Zugegeben, überraschend kam die Dominanz nicht: BMW und Seat schickten weiter nur Privatteams (wenn auch im Falle Seat mit Werksmotoren), Ford stellte in der Debütsaison keine Gefahr dar und das Honda-Werksprojekt steckte am Saisonende noch in den Kinderschuhen. Freie Bahn also für die Mannen von Eric Neve. Ausgerechnet mit nun wieder aufkommender Werks-Konkurrenz erklärte Chevrolet jedoch für 2013 den werksseitigen Ausstieg, der Weltmeister steht bis heute ohne Cockpit da.

Es war also von Saisonbeginn klar, dass die "Schlümpfe", wie Tom Coronel sie scherzhaft bezeichnete, die Weltmeisterschaft unter sich ausmachen würden. Vom ersten Rennen an wurde mit knallharten Bandagen gekämpft. So fuhren sich die Chevy-Piloten gleich beim ersten Rennwochenende in Monza mehrfach gegenseitig ins Auto. Zunächst ging Yvan Muller als der moralische Sieger aus den Kämpfen hervor, doch das sollte sich schnell ändern. Ab der Slowakei vollzog sich eine überraschende Wendung rund um den dreifachen Weltmeister: Er brachte plötzlich kaum noch ein Wochenende ohne selbstverschuldete Kollisionen hinter sich.

Was war mit Muller los?

Yvan Muller machte bei seinen Rambo-Aktionen auch vor Teamkollegen nicht Halt, Foto: WTCC
Yvan Muller machte bei seinen Rambo-Aktionen auch vor Teamkollegen nicht Halt, Foto: WTCC

Mehrfach brachte sich Muller mit Abschüssen um bessere Ergebnisse, hier eine Auswahl seiner Abschüsse 2012: Norbert Michelisz in der Slowakei, Franz Engstler in Sonoma, Alain Menu in Shanghai, Alex MacDowall in Macau. Die Fachwelt war verblüfft von Mullers Abschussserie. Spielten die Nerven verrückt, weil Rob Huff immer besser zurecht kam? Jedenfalls ließ Muller durch Bestrafungen eine ganze Reihe von Punkten liegen, die ihn letztlich um den vierten WM-Titel gebracht haben. Sogar Alain Menu zog noch in der Endabrechnung vorbei.

Rob Huff, der bislang das Image des ungestümen Draufgängers bei Chevrolet hatte, war die positive Überraschung. Nachdem es in Monza noch den Anschein gehabt hatte, dass Huff so weitermachen würde wie bislang und Muller wohlüberlegt vorgeht, tauschten die beiden die Rollen sehr schnell: Huff fuhr taktisch klug, während Muller sich selbst im Weg stand. In Sachen Speed war der Franzose dem Engländer meist eine Nasenlänge voraus, doch in den zweiten Läufen schlug Huff viermal zu, während Muller dort nur zweimal triumphieren konnte. In den ersten Rennen feierte Muller gleich sieben Siege, während Huff hier nur auf einen kam.

Alain Menu lieferte 2012 seine beste Saison ab, doch es reichte nicht ganz für den Titel: Mit 12 Punkten Rückstand wurde der Schweizer Meisterschaftszweiter. Bei ihm stehen in der Endabrechnung einfach zu viele schwache Wochenenden zu Buche wie etwa in der Slowakei oder den USA, die seinen bärenstarken Leistungen gerade am Saisonende entgegenstehen. Die WM-Entscheidung wurde aber dramatischer als angenommen: Rob Huff, der mit einem großen Vorsprung nach Macau angereist war, setzte seinen Cruze im ersten Rennen in die Leitplanke. Mit einem Kraftakt reparierten die Mechaniker das Auto, Huff holte den Titel im zweiten Rennen.

Laufsiege durch BMW und Seat

Mit seinem Laufsieg brachte Norbert Michelisz den Hungaroring zu Kochen, Foto: WTCC
Mit seinem Laufsieg brachte Norbert Michelisz den Hungaroring zu Kochen, Foto: WTCC

Das Rennen der Chancenlosen um den vierten Platz in der Meisterschaft gewann ebenfalls wenig überraschend Gabriele Tarquini in seinem Seat Leon. Der Altmeister brachte das Kunststück fertig, als einziger Nicht-Chevy-Pilot einen ersten Lauf der Saison 2012 zu gewinnen. Dies gelang ihm in der Slowakei, wo die Chevrolets unter ihren Gewichten stark zu leiden hatten. Das sollte Tarquinis einziges Highlight bleiben, ab Mitte der Saison war er zusätzlich zu seinen Einsätzen mit der Vorbereitung des Honda Civic beschäftigt, mit dem er ab 2013 werksseitig Jagd auf den WM-Titel machen wird.

Dem Meisterschaftsfünften, Tom Coronel, blieb ein Laufsieg verwehrt. Mit seinem spektakulären Fahrstil begeisterte der Niederländer weiterhin die Fans, doch bei den Ergebnissen war ein zweiter Platz in Valencia das Höchste der Gefühle. Er schaffte es aber noch mehrfach auf das Podest und darf sich als Sieger der Yokohama Trophy für Privatfahrer feiern lassen. Den emotionalsten Moment erlebte die WTCC in Ungarn, als Lokalmatador Norbert Michelisz im zweiten Rennen vor heimischer Kulisse den Laufsieg einfuhr. Der Hungaroring stand Kopf und die Begeisterung der Zuschauer kannte keine Grenzen - diese stand der Ferrari-Begeisterung in Monza bei der Formel 1 in nichts nach.

Das kurioseste Rennen erlebten die Zuschauer auf dem Salzburgring: Bei den Fronttrieblern gingen fast kollektiv die linken Vorderreifen in der enorm schnellen Fahrerlagerkurve kaputt. Das sorgte für einen äußerst chaotischen Zieleinlauf im zweiten Rennen, das Stefano D'Aste für sich entschied. Dem Italiener gelangen als einzigem Privatfahrer 2012 zwei Einzelsiege; auch in Japan stand er im zweiten Lauf ganz oben auf dem Podest. Die deutschen Fahnen wurden von Franz Engstler hochgehalten, der Zwölfter in der Endabrechnung wurde.