Vor der Saison nahm die FIA weitereichende Beschränkungen im Reifenreglement vor: Die Teams dürfen im Jahr 2008 bei Schotterrallyes nur Reifen einer Konstruktion, eines Profils und eines Gemischs benutzen. Außerdem wurde das Nachschneiden von Hand auf Asphaltrallyes mit unerwartet auftretendem Regen beschränkt. Mindestens ebenso weitreichend war jedoch das Verbot des Mousse Systems, welches noch im vergangenen Jahr viele Reifenschäden kompensiert hatte. Zur Saisonmitte ist es an der Zeit, ein Zwischenfazit zu ziehen.

Bei der Rallye Mexiko hatte Ford gleich diverse Reifenschäden zu beklagen, Foto: Hardwick/Sutton
Bei der Rallye Mexiko hatte Ford gleich diverse Reifenschäden zu beklagen, Foto: Hardwick/Sutton

Das Wichtigste vorne weg: Wurde noch vor der Saison befürchtet, dass das Verbot des Mousse Systems sich unter Sicherheitsaspekten als höchst problematisch erweisen könnte, so kann hier nach acht Rallyes Entwarnung gegeben werden. Nicht ein schwerer Unfall war auf einen geplatzten Reifen zurückzuführen. Zwar erhöhte sich die Anzahl der Reifenschäden, doch wohl auch durch die neuen, härteren Mischungen deuteten sich diese meistens erst an, so dass die Fahrer genug Zeit hatten, rechtzeitig zu reagieren und Tempo herauszunehmen.

Unter sportlichen Gesichtspunkten blieben die Änderungen jedoch umstritten. Es gab diverse Pressemeldungen, in denen insbesondere Ford und Citroen immer wieder darauf hinwiesen, dass es in diesem Jahr nun verboten sei, die Reifen nachzuschneiden und somit an die aktuellen Bedingungen anzupassen. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Teams durch das Reglement auf eine Reifenmischung pro Rallye festgelegt sind, sahen sich so alle Hersteller regelmäßig mit der Situation konfrontiert, mit relativ unpassenden Reifen Etappen bestreiten zu müssen.

In Griechenland verlor Sordo durch drei Reifenschäden an einem Tag alle Chancen auf den Sieg, Foto: Sutton
In Griechenland verlor Sordo durch drei Reifenschäden an einem Tag alle Chancen auf den Sieg, Foto: Sutton

Interessant ist daran, dass genau das dem ursprünglichen Gedanken früherer Rallyes näher kommt. So ist die WRC heute in einigen Bereichen durchaus mit dem Konzept von Rundstreckenrennen zu vergleichen. Zwar gilt es nicht eine Runde auf einem festgelegten Parcours dutzende Male zu bestreiten, doch der Ablauf besitzt trotzdem seine Parallelen. Bereits zwei Tage vor der Rallye werden Besichtigungsfahrten vorgenommen, um einen perfekten Aufschrieb zu erstellen. Auch wenn diese Besichtigung nicht in den Einsatzautos erfolgt, kann sie doch als eine Art Freies Training gelten. Denn wenn die Fahrer nach dem Shakedown in die Rallye gehen, sind sie die Etappen bereits gefahren. Zudem ist das Auto durch die Erfahrungswerte und aufwendige Computersimulationen bereits möglichst perfekt an die Bedingungen angepasst. Ein heutiger WRC Pilot geht wie ein Rundstreckenpilot perfekt vorbereitet in eine Rallye, egal ob an seinem Auto, in seinen Aufzeichnungen oder in der Abstimmung, hier ist nichts dem Zufall zu hinterlassen.

Im Marathon Weltcup gelten andere Gesetze, Foto: VW-Motorsport
Im Marathon Weltcup gelten andere Gesetze, Foto: VW-Motorsport

Ganz anders ist das auch heute im Marathon Rallyesport. Natürlich werden auch hier aufwendige Simulationsverfahren eingesetzt, um die Fahrzeuge an die Etappen anzupassen. Doch durch deren Länge und die größere Anzahl an unvorhersehbaren Ereignissen, ist die Planbarkeit hier doch sehr begrenzt. Durch das Verbot, sich kurzfristig für die optimalen Reifen zu entscheiden bzw. die Reifen noch kurzfristig an die Bedingungen anzupassen, ist die Rallye WRC also ein wenig in Richtung des Marathon Rallye Sports gerückt. Statements der Piloten, die jetzt vielfach von einer Balance zwischen "Reifenschonen" und "Attackieren" sprachen, zeigen eindeutig, dass nun nicht mehr nur das "Schnelle Fahren", sondern auch der Aspekt des "Problemfreien Ankommens" in den Vordergrund gerückt ist.

Die Frage ist nun, wie diese Entwicklung zu bewerten ist. Einerseits hat diese Regel mit Sicherheit dafür gesorgt, den Verlauf der Etappen abwechslungsreicher zu gestalten. So fielen öfter Fahrer zurück, oder schoben sich über ein Wochenende nach und nach durch eine defensive Fahrweise in Spitzenpositionen. Auch Fans, für die Rallyes traditionell eher genau jener Kompromiss aus "Material Schonen", sich auf "Aktuelle Begebenheiten einstellen" und zudem "Schnell Fahren" ist, werden mit der Änderung kein Probleme haben.

Die WRC ist eine High Tech Serie, Foto: Sutton
Die WRC ist eine High Tech Serie, Foto: Sutton

Gerade ein Großteil des jungen Publikums, das viel durch die Formel 1 geprägt wurde, wird diesen Änderungen hingegen aber möglicherweise kritisch gegenüber stehen. So liegt ein Teil der Faszination der Formel 1 genau darin, eine gewisse Strecke schnellstmöglich mit einem perfekten Auto zu bestreiten. Genau dem, wurde die WRC bisher auf Rallye Seite gerecht. Wenn die Piloten in fünf Wochen mit 180 km/h durch die finnischen Wälder rasen und 30m weite Sprünge zeigen werden, wird das nur deshalb möglich sein, weil sie die Etappen perfekt kennen. Kein Marathon Pilot wäre gut beraten das Risiko eingehen, über eine Kuppe zu springen, ohne zu wissen, was dahinter ist.

Die Einschränkungen im Reifenreglement stehen irgendwo im Widerspruch zum Grundkonzept der WRC. Teams investieren Millionen, um Zehntelsekunden in ihren Autos zu finden, nur um dann Sekunden durch falsche Reifenmischungen, oder die ganze Rallye durch technisch eigentlich vermeidbare Reifenschäden zu verlieren.

Wohin geht die Reise der WRC mit dem neuen Super 2000 Reglement?, Foto: Sutton
Wohin geht die Reise der WRC mit dem neuen Super 2000 Reglement?, Foto: Sutton

Die Reifenregel ist für alle Teams gleich und somit besteht anders als beispielsweise bei der Regel, die den WM Führenden zwingt, Rallyes als Erster zu bestreiten, kein unmittelbarer Handlungsbedarf. Davon abgesehen macht sie den Rallye Sport etwas Ursprünglicher und somit für viele Fans auch interessanter. Dennoch ist sie in der High Tech Welt der WRC trotz aller weiteren Sparmaßnahmen derzeit eine Art Tintenklecks auf einem weißen Blatt. Abgesehen von der Sicherheitsthematik, die auch wieder aktuell werden könnte, sofern sich ein Unfall ereignen sollte, der sehr wahrscheinlich durch ein anders Reifenreglement vermieden worden wäre, bleibt hier eigentlich nur eine Frage: Wie möchte sich die WRC künftig präsentieren? Auch das kommende Super 2000 Reglement kann diese Image Frage noch nicht beantworten. Als die Formel 1 der Rallye WM braucht die WRC wieder High Tech Reifen, bei denen Mischung, Profil und Konstruktion optimal auf die jeweiligen Bedingungen angepasst werden; als eine Rallye WM im ursprünglichen Sinne jedoch wieder unberechenbarere und weniger vorhersehbare Etappen.

Die Reifenregel, die aus Kostengründen eingeführt wurde, stellt die WRC damit vor das gleiche Problem wie die Formel 1: Inwiefern lassen sich Sparmaßnahmen, die die Technik begrenzen mit dem Image einer High Tech Serie vereinbaren?