So viel steht nach vier von 16 WM-Läufen fest - die Rallye-Saison 2006 scheint sich auf ein hoch interessantes Duell zweier Titanen dieses Sports zuzuspitzen: Titelverteidiger Sébastien Loeb im werksunterstützten Citroën Xsara WRC des privaten Teams Kronos Racing versus Marcus Grönholm am Steuer des nagelneuen Ford Focus RS. Beide Piloten sind zweifache Weltmeister, beide setzen auf BFGoodrich als Reifenpartner.

Auch bei der diesjährigen Rallye Catalunya stand bereits nach wenigen Prüfungen fest: Den Sieg würden der Finne mit dem schwedisch klingenden Namen sowie der ehemalige Kunstturner aus dem Elsaß unter sich ausmachen. Wobei zunächst Grönholm das bessere Ende für sich zu haben schien: Mit drei Bestzeiten war der schlaksige Skandinavier in die erste Etappe gestartet und hatte seinen französischen Rivalen flugs um 11,1 Sekunden distanziert. "Alles andere hätte mich nach unseren erfolgreich verlaufenen Asphalt-Testfahrten mit BFGoodrich auch enttäuscht", gestand Grönholm, der beim ersten Durchgang zugleich seinen Aufschrieb weiter verfeinern konnte. "Im Vorjahr war unser ,Gebetbuch' nicht übermäßig gut. Dies haben wir nun dem Ford Focus RS angepasst, so dass ich nun schneller in die Kurven hineinfahren kann, ohne allzu große Risiken einzugehen."

Sébastien Loeb konnte die Pace seines Kontrahenten zunächst nicht mitgehen, nachlassende Bremsen hielten den 32-Jährigen auf: "Unsere Reifen funktionierten auf dem rauen Asphalt sehr gut, aber die Bremsen ließen gegen Ende der ersten Prüfung nach", rekapitulierte der amtierende Weltmeister. "Auf der zweiten WP lief es etwas besser, aber es war noch nicht perfekt."

Auf der vierten Prüfung - der 24,14 Kilometer langen "El Montmell 2" - schlug Loeb dann erstmals zurück: Er sicherte sich die Bestzeit und knöpfte Grönholm 1,8 Sekunden ab. Nur einen Test später fand sich der Citroën-Mann unversehens auf der Führungsposition wieder: Sowohl Grönholm als auch dessen Teamkollege Mikko Hirvonen hatten durch identische technische Probleme eine Menge Zeit verloren. "Sieben Kilometer nach dem Start begann die Motorleistung wegen eines Problems mit dem Abregelventil des Turboladers nachzulassen", rekapitulierte der Finne. "Es wurde immer schlimmer. Wir konnten daran auch für die darauffolgende WP nichts ändern, da dieses ,Waste-gate' hinter dem Motor sitzt."

Während Grönholm mehr als 2,40 Minuten einbüßte und auf Gesamtrang zehn zurückfiel, betrug der Zeitverlust für Hirvonen sogar 4,30 Minuten. Damit endete die erste Etappe mit einer Dreifach-Führung für Kronos Racing und BFGoodrich: Hinter Loeb reihten sich dessen spanische Teamkollegen Dani Sordo und Xevi Pons auf den Plätzen zwei und drei ein, gefolgt von Petter Solberg (Subaru Impreza) sowie den BFGoodrich-Partner Alex Bengue (Peugeot 307 CC WRC) und Jan Kopecky im Skoda Fabia.

Ford startet Aufsehen erregende Aufholjagd

Aufgeben, dies kam Grönholm trotz des Rückschlags nicht in den Sinn: Mit drei Bestzeiten - eine davon zeitgleich mit Hirvonen und François Duval (Skoda) - kämpfte sich der 38-Jährige auf den sechs Wertungsprüfungen des zweiten Rallye-Tages kontinuierlich wieder nach vorn. "Es ist einfach ein riesiges Vergnügen, den Focus RS auf Asphalt zu pilotieren", so der Finne. "Wir fahren schnell, aber nicht am absoluten Limit. Ich wollte mich bis auf den vierten Platz vorarbeiten, dies ist mir am Samstag gelungen."

Auch Sébastien Loeb ließ es etwas vorsichtiger angehen: "Wir sind ruhig in den heutigen Tag gestartet", gestand der Franzose im Etappenziel. "Dann haben wir unser Tempo gesteigert, ohne Risiken einzugehen - hier lauern viele Fußangeln am Streckenrand. Aber trödeln geht auch nicht: Dani Sordo scheint die Bedienungsanleitung für seinen Xsara WRC sehr schnell verstanden zu haben…" In der Tat: Sordo setzte auf WP 10 die erste Bestzeit in seiner noch jungen Karriere am Steuer eines World Rally Cars.

Wie schwierig die Streckenbedingungen waren, erläuterte Loebs Beifahrer Daniel Elena: "Speziell nach dem zweiten Durchgang über diese Wertungsprüfungen stellte sich uns die Frage, ob wir wirklich bei einer Asphalt-Rallye sind…" Durch das Abkürzen ("Cutten") über die Kurveninnenseite wurde soviel Sand und Dreck auf die Fahrbahn befördert, das nur noch eine schmale saubere Linie blieb. Wer diese verfehlte, dem erging es so wie Xevi Pons auf WP 10: "Es war nur ein kleiner Fehler, der sich jedoch fatal auswirkte", reklamierte der enttäuschte Spanier. "Wir kamen etwas zu schnell auf eine langsame Linkskurve zu, in der viel Schmutz lag. Ich verfehlte die saubere Linie und rutschte auf dem Schotter von der Strecke - das war's."

Resultat nach Etappe zwei: Loeb führte vor Sordo und dem ebenfalls BFGoodrich bereiften Peugeot 307 des jungen Franzosen Alex Bengué. Hinter dem viertplatzierten Grönholm reihten sich die beiden Skoda Fabia-Piloten Kopecky und Duval ein. Erst auf den Positionen sieben und acht folgten mit Petter Solberg und Stéphane Sarrazin (jeweils Subaru) die beiden ersten nicht BFGoodrich-bereiften Teilnehmer.

Spannendes Finale um den dritten Platz

Während Loeb und Sordo auf den vier letzten Wertungsprüfungen - gemeinsam immerhin noch fast 98 Kilometer lang - nichts mehr anbrennen ließen, setzte Grönholm zum Sturm auf das Podest an. Erfolgreich: Mit zwei Bestzeiten am Stück holte der Finne den 4,1-Sekunden-Vorsprung von Bengué trotz tapferer Gegenwehr des Peugeot-Piloten im Fluge auf und rückte damit auf den dritten Gesamtrang vor. "Unsere Performance stimmt mich zuversichtlich für die nächste WM-Rallye auf Korsika", bilanzierte der Ford-Mann. "Hier konnte ich zum allerersten Mal das Tempo von Loeb auf Asphalt mitgehen."

Die Freude über den zweiten Saison-Sieg des Citroën-Fahrers und den vierten Erfolg von BFGoodrich in Folge wurde allerdings von einem tragischen Unfall überschattet: Nach einem Ausritt wurde der Deutsche Jörg Bastuck - Beifahrer des Junior-WM-Debütanten Aaron Burkart - bei dem Versuch, ein defektes Rad zu wechseln, von einem nachfolgenden Teilnehmer erfasst und tödlich verletzt.