Als Nico Rosberg am vergangenen Wochenende davon sprach, dass die Rallye [WRC] fast auf demselben Niveau wie die Formel 1 sei, schwang darin ehrliche Anerkennung mit. Doch gerade in Rosbergs Aussage wird ein zentrales Problem des Rallyesports deutlich. Ganz abgesehen von regionalen Problemen, wie etwa dem Fehlen von deutschen Fahrern, führt die WRC in Europa auch deshalb ein Schattendasein neben der Formel 1 und DTM, weil sie sich selbst immer wieder an der Formel 1 misst oder von außen daran gemessen wird. Dabei ist der Vergleich zwischen Formel 1 und WRC alles andere als einfach. Es ist ein wenig als ob Äpfel und Birnen miteinander verglichen würden, denn beide Weltmeisterschaften unterscheiden mehr als nur Welten.

Nico Rosberg lebt in Monaco, der Heimat von Grand Prix und Rallye., Foto: WilliamsF1
Nico Rosberg lebt in Monaco, der Heimat von Grand Prix und Rallye., Foto: WilliamsF1

Um zunächst mit einer Gemeinsamkeit zu beginnen: In beiden Meisterschaften geht es darum in möglichst kurzer Zeit, eine vorgegebene Strecke zu bewältigen. In der Formel 1 geht es darum, eine relativ kurze Strecke immer wieder und in der Rallye WM verschiedene Abschnitte möglichst schnell zu bestreiten. In der Formel 1 ist es erforderlich ein Auto perfekt auf diese eine Strecke abzustimmen, in der Rallye WM gilt es Kompromisse einzugehen. Während in der Formel 1 jeder Gang, jeder Flügel, sogar jede Feder exakt auf die einzelnen Kurven abgestimmt werden kann, kann ein Rallye Auto nur auf die Charakteristik von Etappen abgestimmt werden.

Bei einer Schotterrallye erhält das Auto weichere Federn als auf Asphalt, aber wenn es dann in der einen besonders staubigen Kurve eben zum Untersteuern neigt, dann muss der Fahrer das zu kompensieren wissen. Zweifelsohne ist beides eine Höchstleistung: Ein Formel 1 Auto perfekt bis ins letzte Detail an einen Rundkurs anzupassen, ist im Zusammenspiel von Ingenieuren und Fahrern wohl ebenso bemerkenswert, wie den besten Kompromiss für die Rallye Etappen bis zum nächsten Service zu erarbeiten. Ein Formel 1 Auto über eine komplette Renndistanz bei 100 Prozent zu bewegen, ist mit Sicherheit ähnlich eindrucksvoll, wie als Rallye Fahrer in jeder Kurve neu das Limit zu ertasten. Nur eines steht außer Frage: es sind zwei hochprofessionelle, aber dennoch verschiedene Welten.

Auch die WRC hat hoch angesehene Fans., Foto: Sutton
Auch die WRC hat hoch angesehene Fans., Foto: Sutton

Woran liegt es, dass der Formel 1 Sport in Europa so uneingeschränkt als die Königsklasse des Motorsports gilt? Die Antwort ist in einer Mischung aus verschieden Faktoren zu suchen sein, wobei insbesondere immer wieder drei Faktoren genannt werden: Die Geschwindigkeit, das Image der Formel 1 als Hochtechnologieträger und der etwas schwerer zu fassende "Glanz & Glamour Faktor".

Die Geschwindigkeit allein kann wohl kaum der Erfolgsgarant sein. Ginge es nur darum, eine vorgegebene Strecke möglichst schnell zu bewältigen, müsste die ganze Motorsport Welt wohl zum IRL Fan werden, denn dort werden in den Ovalrennen in schöner Regelmäßigkeit höhere Durchschnitts- und Endgeschwindigkeiten erzielt. Auch Dragsterrennen gelangen in höhere Geschwindigkeitsregionen, doch das Interesse daran, hält sich zumindest auf dem europäischen Markt in Grenzen. Ausgerechnet die Bremsen der Formel 1 Boliden könnten die These von der Geschwindigkeit dann aber möglicherweise noch retten: So sind die im Vergleich zu anderen Rennserien extrem kurzen Bremswege wohl der Garant dafür, dass Formel 1 Boliden immer noch am schnellsten in der Lage sind, kurvenreiche Rundkurse zu bestreiten. Doch sollte das wirklich das schlagende Argument sein, würde sich die Formel 1 auf sehr dünnem Eis bewegen, denn ein GP2-Auto ist nicht mehr sehr viel langsamer als ein F1 Bolide.

Die WRC-Technik steht der F1 auf ihrem Gebiet in nichts nach., Foto: swrt.com
Die WRC-Technik steht der F1 auf ihrem Gebiet in nichts nach., Foto: swrt.com

Der Anspruch der Formel 1 als Hochtechnologieträger besitzt sicherlich in gewissen Bereichen ebenfalls seine Berechtigung. Die ausgefeilte Aerodynamik, Karbonfaser-Monocoques, aufwendigste Motorelektronik und auch zugunterbrechungsfreie Schaltgetriebe sind nur einige Highlights der Formel 1 Technik. Allerdings steht auch diese Säule der Formel 1-Begeisterung auf wackeligen Beinen. Motoren, die fünf Jahre nicht weiter entwickelt werden dürfen, Getriebe für vier Rennwochenenden, relativ harte Einheitsreifen und weitere in allen Bereichen um sich greifende Kostensparmaßnahmen nehmen der Formel 1 viel von ihrem einstigen technologischen Vorsprung.

Im Seat Leon Super Copa können die Fahrer auf ein ABS-System zurückgreifen, in der Königsklasse des Motorsports ist es verboten. Es sei dahin gestellt, ob die Formel 1 an Attraktivität gewänne, wenn alle diese Systeme wie ABS, Traktionskontrolle, Startkontrolle, Stabilisierungsprogramm à la ESP bzw. aktive Aufhängungen wieder eingeführt würden, nur eines scheint klar, eine Serie die sich über Hochtechnologie definiert, müsste sie einsetzten.

Es bleibt also der "Glanz & Glamour"-Faktor. Nicht nur, wenn es in jedem Jahr in Monaco zum Schaulaufen der Prominenten kommt, erkennt jeder Beobachter, dass die Formel 1 die Rennserie mit der höchsten Prominentendichte ist. Auch beim Blick auf die Ticketpreise wird jedem Zuschauer deutlich, dass es sich hier um eine sehr exklusive Veranstaltung handelt. Fahrergrößen wie Schumacher, Alonso und Hamilton stehen in der Tradition von Fahrern wie Fangio, Senna oder Prost, wo die Formel 1 ist, da sind die ganz großen Stars.

Hübsche Damen, teure Yachten, das ist die Formel 1 in Monaco., Foto: Sutton
Hübsche Damen, teure Yachten, das ist die Formel 1 in Monaco., Foto: Sutton

Doch, was sind nun die Rückschlüsse für die WRC? Wenn die Formel 1 die Rennserie ist, die am schnellsten kurvige Rundkurse bewältigt, so ist die WRC diejenige, die am schnellsten kurvige Etappen zurücklegt. Ein Rallye-Auto beim F1 Grand Prix von Monza würde nicht nur disqualifiziert werden, sondern außerdem chancenlos hinterherfahren. Ein ähnliches, wenn nicht schlechteres Ergebnis dürfte jedoch einem Formel 1 Boliden drohen, wenn er versuchen sollte, bei der Schotterrallye in Finnland anzutreten. Also hier besteht zumindest strukturell kein Unterschied, genau wie auch im Bereich der Hochtechnologie. Wie die Formel 1 hat die WRC in den letzten Jahren einen deutlichen Sparkurs durchlaufen, doch wird niemand daran zweifeln, dass die WRC-Autos in ihrem Bereich Hochtechnologie verkörpern und der Formel 1 in diesem Punkt nicht signifikant nachstehen.

Doch was ist mit dem "Glanz & Glamour"-Faktor, in den sicherlich auch Tradition & Geschichte hineinspielen? Auch das Image einer Rennserie bemisst sich in starkem Maße anhand ihrer Selbstwahrnehmung und an ihrer Fremdwahrnehmung. Als Audi damals Sieg um Sieg in der Rallye-WM errang, war die Rallye-WM im Fokus der deutschen Öffentlichkeit. Derzeit vermarktet Citroen seine Erfolge vor allem in Frankreich und Spanien, was nicht zuletzt auch auf den spanischen Piloten Daniel Sordo zurückzuführen ist. Doch wer nun meint, dass es ohne ein deutsches Zugpferd schwer wird, die Rallye WM wieder in den Blickpunkt zu bekommen, der irrt. Wie sehr hat das Duell Hamilton gegen Alonso gegen Räikkönen die Fans mobilisiert.

Mit dem WRC durch die Wälder fliegen., Foto: Sutton
Mit dem WRC durch die Wälder fliegen., Foto: Sutton

Klar, zum einen ging es um die Fragen, wie entwickelt sich die Formel 1 nach Schumacher weiter, wie schlägt sich Räikkönen in Schumachers Ferrari, wie schlagen sich die anderen deutschen Fahrer, wie schlägt sich BMW gegen Mercedes? Doch letztlich, beim Finale, war der entscheidende Punkt, dass fast alle Fans Partei für einen Fahrer ergriffen hatten. Entweder sollte "der junge Hamilton, der in seinem ersten Jahr besser als Schumacher, besser als Senna, besser als Mansell war", dem "etablierten Alonso, der mit unfairen Aktionen an Schumacher erinnerte", den Titel abjagen oder aber "der gestandene Fahrer Alonso sollte "wie einst Nick Lauda Alain Prost" den "aufmüpfigen Hamilton" bezwingen. Oder Räikkönen sollte in "Schumachers ehemaligen Team" Weltmeister werden.

Eine Rennserie ist immer das, wozu sie sich selbst macht, bzw. das, was die Fans in ihr sehen. Die Formel 1 erstrahlt seit Jahren in hellem Glanz und überstrahlt alles um sie herum. Analogien zu früheren Weltmeistern, großen Rennen und den Sport bewegenden Ereignissen werden nur zu gerne gezogen. Doch letztlich, überspitzt gesagt, ließe sich fragen: Was macht einen Michael Schumacher größer als einen Sébastien Loeb? Im letzten Jahr kämpften in der Rallye-WM der erfolgreichste Rallye-Fahrer aller Zeiten gegen den zweiterfolgreichsten Rallye-Fahrer aller Zeiten, Sébastien Loeb gegen Marcus Grönholm. Um es in der Sprache der Formel 1 auszudrücken, ein Duell wie "Prost gegen Senna".

Sie haben die Wahl: Äpfel oder doch lieber..., Foto: Sutton
Sie haben die Wahl: Äpfel oder doch lieber..., Foto: Sutton

Warum fand dieses Duell so wenig Beachtung? Wohl genau deshalb, weil die Sichtweise der Medien, der Fans, aber selbst der Verantwortlichen der WRC immer auf der Frage liegt, wie die WRC im Vergleich zur Formel 1 steht. "Die WRC ist genau wie die Formel 1 eine Weltmeisterschaft, sie bietet ein ähnlich hohes technisches Niveau, sie ist fast so schnell, sie hat ebenso Konzerne, die sie sich engagieren..." Natürlich die öffentliche Wahrnehmung wird sich nicht von einem Tag auf den anderen ändern, zu strahlend ist nach wie vor die Formel 1. Die WRC wird sich auch weiter an der Formel 1 messen lassen müssen, denn die meisten Motorsport Fans sind in Europa zunächst Formel 1-Fans und entscheiden dann, welche Art von Motorsport sie darüber hinaus noch interessant finden. Doch das ist kein Weg für die WRC, zu verschieden sind beide Produkte. Die WRC sollte beginnen sich als das zu vermarkten, was sie tatsächlich ist, der König des Rallyesports, ähnlich wie die Dakar, die Königin des Marathon Rallyesports darstellt.

Mit 340 km/h in der Onboard-Kamera über die Geraden von Monza zu fliegen, ist nicht ohne, in Finnland mit 200 km/h auf Schotterwegen zwischen Bäumen dreißig Meter durch die Luft zu fliegen, aber auch nicht! Warum nicht die Formel 1 als Königin des Rundstreckensports, die Moto GP als Königin des Motorradsports und die WRC als König des Rallyesports? Dann hat ein Zuschauer wirklich die Wahl, einen Tag Äpfel, einen Birnen und den dritten Tag Bananen zu essen...