Wann fiel der Startschuss zur Logistik-Vorbereitung auf die Rallye-WM 2013?
Lutz Meyer: Am 31. August 2012. An dem Tag wurde entschieden, wie der Serviceplatz von Volkswagen bei jeder Rallye aussehen soll. Zuvor mussten wir uns einige Fragen beantworten. Zum Beispiel: Wie sind die Servicezelte angeordnet? Wo liegen Ersatzteile und Reifen bereit? Wo befindet sich das Büro für die Ingenieure? Wo soll die Küche sein und wo wird das Team verpflegt? Dann begann die konkrete Planung - und das war eigentlich auch die anstrengendste Zeit. Denn speziell die Container für die Übersee-Rallyes mussten ja exakt nach unseren Bedürfnissen entworfen und gebaut werden.

Worin unterscheidet sich die Logistik bei Europa- und Überseerallyes?
Lutz Meyer: Bei einer Rallye in Europa reisen wir mit sieben Trucks an. Dabei umfasst ein Auflieger die komplette Recce-Ausrüstung und ein weiterer beinhaltet das große Büro für die Ingenieure und die Teamleitung. Dazu kommen zwei Fahrzeug- und Teiletrailer für die drei Polo R WRC, ein Lkw, der Felgen, Reifengestelle und die Reinigungsanlage transportiert, sowie zwei so genannte Equipmentträger. Bei einer Übersee-Rallye transportieren wir hingegen alles mit Containern, aus denen wir dann während der Rallye leben. Allein die sieben See-Container für Ausrüstung, Werkstatt, Recce-Fahrzeuge, Service-Zelte, Küche und Büro wiegen leer schon knapp 48 Tonnen. Vollgepackt sind es dann 79 Tonnen. Dazu kommen dann noch rund 18 Tonnen Luftfracht.

Zu Luft und zu Wasser

Läuft die Organisation der Übersee- und Europa-Rallyes parallel ab?
Lutz Meyer: Ja, denn anders geht es nicht. Nicht alle Teile sind immer frei verfügbar. Man kann nicht einfach einen See-Container mit Teilen vollpacken, wenn diese noch in Europa benötigt werden. Jedes Team verfügt laut Reglement während einer Saison nur über eine bestimmte Anzahl an Motoren und Getriebe. Diese Teile müssen ebenso wie die Rennfahrzeuge per Flugzeug nach Mexiko, Argentinien und Australien gebracht werden.

Gibt es Fracht, die während der Saison gar nicht an den Teamsitz in Hannover zurückkehrt?
Lutz Meyer: Auch die gibt es. Das umfasst alle Standard-Teile, die in ihrer Anzahl nicht durch das Reglement begrenzt sind: zum Beispiel Felgen, Schrauben, Unterfahrschütze. Für diese Fracht buchten wir bereits Ende vergangenen Jahres einen Round-Trip. Diese Fracht ging direkt von der Rallye Mexiko Anfang März per Schiff weiter nach Argentinien. Von dort aus ging es dann ab Mai weiter nach Australien. Im November treffen diese Container dann wieder bei uns zuhause ein.

Welche organisatorischen Hürden sind bei der Übersee-Fracht zusätzlich zu nehmen?
Lutz Meyer: Da gibt es einige. In Australien gelten beispielsweise besondere Quarantäne-Regularien, so dass die See-Container bereits in Argentinien von australischen Kontrolleuren abgenommen wurden. Diese Kontrolleure töten mit Hilfe von Desinfektionsbomben alle Keime an unseren Teilen ab. Darüber hinaus mussten die Container von vornherein so konstruiert werden, dass sie auf den großen Frachtschiffen und in den Seehäfen beliebig platziert werden können. Man möchte vermeiden, dass ein Container beispielsweise immer nur ganz oben geladen werden darf, da er nicht über die geforderte Stapellast verfügt. Können keine anderen Container darüber gestapelt werden, bedeutet das höhere Kosten.

Wie viele Tage im Jahr sind Sie persönlich wegen der Rallyes auf Achse?
Lutz Meyer: Pro Rallye sind das durchschnittlich rund anderthalb Wochen.

Und wie viel Zeit verbringen Sie mit Formalitäten?
Lutz Meyer: Ich beschäftige mich bestimmt in 60 bis 70 Prozent meiner Arbeitszeit mit dem Ausfüllen von Anträgen und anderen Formularen. Das ist ein echter Papierkrieg. Den kämpfe ich aber zum Glück nicht alleine, sondern zusammen mit dem Teammanager, der für das Budget verantwortlich ist.

Ein Knochenjob

Mit wie vielen Mitarbeitern regeln Sie den Transport sowie den Auf- und Abbau des Volkswagen Serviceplatzes?
Lutz Meyer: Unser Team besteht aus nur sechs Leuten. Zusätzlich gibt es das Teammanagement, das sich um die Buchung der Flüge usw. kümmert. Im Grunde sind aber diese sechs Mann am Rennplatz für den Auf- und Abbau sowie die Wartung der Ausrüstung verantwortlich. Darüber hinaus kümmern sie sich um das Reifenmanagement während der Rallye. Das heißt, sie bringen die Felgen und gebrauchten Reifen zu Michelin, holen die neuen und fertig montierten Räder ab, kontrollieren die Luftdrücke und kümmern sich beim Service darum, dass immer die richtigen Räder für jedes Auto bereitstehen. Ein Knochenjob.

Sechs Mann kümmern sich um die Logistik., Foto: Volkswagen
Sechs Mann kümmern sich um die Logistik., Foto: Volkswagen

Inwieweit muss man vor und während einer Rallye improvisieren?
Lutz Meyer: Grundsätzlich haben wir ja alles im Vorhinein bedacht und geplant. Es kann aber natürlich immer etwas passieren, worauf man spontan reagieren muss. So weist uns jeder Veranstalter eine genaue Quadratmeterzahl im Servicepark zu. Da kann es trotz genauer Zeichnungen und Pläne schon mal vorkommen, dass sich ein Kanaldeckel oder ein Hydrant an einer für unsere Aufbauten ungünstigen Stelle befindet. Dann stimmen wir uns spontan mit dem Veranstalter ab oder fragen die benachbarten Teams, ob sie noch einen halben Meter Platz haben. Man findet immer irgendwie eine Lösung, da helfen sich alle Beteiligten im Servicepark gegenseitig.

Apropos Platz: Wie hat das Team die Rallye Monte Carlo gemeistert, wo der komplette Tross während der Rallye von Valence nach Monaco umziehen musste?
Lutz Meyer: Monaco ist diesbezüglich die Hölle. Dort gibt es, mitten in der Stadt, direkt am Jachthafen, kaum Platz. Da wird um jeden Zentimeter gefeilscht und niemand hat Zeit. Da waren wir in diesem Jahr schon froh, mit nur zwei Autos am Start zu sein. Dadurch benötigten wir schlichtweg etwas weniger Platz. Außerdem konnten wir in Valence unser neues Setup aufbauen, während wir in Monaco noch einmal auf unsere Aufbauten aus dem vergangenen Jahr zurückgriffen. So gelang uns der Umzug recht zügig.

Sie sprechen es an: Seit der Rallye Portugal setzt Volkswagen Motorsport drei Polo R WRC ein. Was hat sich dadurch in Bezug auf die Logistik geändert?
Lutz Meyer: Die Auf- und Abbau-Zeiten werden länger, denn man hat ein Zelt mehr und es kommen einfach überall Teile hinzu. Das hatten wir aber von Anfang an eingeplant und auch alle zusätzlichen Teile mitgeschickt. So waren wir in Mexiko nur mit zwei Autos am Start, hatten aber schon alle Teile für drei Autos dabei. Denn mit derselben Übersee-Ausrüstung mussten wir schließlich auch zwei Monate später die Rallye Argentinien bestreiten, wo wir bereits mit drei Polo R WRC antraten.