Das Projekt Titelverteidigung könnte für Sébastien Loeb kaum besser laufen: Gewohnt überlegen und cool sicherte sich der Citroën Xsara-Pilot auf dem teilweise rauen Schotter und in den Höhenlagen Argentiniens den vierten Sieg der laufenden Saison. Als Spaziergang entpuppte sich die Hatz über die insgesamt 22 Wertungsprüfungen (WP) für den amtierenden Weltmeister nicht - speziell am ersten Tag erwies sich die südamerikanische Rallye für den BFGoodrich-Partner als aufregendes Sekundenduell.

Gleich die erste "richtige" Prüfung, die 23,28 Kilometer lange WP 3 "Ascochinga - La Cumbre 1", wurde für Loeb zum Stolperstein: "Wir haben uns in einer Kehre rechts, die wir im ersten Gang fahren, gedreht und mussten mehrmals hin- und hersetzen, bevor es weiterging", berichtete der Franzose. "Dann starb uns auch noch der Motor ab. Um es kurz zu machen: Wir verloren 15 Sekunden und fielen bis auf Platz sieben zurück."

Der Beginn einer ansehnlichen Aufholjagd. Die Führung hatte nach der zweiten Show-Prüfung am Donnerstagabend - mit rund 40.000 Zuschauern im Fußballstadion von Cordoba ein beeindruckendes Ereignis - zunächst Marcus Grönholm im ebenfalls BFGoodrich-bereiften Ford Focus RS übernommen. "Trotz des losen Schotterbelags war es kein Nachteil, bereits als Zweiter auf die Strecke gehen zu müssen", wunderte sich der 38-jährige Finne, der Rang eins vorübergehend Petter Solberg aushändigen musste. Diese Position holte sich der zweifache Weltmeister aber mit einer Bestzeit auf der sechsten Wertungsprüfung - der letzten eines WP-Quartetts über eine Distanz von 80,0 Kilometern Länge, das mit nur einem Reifensatz bestritten werden musste - wieder zurück. "Doch mein Vorsprung auf Petter Solberg war marginal", erläuterte Grönholm. "Ich habe versucht zu attackieren, ohne dabei zu große Risiken einzugehen."

Die schnellsten Zeiten aber setzte Loeb, der sich damit beständig vor arbeitete. Nach WP 4 hatte sich der Elsäßer wieder bis auf 0,7 Sekunden auf den Drittplatzierten Manfred Stohl im privaten Peugeot 307 CC WRC herangekämpft. Nach WP 5 trennten ihn nur noch 0,6 Sekunden von Petter Solberg auf Rang zwei. Auch die siebte Wertungsprüfung gewann der Titelverteidiger - und verkürzte damit den Rückstand auf Grönholm auf nur noch acht Sekunden. "Ich hatte mir vorgenommen, Marcus spätestens auf der siebten WP einzuholen", so der wie entfesselt aufgeigende Elsäßer.

Die Mühe erwies sich überraschend als überflüssig: "Es geschah gut acht Kilometer nach dem Start", fasste ein enttäuschter Marcus Grönholm im Etappenziel zusammen. "In einer Kurve ging der Motor aus. Nachdem er wieder angesprungen war, konnten wir keine Gänge mehr einlegen. Mit gesperrten Differenzialen schafften wir noch weitere 300 Meter, doch dann war in einer engen Kehre Schluss. Schade, wir waren so gut unterwegs." Nach dem Tausch der kompletten Antriebseinheit trat der Ford-Pilot dank Superrally-Reglement zur zweiten Etappe wieder an. Trotz zehnminütiger Zeitstrafe kämpfte er sich bis zum Ende des sechsten Saisonlaufs noch bis auf den zehnten Gesamtrang wieder nach vorne und rettete seinem Arbeitgeber damit einen wichtigen Punkt im Kampf um die Marken-Weltmeisterschaft. Damit lag Loeb an der Spitze. "In WP 10, der letzten des ersten Tages, hätte ich diese Position aber beinahe wieder eingebüßt", rekapitulierte der 32-Jährige später. "Die ersten Kilometer waren sehr sandig, ich leistete mir mehrere Fahrfehler. Zweimal hätten wir uns fast gedreht. Dann riss ich mich zusammen." Ergebnis: zwar nur die viertschnellste Zeit hinter WP-Sieger Manfred Stohl im BFGoodrich-bereiften Peugeot, aber 19,8-Sekunden-Führung vor Petter Solberg trotzdem verteidigt. Auf den weiteren Rängen: Gigi Galli (Peugeot 307 CC WRC), Stohl, Henning Solberg (Peugeot) und der erneut überraschende junge Spanier Dani Sordo in einem weiteren Xsara WRC.

Weniger glücklich endete die erste Etappe für Mikko Hirvonen im zweiten Werks-Focus RS. "Auf der Verbindungsetappe zwischen Prüfung acht und neun lief unser Motor plötzlich nur noch auf drei Zylindern", so der junge Finne, zu diesem Zeitpunkt bereits Dritter. "Wir hielten an und wechselten die Zündkerzen - ohne Erfolg. Auch der Tausch der Steuereinheit half nicht weiter. Darum haben wir das Auto abgestellt in der Hoffnung, am Samstag wieder starten zu können." Der Plan des 25-Jährigen ging nicht auf: Ein Ventilschaden warf Hirvonen und Beifahrer Jarmo Lehtinen endgültig aus dem Rennen.

Der ganz weiche Schotter-Pneu von BFGoodrich brachte die Vorentscheidung

Den Rallye-Samstag begann Loeb so wie bereits die erste Etappe: mit einer neuerlichen Bestzeit. "Ich habe attackiert, um vor einer Attacke von Marcus gewappnet zu sein", so der Franzose, der sich für etwas weichere Reifen entschieden hatte als sein Rivale. "Danach konnte ich mein Tempo auf ihn ausrichten und die Sache kontrollieren." Grönholm haderte indes ein wenig mit dem Set-up seines Focus RS, aber auch mit seiner eigenen Vorstellung: "Ich bin mit mir selbst nicht zufrieden", so der 38-Jährige. "Die Prüfungen sind sehr schwierig, aber ich habe einfach nicht hart genug angegriffen. Gestern abend änderten wir die Dämpfer-Einstellungen, das zahlte sich nicht aus. Also haben wir am Service-Punkt wieder zurückgebaut."

Die zweite Etappe begann mit erschwerten Verhältnissen: Heftige Regenfälle hatten die Wege des Punilla-Tals in Schlammpfade verwandelt, dichter Nebel behinderte die Sicht. Während Marcus Grönholm -- von allen taktischen Zwängen befreit - die ersten beiden Bestzeiten setzte, hielt sich Loeb stets vor Petter Solberg. "Das war keine einfache Aufgabe", bekannte der BFGoodrich-Partner. "Trotz der vielen Sprungkuppen und der zahlreichen Highspeed-Wasserdurchfahrten konnten wir unseren Vorsprung dennoch weiter ausbauen." Dabei setzte der Franzose auf die weichste Mischung "8" des BFGoodrich g-Force Gravel - eine glückliche Entscheidung. Der Franzose knöpfte Solberg allein auf WP 12 rund 25 Sekunden ab. Die Vorentscheidung war gefallen: Dem 24. WM-Laufsieg seiner Karriere stand für Loeb nichts mehr im Wege. Sébastiens Copilot Daniel Elena egalisierte mit diesem Erfolg sogar den bisherigen Bestwert des einstigen Carlos-Sainz-Beifahrers Luis Moya.

Sein Citroën-Teamkollege Xevi Pons, der am Vortag nach einem Fahrfehler auf WP 6 vorzeitig die Segel streichen musste, geigte ebenfalls groß auf - und holte sich die erste Bestzeit seiner Karriere. "Das hat mein Selbstvertrauen wieder aufgebaut", so der Spanier.

Während die ersten beiden Platzierungen vergeben waren, entbrannte um Rang drei und vier ein entfesselter Kampf zwischen den drei Peugeot 307 CC WRC-Piloten Manfred Stohl, Henning Solberg und Giggi Galli. Nach der Bestzeit auf der gefürchteten WP 12 erlaubte sich Stohl bei seinem 100. WM-Lauf jedoch zwei Dreher, die ihn wieder auf die fünfte Position zurückwarfen. Auch Solberg ließ sich eine Bestzeit markieren - zeitgleich mit seinem jüngeren Bruder Petter! Dennoch musste der Norweger seinen österreichischen Rivalen schlussendlich ziehen lassen, während Galli den letzten Platz auf dem Podium erhaschte.

"Das herbstliche Wetter, mit dem uns die Rallye Argentinien in diesem Jahr konfrontierte, hat die Reifenwahl für die Teilnehmer zusätzlich kompliziert", bilanziert Aimé Chatard, der Leiter des Rallye-Programms von BFGoodrich. "Die Entscheidungen mussten oftmals Stunden vor dem Start der Wertungsprüfungen während der Servicepausen getroffen werden, zumeist standen dann vier WP mit einem Satz Pneus hintereinander auf dem Programm. Unsere Techniker beraten die Teams und Fahrer intensiv - und mit Erfolg: Der Griff zu den ganz weichen g-Force Gravel am Samstagmorgen war perfekt."