Blinde Kurven, gefährliche Kuppen, tückische Kompressionen und kein Raum für Fehler: Die WTCC stattete dieses Jahr erstmals der Mutter aller Rennstrecken einen Besuch ab: der Nürburgring Nordschleife. Schon im Vorfeld war ein wahrer Hype um die Serie ausgebrochen - endlich hatte sich eine Weltmeisterschaft zurück auf die wohl gefährlichste Rennstrecke der Welt getraut. Nie zuvor war der Tourenwagen-WM ein derartiges mediales Interesse beigemessen worden.

Die Weichen für eine Rückkehr der WTCC in die Eifel sind bereits gestellt. Wie die Serie mitteilte, soll das 2016er Rennen am 28. Mai auf der legendären Eifelstrecke ausgetragen werden. Wie faszinierend die Nordschleife noch heute ist, lässt sich wohl am besten direkt aus dem Cockpit heraus beschreiben. Norbert Michelisz berichtete ausführlich bei einem exklusiven Event der MOL Group, dem auch Motorsport-Magazin.com beiwohnte.

Im Rahmen des 24-Stunden-Rennens genoss der Ungar mit seinem 400 PS starken Honda Civic TC1 den Saisonhöhepunkt. Doch die Nordschleife zeigte sogleich, wie gefährlich sie sein kann: Ein Reifenplatzer im Training bei 250 km/h hätte sein Wochenende fast beendet, doch mit einer fahrerischen Meisterleistung verhinderte er einen Einschlag in die Leitplanken.

Spannendes Racing: Die Döttinger Höhe lud zu packenden Windschatten-Duellen ein, Foto: WTCC
Spannendes Racing: Die Döttinger Höhe lud zu packenden Windschatten-Duellen ein, Foto: WTCC

Der Schreck meines Lebens

Ein kleines Wunder auf einer Strecke wie der Nürburgring Nordschleife, die nicht umsonst als die härteste Bewährungsprobe für Mensch und Maschine im Rundstreckensport gilt. "Ich weiß selbst nicht, wie ich das überstanden habe", sagte der Honda-Pilot nach seinem Aha-Erlebnis, das er als "den größten Schrecken meines Lebens" bezeichnete. Die Nordschleife erweist sich für jeden Fahrer als Lehrmeister: "Es mag einfach aussehen, mit 250 km/h geradeaus zu fahren, aber das hat mich daran erinnert, was es bedeutet, so schnell zu fahren wie schnell man einen Unfall haben kann."

Doch trotz der Schrecksekunde, bei der er mit instinktiven Reaktionen Schlimmeres verhinderte, hat der 30-Jährige die Naturrennstrecke in den deutschen Eifelwäldern in sein Herz geschlossen. "Ich habe Bilder von alten DTM-Rennen hier studiert und bin die Strecke im Simulator gefahren. Doch nachdem ich meine ersten Runden im Privatauto abgespult habe, habe ich realisiert, dass es was ganz Neues ist, etwas anderes als alles, was ich je erlebt habe."

Vollgas ohne Auslaufzone

Am meisten beeindruckten Michelisz die begrenzten Auslaufzonen: "Es gibt hier wirklich gefährliche Stellen auf der Strecke. Theoretisch gehen sie voll, aber versuche das mal, wenn du im Auto sitzt. Zu Beispiel am Flugplatz: Fahre diese Kurve erst einmal mit 220 km/h Vollgas ohne jede Auslaufzone. Auf einer normalen Rennstrecke gibt es weitläufige Auslaufzonen. Wenn man seinen Bremspunkt dort verpasst, landet man schlimmstenfalls im Kiesbett. Man kann ungestraft übers Limit gehen. Hier aber landet man sofort in der Leitplanke."

Zustimmung bekam er hierbei von keinem geringeren als Klaus Ludwig, dem ‚König der Nordschleife‘: "Weil es kaum Auslaufzonen gibt, tut man sich viel schwerer ans Limit zu gehen. Hier gibt es einige Kurven, bei denen man sich fragt: ‚Bin ich wirklich am Limit?‘ Wie Norbi schon sagte, Flugplatz ist so eine Stelle." Und keine Strecke ist trügerischer, wie auch Michelisz selbst herausfand: "Man denkt, man wäre am Limit, aber nach vier oder fünf Runden stellt man fest, dass es noch mehrere Sekunden schneller geht. Das ist wirklich etwas ganz Besonderes."

Unfassbare Begeisterung

Volles Haus: Sowas hat Norbert Michelisz noch nie gesehen, Foto: Patrick Funk
Volles Haus: Sowas hat Norbert Michelisz noch nie gesehen, Foto: Patrick Funk

Und dann ist da noch etwas, was Michelisz vollkommen begeistert: Die Zuschauer! Michelisz sprudelte: "Bevor ich hierhergekommen bin, habe ich gedacht, wir hätten viele Zuschauer in Ungarn. Aber die Begeisterung für den Motorsport hier ist einfach unfassbar. Schon als ich angekommen bin, waren die Wiesen voller Autos und Menschen campten hier bereits Tage im Voraus. Ich habe schon Formel-1-Rennen gesehen, bei denen weniger los war. Die Menschen hier nennen das Kult."

Und von diesem ließ Michelisz sich anstecken: Im ersten Rennen fuhr er auf die vierte Position und war somit bester Fahrer hinter den überlegenen Citroen - und das in seinem allerersten Rennen in der Grünen Hölle. "Es ist einfach toll, wie viel Adrenalin einem auf dieser Strecke ins Blut schießt. Ich hoffe, wie kommen im nächsten Jahr wieder zurück. Die Zuschauer waren toll, das war eine wunderbare Veranstaltung für uns."