Es waren die besten Zeiten, es waren aber auch die schlimmsten Zeiten. Vor 30 Jahren ging im Rallye-Sport eine spektakuläre Ära mit einem schrecklicken Knalleffekt zu Ende: die Gruppe B.

Freitag, 2. Mai 1986 - Korsika: Der 29-jährige Finne Henri Toivonen geht in seinem Lancia Delta S4 auf die 18. Sonderprüfung. Es sollten die letzten sieben Kilometer eines noch recht jungen Rennfahrerlebens werden. Denn ausgangs einer schellen Linkspassage rast Toivonen mit seinem Co-Piloten Sergio Cresto einen Abhang hinunter, prallt gegen einen Baum und geht in seinem Auto in Flammen auf.

Die beiden Männer sterben noch in ihren Sitzen, der Delta S4 brennt so stark aus, dass er laut Aussagen von Rettungskräften kaum noch als Auto zu erkennen ist. Die Unfallursache ist bis heute ungeklärt, da an diesem Teil der Strecke keine Zuschauer standen und Onboard-Kameras in den Achtzigerjahren noch nicht in den Boliden installiert waren. Kollegen sollten später davon berichten, dass Toivonen Medikamente gegen eine Grippe einnahm, und dass er seit einem Unfall im Jahr zuvor immer wieder kleine Blackouts gehabt hätte. Ob dies die Gründe für den Crash waren, wird allerdings nie bewiesen werden können.

So tragisch der Unfall von Toivonen und Cresto war, so gravierend waren auch seine Auswirkungen auf das sportliche Reglement. In einer spontanen Krisensitzung wurde noch am selben Tag das Aus der Gruppe-B-Autos per Saisonende beschlossen. Mit Audi und Ford zogen sich zwei der wichtigsten Hersteller mit sofortiger Wirkung zurück und selbst die Nachfolgeklasse Gruppe S (geplant ab 1988) wurde umgehend auf Eis gelegt. Die Rallye-WM sollte nach diesem Tag nie wieder die alte sein.

Gruppe B: Aufstieg der Rallye-Monster

Doch was war diese Gruppe B, die heute in der Rallye-Szene höchsten Kultstatus genießt? Der Begriff umfasst die leistungsstärksten Rallye-Boliden, die je die Schotter- und Asphalt-Straßen der WRC berührten. Anfang der Achtzigerjahre schuf die FIA diese neue Klasse, die den Herstellern umfassende Freiheiten einräumte.

Für die Homologation ihrer Rennwagen mussten die Autokonzerne nur noch jeweils 200 straßenzulässige Versionen des eingesetzten Modells bauen. Für Evolutionsstufen des Boliden gar nur noch 20. Somit wurde die Rallye-WM mit der Einführung des Gruppe-B-Reglements 1982 quasi zum Prototypensport.

Der Allradantrieb setzte sich endgültig durch, Hersteller begannen mit Konzepten wie dem Mittelmotor zu experimentieren und zu ihrer Endausbaustufe im Jahr 1986 hatten die Boliden weit über 500 PS. Die Letztentwicklung von Fords RS200, die aufgrund der vorzeitigen Ausstiegs 1986 nicht mehr eingesetzt werden konnte, soll sogar auf über 800 PS hochgezüchtet worden sein.

Walter Röhrl war 1982 - dem ersten Jahr der Gruppe B - auf seinem Opel Ascona der letzte Fahrer, der mit einem heckgetriebenen Fahrzeug Weltmeister werden konnte. In den Folgejahren übernahmen legendäre Schöpfungen wie der Audi Quattro (in diversen Evolutionsstufen), der Peugeot 205 T16 oder Lancia mit dem Rallye 037 und dessen Nachfolger Delta S4 das Zepter. Röhrl selbst, aber auch Fahrer wie Michelle Mouton (die einzige Frau, die je einen WM-Lauf gewann), Ari Vatanen, Juha Kankkunen, Markku Alen, Stig Blomqvist und selbstverständlich auch Toivonen schufen sich in der Gruppe-B-Ära ihren eigenen Legendenstatus.

Erfolgreichste Fahrer & Hersteller der Gruppe-B-Ära (1982-'86)

Fahrer Siege (Titel) Hersteller Siege (Titel)
1. Stig Blomqvist (SWE) 8 (WM '84)1. Audi 20 (WM '82, '84)
2. Walter Röhrl (GER) 7 (WM '82)2. Peugeot 16 (WM '85, '86)
Hannu Mikkola (FIN) 7 (WM '83)3. Lancia 11 (WM '83)
Timo Salonen (FIN) 7 (WM '85)4. Toyota 7
5. Ari Vatanen (FIN) 65. Opel 3
6. Markku Alen (FIN) 5 Renault 3
Juha Kankkunen (FIN) 5 (WM '86)7. Datsun 1
Björn Waldegaard (SWE) 5

Das Ende kam mit großem Schrecken

Im rasanten technologischen Fortschritt war der Mensch der Maschine irgendwann kaum noch gewachsen. So soll die Beschleunigung des Lancia Delta S4 von 0 auf 100 km/h in 2,9 Sekunden gemessen worden sein - auf Schotter wohlgemerkt! Von der nicht mehr eingesetzten letzten Ausbaustufe des RS200 wird sogar von einem Beschleunigungswert von 2,1 Sekunden gemunkelt. Konzentration und körperliche Fitness wurden von den Gruppe-B-Geschossen in höchstem Maße auf die Probe gestellt.

Ab 1985 häuften sich schwere Unfälle. Bei der Rallye Korsika verlor der italienische Podiumsfahrer Attilio Bettega in seinem Lancia Rallye 037 sein Leben. Nur drei Events später sollte Ari Vatanen, Weltmeister von 1981 und zu diesem Zeitpunkt WM-Zweiter, einen schlimmen Crash bei Tempo 200 in Argentinien nur knapp überleben und seine WRC-Karriere bis auf ein paar wenige Gaststarts beenden.

Bei den Fans avancierte die Gruppe B hingegen zum Zuschauermagneten. Nie wieder waren die Sonderprüfungen so gut besucht wie Mitte der Achtzigerjahre. Da man es damals mit der Sicherheit der Fans am Streckenrand noch nicht so Ernst nahm, kam es 1986 in Portugal zu einer Katastrophe. Als Joaquim Santos die Kontrolle über seinen Ford RS200 verlor, krachte er in die Zuschauermenge, die damals noch ohne jegliche Sicherheitszonen nur wenige Meter entfernt von den 500-PS-Geschossen stehen durfte. Drei Menschen kamen damals ums Leben, 33 weitere wurden verletzt. Nur zwei Monate später kam es zum Toivonen-Unfall, der das endgültige Aus der Gruppe B besiegelte.

Das Vermächtnis der Gruppe B

Ford RS200 - sieglos und doch eine Legende, Foto: Sutton
Ford RS200 - sieglos und doch eine Legende, Foto: Sutton

Das Aus der Rallye-Monster war schon vor dem 2. Mai 1986 beschlossene Sache gewesen. Allerdings sollte es 1987 eine letzte Ehrenrunde in der Rallye-WM geben, ehe die Gruppe S die Gruppe B ablösen sollte. Diese hätte die WRC endgültig zum Prototypen-Sport gemacht, da nur noch zehn straßenzulässige Autos für die Homologation nötig gewesen wären. Im Gegenzug für die Freiheiten bei der Entwicklung wollte der Weltverband die Leistung auf maximal 300 PS begrenzen.

Doch nach den Unfällen in Portugal und Korsika war dieses Downsizing den Verantwortlichen nicht mehr genug und so wurde die Idee der Gruppe S restlos gestrichen. Obwohl etwa Toyota, Opel und Lancia schon erste Modelle produziert hatten und die Pläne bei Audi oder Ford auch schon knapp vor dem Abschluss waren. Stattdessen wurde mit Saisonstart 1987 die deutlich seriennähere Gruppe A, deren Reglement schon seit 1982 galt, zur neuen Königsklasse.

Die Gruppe-B-Boliden verschwanden mit ihrem WRC-Aus aber noch lange nicht von der Motorsport-Bühne. Peugeot baute den 205 T16 für die Rallye Dakar um und holte 1987 und 1988 den Gesamtsieg dank Vatanen und Kankkunen. Audi hatte den Quattro schon während Gruppe-B-Zeiten an den Pikes Peak geschickt, doch erst 1987 fuhr Röhrl damit die erste Zeit unter 11 Minuten. Ein Rekord, der im Folgejahr von Vatanen gebrochen wurde - im Peugeot 405, der massiv auf dem Knowhow des 205 T16 der Gruppe B basierte. Der MG Metro und der Ford RS200, denen ein Sieg in der Rallye-WM nie vergönnt war, avancierten zu den erfolgreichsten und beliebtesten Autos im Rallycross der späten Achtziger- und frühen Neunzigerjahre.

Die Rallye-WM hingegen erstrahlte nie wieder in dem Glanz, der ihr während der Gruppe-B-Ära anhaftete. Von anfangs noch sportlichen Boliden wie dem Toyota Celica oder dem Lancia Delta Integrale wurden die Autos im Laufe der Jahre immer kleiner und zahmer. Auf Toyota Corolla oder Subaru Impreza folgten Ford Focus und Citroen Xsara bis heute nur noch Autos der Kleinwagenklasse wie der VW Polo oder der Hyundai i20 auf die Rallyepisten dieser Welt gelassen werden - mit gerade einmal derHälfte der Power der Gruppe B. Oder wie Juha Kankunnen, 1986 letzter Weltmeister auf den Rallye-Monstern, einst sagte: "WRC ist für Jungs, Gruppe B war für Männer."