In den letzten Tagen war es Olivier Quesnel, der mehr als indirekt mit einem Ausstieg Citroens aus der Rallye WRC drohte. Sein Hauptargument, der neue Rennkalender passe nicht zu den Marketinginteressen der Hersteller, wird jedoch von fast allen Werksteams geteilt. In der Tat verbirgt sich hinter der Diskussion eine Art Philosophiefrage: Auf der einen Seite stehen die Interessen der Werksteams, auf der anderen Seite, der Wunsch nach möglichst abwechslungsreichen Veranstaltungen und der Konzeption der WRC als Weltmeisterschaft.

Die Hersteller wollen mehr Rallyes in ihren Kernmärkten, Foto: Hardwick/Sutton
Die Hersteller wollen mehr Rallyes in ihren Kernmärkten, Foto: Hardwick/Sutton

Der Unmut der Werksteams ist mehr als verständlich. Wenn im nächsten Jahr nicht mehr in Deutschland, Großbritannien und Spanien, dafür jedoch in Norwegen, Polen und Zypern gefahren wird, verringert das die Reichweite der WRC massiv. Umso schwerer wiegt dieser Verlust, da die Rallye WRC zu großen Teilen von ihrer Aufmerksamkeit vor Ort lebt. Die TV Berichterstattung ist in vielen Ländern kaum vorhanden und ein Großteil der Werbewirkung geht von der Bewerbung des Ereignisses direkt aus. So kamen beispielsweise viele deutsche Fans in den letzten Jahren zur Deutschland Rallye ohne die WRC über das gesamte Jahr verfolgt zu haben. Auch die deutsche Presse berichtete zum Teil sehr ausführlich über die Rallye Deutschland, auch wenn sie sich sonst mit Kurzmeldungen zur Rallye WRC begnügte. Tritt die Rallye WRC auch künftig nicht in Wachstumsmärkten wie China oder Indien an, ist das für die Hersteller sicherlich nicht von Vorteil; wird sie jedoch bald auch auf ihren originären Märkten nicht mehr zu finden sein, könnten die Hersteller ihre Investitionen in die WRC wirklich ernsthaft in Frage gestellt sehen.

Aus Sicht des Sports sollten diese wirtschaftlichen Überlegungen hingegen wohl nicht im Vordergrund stehen. Die kürzlich ausgetragene Rallye Jordanien mag von ihrer Werbewirkung nur begrenzt erfolgreich gewesen sein, sportlich erlebte sie jedoch ein äußerst viel versprechendes Debüt. Sie bot bis zum letzten Tag spannende Etappen mit spannenden Positionskämpfen und die vorher von Einigen befürchteten organisatorischen Probleme blieben aus. Auch in der Vergangenheit gab es Veranstaltungen, wie die Safari Rallye oder Rallye San Remo, die weniger durch ihre günstige Lage, als durch herausfordernde Rallyes zu überzeugen wussten, bevor sie zum Teil auf Grund von Sicherheitsaspekten aus dem Kalender gestrichen wurden.

2009: Eine Rallye in Griechenland und eine in Zypern, aber keine in Deutschland und Spanien, Foto: Sutton
2009: Eine Rallye in Griechenland und eine in Zypern, aber keine in Deutschland und Spanien, Foto: Sutton

Eine weitere Sichtweise ist jene, die den Charakter als Weltmeisterschaft betont. Handelt es sich nämlich um eine Weltmeisterschaft, ist zu fragen, inwiefern das von der FIA eingeführte Rotationsverfahren insgesamt Sinn macht. Zum einen scheint es dem Aspekt einer Weltmeisterschaft mit immer wieder neuen Rallyes in neuen Ländern mehr als nur gerecht zu werden. Auf der anderen Seite stellt sich jedoch die Frage, ob es wirklich das Gleiche ist, in einem Jahr eine Rallye in Argentinien und in einem Jahr in Mexiko auszutragen. So ist die Begeisterung in beiden Ländern gegenüber der Rallye WRC enorm groß und jede Rallye hat ihren ganz eigenen Charakter…

Das ist der letzte wichtige Punkt, der unbedingt bedacht werden sollte. Als nach und nach die Rennen in Malaysia, Bahrain, China und der Türkei in den Formel 1 Kalender aufgenommen wurden, zweifelte niemand daran, dass dort tolle Rennen zu sehen sein würden. Dennoch war der Unmut darüber, dass Spa zwischenzeitlich - wen auch hauptsächlich aus wirtschaftlichen Gründen - seinen Grand Prix verlor, kaum zu überhören und die Erleichterung groß als die belgische "Ardennenachterbahn" in den Kalender zurückehrte. Das Beispiel aus der Formel 1 macht eines deutlich. Auch gute, neue Veranstaltungen können Klassiker nicht ersetzen. Die Rennen in Malaysia mögen deutlich spannender und abwechslungsreicher sein, doch kaum ein Fan würde für den Malaysia GP auf den Grand Prix in Monte Carlo verzichten. Zu sehr ist die Formel 1 auch Monte Carlo. Gleiches gilt für fast alle Rennserien: Die DTM gastiert am Norisring und das Saisonfinale findet traditionell in Hockenheim und nicht auf dem neueren Eurospeedway statt, während die Formel 3 und WTTC einmal im Jahr nach Macau reisen. In der WRC ist die Rallye Monte Carlo ebenso ein Klassiker, wie Schweden als Schnee & Eisrallye, wie Finnland mit seinen weiten Sprüngen oder die Rallye Korsika als Asphaltrallye. Ohne diese Klassiker ist eine Rennserie nicht nichts, aber auf jeden Fall weniger.

Die Rallye Jordanien führte auf weiten Teilen durch die Wüste, dennoch war sie ein Erfolg, Foto: Sutton
Die Rallye Jordanien führte auf weiten Teilen durch die Wüste, dennoch war sie ein Erfolg, Foto: Sutton

Zusammenfassend scheinen die Rennkalender für die kommenden Jahre somit noch einmal überdenkenswert. Aus rein sportlicher Sicht spricht zwar wenig dagegen gewisse Veranstaltungen rotieren zu lassen, doch letztlich sollte die FIA auch die Herstellerinteressen berücksichtigen, zumindest wenn sie nicht eine Rallyemeisterschaft mit Privatteams anstrebt. Zu abhängig sind die Rennteams der Automobilkonzerne von dem messbaren Werbeerfolg; ist dieser nicht mehr gegeben, kann eine ehemals leere Ausstiegsdrohung schnell Realität annehmen. Dabei sollte bedacht werden, dass auch die Klassiker für die Hersteller eine hohe Werbebedeutsamkeit besitzen, so lässt sich ein Monte Carlo Sieg beispielsweise weltweit vermarkten. Genau das ist aber der Punkt, an dem sich die wirtschaftlichen Interessen wieder mit den sportlichen treffen, denn auch aus sportlicher Sicht wird kaum jemand fordern, beispielsweise auf die Rallye Schweden zu verzichten. Insgesamt sollte in diesem Zuge auch die generelle Reduzierung des Kalenders auf zwölf Läufe überdacht werden. Wenn genau jene Läufe, die wichtig für das Marketing der Hersteller sind, nun den Sparmaßnahmen zum Opfer fallen, dürfte sich das in der Rechnung der Hersteller kaum positiv bemerkbar machen.


Der provisorische Rennkalender für das Jahr 2009:

06.02. - 08.02. Rallye Norwegen
06.03. - 08.03. Rallye Mexiko
10.04. - 12.04. Rallye Argentinien
24.04. - 26.04. Rallye Portugal
08.05 - 10.05. Rallye Italien-Sardinien
29.05. - 31.05. Rallye Griechenland
19.06. - 21.06. Rallye Polen
31.07. - 02.08. Rallye Finnland
21.08. - 23.08. Rallye Zypern
11.09. - 13.09. Rallye Australien
02.10. - 04.10. Rallye Frankreich Korsika
16.11. - 18.11. Rallye Irland

Der provisorische Rennkalender für das Jahr 2010:

22.01. - 24.01. Rallye Monte Carlo
12.02. - 14.02. Rallye Schweden
05.03. - 07.03. Rallye Mexiko
09.04. - 11.04. Rallye Jordanien
23.05. - 25.04. Rallye Türkei
14.05. - 16.05. Rallye Neuseeland
18.06. - 20.06. Rallye Indonesien
16.07. - 18.07. Rallye Russland
06.08. - 08.08. Rallye Bulgarien
20.08. - 22.08. Rallye Deutschland
10.09. - 12.09. Rallye Japan
08.10. - 10.10. Rallye Korsika