 50 bis 60 Prozent der LMP2-Nennungen mehr oder minder realistische Chancen auf Klassenrang eins. Bedenkt man aber, wie nahe Glück und Pech an der Sarthe beieinander liegen, sollte man sich womöglich davor hüten, überhaupt irgendeinen Bewerber verfrüht abzuschreiben. Sicher ist eine Woche vor dem Spektakel lediglich eines: Die siegreichen Piloten der Vorjahresausgabe werden ihren Erfolg nicht wiederholen können. Bertrand Baguette, Martin Plowman und Ricardo González sind weder für Oak Racing noch für ein anderes Team angemeldet worden.