Nach dem Monaco ePrix hat die Formel E 8 von 16 Saisonrennen im Jahr 2024 absolviert. Porsche-Werksfahrer Pascal Wehrlein führt die WM-Tabelle mit 102 Punkten an, während in der Team-Wertung das Jaguar-Werksteam in Front liegt. Doch nicht für alle 22 Fahrer und elf Teams lief es in diesem Jahr bisher wie erhofft. Motorsport-Magazin.com kürt die Gewinner und Verlierer der ersten Saisonhälfte.

Gewinner #1: Pascal Wehrlein

Bei der Frage nach den Gewinnern der ersten acht Saisonrennen führt kein Weg an Pascal Wehrlein vorbei. Zwar hatte der gebürtige Sigmaringer auch 2023 die WM nach acht Läufen angeführt, die Porsche-Form befand sich zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits auf dem Sinkflug. Davon kann im Jahr 2024 keine Rede sein. Besonders die große Schwäche aus dem Vorjahr, das Qualifying, konnten die Zuffenhausener endlich in den Griff bekommen. Nicht nur das: Wehrlein ist mit durchschnittlich Platz vier in der Zeitenjagd der beste Qualifyier des Jahres. Kein anderer Fahrer zog so oft in die Duell-Phase ein (siebenmal), holte so viele Pole Positions (3), führte so viele Rennrunden an (40) und gewann so viele Rennen (2) im Jahr 2024 wie Wehrlein.

Pascal Wehrlein (TAG Heuer Porsche Formula E Team) feiert seinen 2. Saisonsieg auf dem Podium
Pascal Wehrlein führt die Formel E 2024 zur Saisonhalbzeit an, Foto: LAT Images

Ironischerweise sind es ausgerechnet die Rennen selbst, die dazu geführt haben, dass Wehrlein nicht einen noch größeren Vorsprung als sieben Punkte auf Nick Cassidy (Jaguar) aufweist. Sowohl in Sao Paulo als auch in Monaco verpasste der 29-Jährige nach Pole das Podest, in Tokio kostete eine Begegnung mit Dauer-Rivale Jake Dennis (Andretti-Porsche) mehrere Positionen, in Misano blieb das erste Rennen nach Frontflügelschaden punktlos. Dass Wehrlein trotz dieser verpassten Gelegenheiten die Fahrer-Wertung anführt, zeigt, dass mit ihm in jedem Fall im Titelkampf zu rechnen ist.

Formel E 2024: Die 5 besten Qualifier der ersten Saisonhälfte

Pos.FahrerTeamDurchschnittliche Qualifying-Position
1Pascal WehrleinPorsche4
2Jean-Eric VergneDS Penske5,75
3Mitch EvansJaguar6,38
4Maximilian GüntherMaserati-DS7,13
5Nick CassidyJaguar7,63

Gewinner #2: Jaguar

Ebenso wie mit Wehrlein und Porsche wird in diesem Jahr erneut mit Jaguar im Kampf um die WM zu rechnen sein. Der Fahrerwechsel von Sam Bird zu Nick Cassidy stellt sich bislang als goldrichtig heraus, nach einem kniffligen Saisonstart befindet sich auch die bewährte Konstante Mitch Evans nach seinem Sieg in Monaco in Schlagdistanz. Die stark aufgelegte Fahrerpaarung zahlt sich aus: Kein anderes Team hat so viele Rennrunden angeführt oder so viele Podestplätze geholt (7). Nissan und Andretti-Porsche konnten nur vier Fahrer-Trophäen mitnehmen. Zudem konnte Jaguar als einziges Team neben dem DS-Kundenteam Maserati bei allen ePrix punkten.

Die Konsequenz: Seit dem zweiten Saisonrennen führt Jaguar die Team-Wertung an und liegt zur Saisonhalbzeit mit 42 Punkten Vorsprung auf das Porsche-Werksteam in Front. Seit dem Werkseinstieg 2016 läuft Jaguar dem ersehnten WM-Titel vergeblich hinterher. Kann das Team aus dem britischen Coventry diese Form in den verbleibenden acht Rennen aufrecht erhalten, zählt Jaguar zu den heißen Anwärtern auf den WM-Titel.

Gewinner #3: Oliver Rowland und Nissan

Porsche und Jaguar haben bislang die Nase vorne, aber auch Nissan mischt mit und hat schon zwei Siege auf dem Konto. Nach mehr als dreieinhalb Jahren Durststrecke wurden die Japaner Mitte März von Sam Bird im Kunden-Nissan von McLaren erlöst. Nach der (vorläufigen) Disqualifikation von Antonio Felix da Costa konnte Oliver Rowland in Misano auch das Werksteam mit einem Sieg beschenken.

Der Brite zählt ohnehin ebenso wie Nissan selbst zu den Gewinnern der ersten Saisonhälfte. Nach seiner abrupten Trennung von Mahindra noch während der laufenden Saison 2023, trumpft der 31-Jährige bei seinem Formel-E-Comeback groß auf und befindet sich mitten im WM-Kampf. Seinen in der vergangenen Saison hochgelobten Teamkollegen Sacha Fenestraz hat Rowland klar im Griff (88:24 Punkte). Nur 14 Zähler trennen ihn von Wehrlein, ohne einen Teamfehler, der ihn im zweiten Misano-Rennen auf der letzten Runde in Führung liegend dramatisch ausrollen ließ, würde Rowland womöglich sogar die WM anführen.

Oliver Rowland im Nissan
Oliver Rowland und Nissan konnten bislang überraschen, Foto: LAT Images

Gewinner #4: Maximilian Günther

Maserati-DS-Pilot Maximilian Günther konnte die WM-Führung in dieser Saison zwar noch nicht für sich beanspruchen, fährt aber eine seiner besten Saisons und befindet sich als Sechster mit 37 Zählern Rückstand auf Wehrlein in Schlagdistanz. Bei der Premiere der Elektro-WM in Tokio konnte Günther seinen fünften ePrix-Sieg feiern und ließ nach der (vorläufigen) Felix-da-Costa-Disqualifikation in Misano einen weiteren Podestplatz folgen.

Seinen neuen Teamkollegen Jehan Daruvala, den einzigen Rookie-Stammfahrer in der Saison 2024, hat Günther wenig überraschend im Griff. Im Durchschnitt qualifiziert er sich fast neun Positionen vor seinem indischen Stallgefährten. Günther besticht in dieser Saison vor allem durch eine ausgeprägte Konstanz. In seinen vorherigen fünf Saisons konnte der 26-Jährige nur einmal in mehr als der Hälfte der Rennen punkten. 2024 ist Günther bislang einer von nur drei Fahrern, die in sieben der acht WM-Läufe Zähler sammeln konnten.

Gewinner #5: Nico Müller und Abt-Cupra

Dass Abt-Cupra in der Formel E 2024 eine erneut schwierige Saison erwarten würde, war vor dem Saisonstart absehbar. Die Autos blieben technisch unverändert, womit sich das deutsche Team ein weiteres Jahr mit dem unterlegenem Mahindra-Antriebsstrang herumschlagen muss. Dennoch gelang es den Kemptenern, des Öfteren zu überraschen. Während das Mahindra-Werksteam noch punktlos dasteht, konnte Abt 19 Zähler sammeln und befindet sich nur vier Punkte hinter ERT, ehemals NIO, auf Platz zehn in der Team-Wertung. Damit liegen die Äbte zur Saisonhalbzeit als einziges Kundenteam in der WM vor dem eigenen Antriebsstrang-Lieferanten - und kann durch die abgeschlossene abgeschlossene Partnerschaft mit Neueinsteiger Lola-Yamaha ab 2025 in eine vielversprechende Zukunft blicken.

Besonders mit Nico Müller am Steuer wusste Abt-Cupra zu überzeugen. Der Schweizer beförderte seinen Boliden viermal in die Duelle und damit öfter als Rowland, Felix da Costa oder Weltmeister Dennis. In Misano schrammte der 32-Jährige nur um 0,050 Sekunden an einer Podiumssensation vorbei. Seinen Teamkollegen Lucas Di Grassi, immerhin Formel-E-Champion von 2017, hat Müller zudem klar im Griff. Nur in Monaco musste er sich dem Brasilianer im Qualifying geschlagen geben - und das erst nach einem technischen Problem. Dementsprechend kommt es nicht überraschend, dass Müller auf dem volatilen Fahrermarkt mit Teams wie Porsche in Verbindung gebracht wird.

Verlierer #1: Antonio Felix da Costa

Nachdem Antonio Felix da Costa sich auf Porsche-Wunsch in diesem Jahr vollkommen auf die Formel E konzentrieren sollte und dafür auf die WEC verzichten musste, galt der Formel-E-Champion von 2020 als heißer Titelanwärter. Doch davon ist Felix da Costa 2024 weit entfernt: Zwar hat sich der Portugiese nach einem katastrophalen Saisonstart stabilisiert und konnte in Misano auf der Strecke einen Sieg feiern, doch selbst ohne die vorläufige Disqualifikation und die 25 Punkte für den Sieg befände sich Felix da Costa in der Fahrer-WM nur auf Rang acht - mit 81 Punkten Rückstand auf Wehrlein.

Besonders das Qualifying erweist sich nach wie vor als Achillesverse des 32-Jährigen. Als einziger Stammfahrer im Feld wurde Felix da Costa in jedem Qualifying des Jahres von seinem Teamkollegen geschlagen und startet durchschnittlich mehr als zehn Positionen hinter Wehrlein. Starts von weiter hinten erhöhen in den oft wilden Formel-E-Rennen das Risiko für Zwischenfälle, wie sie Felix da Costa etwa in Misano und Monaco ereilten. Dass der achtfache ePrix-Sieger unter Rennbedingungen immer noch zu einem der besten Fahrer gehören kann, zeigte neben dem Misano-Sieg auch das Rennen in Monaco, wo sich Felix da Costa mit starken Manövern in die Punkte zurückkämpfte. Derartige Lichtblicke gab es 2024 bisher jedoch zu selten.

Verlierer #2: Envision

Während das Jaguar-Werksteam nach der ersten Saisonhälfte an der Spitze der Team-Wertung thront, ist das hauseigene Kundenteam Envision - der amtierende Weltmeister - von diesen Höhen weit entfernt. Magere 41 Zähler sammelte die Mannschaft aus Silverstone an den ersten sechs Rennwochenenden. Seit dem Double-Header in Saudi-Arabien Ende Januar gingen sogar nur noch vier Zähler aufs Envision-Konto. Das ergibt lediglich den achten Platz in der Konstrukteurs-WM mit 131 Punkten Rückstand auf die Spitze.

Zwar verlor Envision vor der Saison mit Nick Cassidy den Fahrer, der 2023 fast zwei Drittel aller Punkte für das Team sammelte, doch nicht nur daran krankt es. Auch Sebastien Buemi erlebt 2024 eine deutlich schwächere Saison als im Vorjahr. Im Vergleich zum Werksteam gibt vor allem die Qualifying-Performance Rätsel auf. Robin Frijns und Buemi erreichten nicht einmal halb so oft die Duelle wie Evans und Cassidy. Dazu gesellten sich oftmals Kontakte im Rennen, welche die Fahrer zurückwarfen. Es droht die schlechteste Saison der eigenen Team-Historie: Das Gründungsmitglied der Formel E beendete bisher jede Saison in den Top-5 der Team-Wertung.

Verlierer #3: Nyck de Vries

Dass Ex-Champion Nyck de Vries aufgrund des technisch unveränderten Mahindra-Antriebsstrang ein schwieriges Formel-E-Comeback erleben würde, war keine Überraschung. Auch dass er ohne Erfahrung im neuen Gen3-Boliden einiges an Anlaufzeit benötigen würde, war erwartet worden. Das Ausmaß der Schwierigkeiten des Niederländers kommt dennoch etwas überraschend.

Nyck de Vries mit Mahindra beim Formel-E-Rennen in Mexiko-City 2024
Nyck de Vries blieb bei seinem Formel-E-Comeback bislang punktlos, Foto: LAT Images

Als einziger von nur drei Stammpiloten gelang de Vries nie der Sprung in die Qualifying-Duelle. Auch im teaminternen Duell muss sich der 29-Jährige klar hintanstellen. Nur einmal konnte er Teamkollege Edoardo Mortara im Qualifying schlagen und qualifizierte sich durchschnittlich vier Positionen hinter dem Italo-Schweizer. Mit einer durchschnittlichen Qualifying-Position von 17,5 ist de Vries nur vor ERT-Pilot Dan Ticktum der zweitschwächste Qualifier des Jahres, zweimal startete er gar vom letzten Startplatz.

Auch im Rennen lief es nur unwesentlich besser. Platz zwölf in Monaco blieb de Vries' bisheriges Saisonhighlight. Nur der Disqualifikation von Teamkollege Mortara in Tokio ist es zu verdanken, dass der Ex-Formel-1-Pilot nicht als einziger Stammfahrer noch ohne Punkt dasteht.

Formel E 2024: Die 5 schwächsten Qualifier der ersten Saisonhälfte

Pos.FahrerTeamDurchschnittliche Qualifying-Position
18Norman NatoAndretti-Porsche14,63
19Jehan DaruvalaMaserati-DS16
20Lucas Di GrassiAbt-Mahindra17
21Nyck de VriesMahindra17,5
22Dan TicktumERT18,25