Am Montag verkündete der Motorrad-Weltverband FIM das langersehnte neue MotoGP-Regelwerk, welches ab der Saison 2027 greifen wird. Dabei kommt es unter anderem zu einer Hubraum-Reduktion, einem Aero-Einschnitt und dem völligen Verbot der Ride-Height-Devices. Diese Veränderungen sorgten in den vergangenen Tagen für viel Gesprächsstoff. "Die einzige Verbesserung gegenüber den aktuellen Regeln ist das Verbot von Ride- und Holeshot-Devices. Nichts anderes wird dem Sport nutzen, nur die Ingenieure werden profitieren", meinte etwa Ex-MotoGP-Weltmeister Casey Stoner stellvertretend. Auch im aktuellen MotoGP-Fahrerfeld wurde am Medien-Donnerstag in Le Mans heiß diskutiert.

Die Meinungen der 22 Stammfahrer des Jahres 2024 gingen dabei teils weit auseinander. "Die Aero einzuschränken, wird gar nichts verändern", glaubt etwa MotoGP-Superrookie Pedro Acosta und erhält dabei Unterstützung von Fabio Quartararo: "Die Devices zu entfernen, ist großartig. Ich denke aber nicht, dass sich im Bereich der Aero viel verändern wird und auch beim Motor wird nicht viel passieren." Alex Marquez stimmt zu: "Auf Seiten der Aerodynamik hätte ich mehr Einschränkungen erwartet." Auch Trackhouse-Pilot Miguel Oliveira zeigt sich skeptisch: "Die Aero-Limitationen schränken nicht viel ein. Du wirst also immer noch ziemlich viel Downforce und alles haben. Auch der Wechsel zu 850ccm ist, sagen wir, nicht meine liebste Veränderung."

In diesem Bereichen sollen sich die MotoGP-Bikes ab 2027 verändern, Foto: MotoGP Twitter
In diesem Bereichen sollen sich die MotoGP-Bikes ab 2027 verändern, Foto: MotoGP Twitter

MotoGP-Stars glauben: Der Fahrer macht künftig wieder einen Unterschied!

Auf der anderen Seite des Fahrerfeldes jubelte Oliveiras Ex-Teamkollege Brad Binder dagegen: "Ich denke, dass das cool werden wird - ein Neustart für alle. Die Motorräder werden sich komplett verändern, das ist ziemlich aufregend." MotoGP-Superstar Marc Marquez zeigte sich am Donnerstag ebenfalls hocherfreut und sprach noch einen anderen Aspekt an: "Dass wir mehr Restriktionen auf technischer Seite bekommen, ist gut für uns Fahrer. Mit weniger technischen Anbauten am Motorrad kann der Fahrer einen größeren Unterschied ausmachen. Der Wert des Fahrers steigt wieder, das gefällt mir." WM-Rivale Jorge Martin stimmt zu: "Mit all den Devices und dem technischen Zeugs, das wir momentan haben, können schlechte Fahrer die Lücke zu den Guten schließen. Es ist viel einfacher, diese Motorräder zu fahren. Mit den neuen Bikes wird der Fahrer wieder wertvoller und die Zweikämpfe sollten besser werden."

Ein Fahrer, der 2027 aller Voraussicht nach nicht mehr in der MotoGP am Start sein wird - zumindest nicht als Stammfahrer - ist Aleix Espargaro. Der Aprilia-Kapitän fuhr als einziger noch aktiver Pilot schon zu den letzten 800ccm-Zeiten der Königsklasse zwischen 2007 und 2011. Er kann die Hubraum-Reduktion nachvollziehen: "Wir fahren auf den gleichen Strecken wie Doohan und Criville zu 500ccm-Zeiten. Mittlerweile fährt aber selbst die Moto3 auf 500ccm-Niveau. Das bedeutet, dass die Strecken nicht mehr aussreichend präpariert sind. Wir können sie leicht modifizieren, aber der vorhandene Platz bleibt gleich. Daher müssen wir die Performance [der Motorräder, Anm.] etwas reduzieren. Die Ingenieure sind einfach zu schlau, wir haben zu viel Technik. Dem müssen wir entgegenwirken."

Ohnehin zeigte sich auch Espargaro als Fan des neuen Regelwerkes ab 2027. "Ich glaube, dass die Show dadurch besser wird", sagt er und erklärt: "Die Zuschauer zuhause vor dem TV interessiert es nicht, ob wir 1:31.8er- oder 1:33.3er-Zeiten fahren. Das sind nur 1,5 Sekunden. Auch die neuen Motorräder werden verdammt gut performen, gleichzeitig verbessert sich aber die Show." Zudem meint der 34-jährige Katalane, dass der Aero-Beschnitt "mehr verändern wird, als es aktuell aussieht." Dem stimmt auch Honda-Werksfahrer Luca Marini zu. Dieser glaubt sogar, dass die Beschränkungen im Aero-Bereich die Leistungsunterschiede zwischen den einzelnen Herstellern noch weiter vergrößern werden: "Wenn du clever genug bist und einen Weg findest, die noch vorhandene Aerodynamik positiv zu nutzen, wird dir das einen großen Vorteil bringen."

Aerodynamische Anbauten an MotoGP-Bikes werden auch 2027 noch existieren, Foto: Tobias Linke
Aerodynamische Anbauten an MotoGP-Bikes werden auch 2027 noch existieren, Foto: Tobias Linke

WTF?!? Jack Miller kann neue MotoGP-Regel überhaupt nicht nachvollziehen

Jack Miller hätte dagegen gerne komplett auf aerodynamische Anbauten an den Motorrädern verzichtet. Der Australier kennt die MotoGP-Maschinen noch aus Zeiten vor dem heutigen Aero-Wettkampf: "Es war viel anstrengender [diese Bikes zu fahren, Anm.]. Du musstest das Wheelie viel mehr kontrollieren und auch viel vorsichtiger bei der Leistungsausgabe sein. Außerdem machen diese Devices und Winglets die Motorräder hässlich - und Rennsport sollte doch eigentlich schön sein. Daher sollten wir sie loswerden." Eine Aussage, mit der der KTM-Pilot wohl vielen MotoGP-Fans aus der Seele spricht.

Neben dem 'zu geringen' Aero-Beschnitt gibt es aber auch noch einen zweiten Faktor, den Miller nicht nachvollziehen kann: Die Veröffentlichung sämtlicher GPS-Daten nach Sessionende. Die MotoGP selbst erhofft sich davon wohl primär, den Fans mit Grafiken und Auswertungen einen tieferen Einblick in die Königsklasse liefern zu können. Unverständlich für den Australier. "Was zum F*** soll das bringen?", rätselt er und meint: "Das ist Rennsport. Da geht es doch genau darum, sich einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz zu erarbeiten und nicht, ihnen zu sagen, wo genau du schneller als sie bist. Es ist doch das ganze Rätselraten, dass den Sport so schön macht. Ich verstehe nicht, wie das die Hersteller durchwinken konnten."

Eine Absenkung der Motorräder beim Start ist künftig nicht mehr möglich, Foto: LAT Images
Eine Absenkung der Motorräder beim Start ist künftig nicht mehr möglich, Foto: LAT Images

Ohne Holeshot-Devices: MotoGP-Fahrer wird beim Start wieder wichtiger

Eine Sache, die dagegen von fast allen Fahrern positiv aufgefasst wurde, war die Abschaffung der Holeshot-Devices, die beim Rennstart zum Einsatz kommen. "Das wird den Fahrern helfen, die das bessere Feingefühl haben", glaubt etwa Maverick Vinales und führt aus: "Momentan gibst du einfach nur Vollgas und schaust, ob das Bike nachschiebt. Ohne sie [die Holeshot-Devices, Anm.] bekommst du viel mehr Wheelie. Du musst deinen Fahrstil anpassen, du kannst nicht Vollgas geben. Das wird die Starts sehr verändern und der Fahrer einen größeren Unterschied ausmachen." Joan Mir ergänzt, dass die "Variation an guten und schlechten Starts in Zukunft viel größer ausfallen wird", was die Startphase eines Rennens ab 2027 im Idealfall nochmal spannender gestalten sollte als das aktuell ohnehin schon der Fall ist.

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