Volkswagen startet bei der Rallye Deutschland gleichzeitig in der Rolle des Gejagten und der des Jägers. Beim neunten Saisonlauf zur FIA Rallye-Weltmeisterschaft WRC können die WM-Führenden in Fahrer- und Beifahrerwertung, Sébastien Ogier/Julien Ingrassia, mit einem Sieg den Titel holen - wenn ihre Verfolger ohne Top-Ergebnis bleiben. Volkswagen geht darüber hinaus als Spitzenreiter in der Hersteller-Wertung an den Start. Sechs der acht Rallyes gingen an den Polo R WRC - auf Eis, Schnee oder Schotter. Zwischen Köln und Trier erlebt das 315 PS starke World Rally Car aus Wolfsburg vom 22. bis 25. August seine erste Bewährungsprobe auf Asphalt.

Erstmals in der Premierensaison steht für den Polo R WRC eine reine Asphalt-Rallye auf der Agenda. Und die Konkurrenz ist stark: Seit knapp einem Jahrzehnt hat in der Rallye-WM auf diesem Untergrund stets Citroën gewonnen. Volkswagen geht deshalb nicht als Favorit in die Heimrallye, die neben Ogier/Ingrassia auch die Werksduos Jari-Matti Latvala/Miikka Anttila sowie Andreas Mikkelsen/Mikko Markkula für die Wolfsburger bestreiten.

"Die Rallye Deutschland ist für Volkswagen in jeder Hinsicht etwas Besonderes", so Volkswagen Motorsport-Direktor Jost Capito. "In der Theorie können Sébastien Ogier und Julien Ingrassia die WM-Titel für Fahrer und Beifahrer holen. Dazu ist die Rallye Deutschland unser Heimspiel als Team. Doch sie ist gleichzeitig auch die erste Rallye des Jahres, die ausschließlich auf Asphalt ausgetragen wird. Unsere Konkurrenz von Citroën hat diese Art von Rallyes seit fast einem Jahrzehnt beherrscht - wir sind damit die Außenseiter. Trotzdem können wir selbstbewusst antreten. Unsere bisher erfolgreiche Saison hätte niemand vor unserem Debüt für möglich gehalten, auch die kühnsten Optimisten nicht. Um auch in Deutschland das Podium zu erreichen, müssen wir als Team alles richtig machen. Das ist unser Ziel."

WRC-Überflieger Ogier greift in Deutschland nach dem Titel., Foto: Sutton
WRC-Überflieger Ogier greift in Deutschland nach dem Titel., Foto: Sutton

Für Mathematiker: Ogier und Ingrassia mit Chance auf den Titel

Sollten sich Ogier/Ingrassia um weitere 22 Punkte von den Verfolgern absetzen, wäre ihnen der WM-Titel in Fahrer- respektive Beifahrer-Wertung schon nach der Rallye Deutschland nicht mehr zu nehmen. 90 Punkte beträgt der Vorsprung des Volkswagen Werksduos vor den ärgsten Verfolgern derzeit, ihren Volkswagen Teamkollegen Jari-Matti Latvala und Miikka Anttila sowie Thierry Neuville und Nicolas Gilsoul (Ford). Die Wahrscheinlichkeit des vorzeitigen Titelgewinns schon in Deutschland ist daher allerdings äußerst gering.

Für einen Sieg gibt es in der Rallye-WM 25 Zähler, drei Punkte erhält der Schnellste der sogenannten Powerstage bei jeder Rallye zusätzlich. Demnach muss bei den verbleibenden vier Rallyes der Vorsprung von Ogier/Ingrassia mindestens 112 Zähler betragen, um die Sensation in der Premierensaison mit dem Polo R WRC schon bei der Rallye Deutschland zu schaffen. Ein zweiter Rang und der Sieg bei der Powerstage, also 18 plus drei Punkte (insgesamt 21), genügen dann selbst bei "Nullern" der Gegner nicht. Gelingt Ogier der Sieg gemeinsam mit der Bestzeit bei der Powerstage, dürften Jari-Matti Latvala und Thierry Neuville nicht besser als Platz sieben abschneiden.

Für Historiker: Ogier/Ingrassia und ihr herausragender Erfolg 2011

Zehn Rallyes, neun Mal Loeb, zehn Mal Citroën - wer die jüngste Geschichte der Rallye Deutschland bis zum Jahr 2002 zurückliest, wird wenig "Ausreißer" in der ewigen Siegerliste finden. Doch einen gibt es: 2011 siegten Sébastien Ogier/Julien Ingrassia - damals noch mit Citroën - sie bilden bis heute die einzige Fahrer/Beifahrer-Paarung, die den Rekordweltmeister Sébastien Loeb in den Weinbergen rund um Trier geschlagen hat.

Auch die Teamkollegen Jari-Matti Latvala/Miikka Anttila dürfen auf Top-Ergebnisse bei der Rallye Deutschland verweisen. Im vergangenen Jahr erzielte das finnische Duo mit Platz zwei sein bislang bestes Ergebnis. Ebenfalls gute Erinnerungen an die Rallye Deutschland hat Andreas Mikkelsen. Als 19-Jähriger erzielte er bei der abschließenden Wertungsprüfung 2008 seine erste Bestzeit in der Rallye-WM.

Für Experten: der Charakter der Rallye Deutschland

Schmale, winklige Straßen und enge Haarnadeln in den Weinbergen an der Mosel hüben, schnelle Pisten und die berühmt-berüchtigte Panzerplatte mit gnadenlosen Hinkelsteinen drüben - die Rallye Deutschland bildet eine Besonderheit im Rallye-WM-Kalender. Während die World Rally Cars auf Wertungsprüfungen wie "Dhrontal" Kehre um Kehre die Weinberge erklimmen und Fans damit die einzigartige Möglichkeit bieten, von oben herab das Geschehen zu verfolgen, zeigt der Truppenübungsplatz von Baumholder ein ganz anderes Gesicht. Dessen Markenzeichen sind sogenannte Hinkelsteine, eigentlich dazu ausgelegt, Panzer zu stoppen. Tausende von Fans werden deshalb auf dem sonst für die Öffentlichkeit gesperrten Gelände nicht selten Zeuge von Dramen - etwa von verbogenen oder beschädigten Radaufhängungen, die naturgemäß schwächer sind als die Hinkelsteine. Gleichzeitig ist der Streckenverlauf in Baumholder darauf ausgelegt, dass die Zuschauer die Rallye-WM-Autos möglichst mehrfach zu sehen bekommen - daher der Beiname der Wertungsprüfung: ",Arena‘ Panzerplatte".

Ogier ist der Dominator der WRC 2013., Foto: Sutton
Ogier ist der Dominator der WRC 2013., Foto: Sutton

Stimmen vor der Rallye Deutschland

Jari-Matti Latvala:
"An der Rallye Deutschland mag ich speziell die Prüfung 'Arena Panzerplatte'. Solche Strecken haben eine ganz eigene Faszination, sie sollten viel häufiger Bestandteil einer Rallye sein. Ansonsten erinnern manche der Straßen sehr an die in Finnland. Es gibt viele breite Wege, auf denen man richtig Tempo machen kann. Umso mehr, weil die Rallye Deutschland komplett auf Asphalt ausgetragen wird. Die Weinanbaugebiete an der Mosel haben ein ganz eigenes Flair - einzigartig in der Rallye-WM. Wenn es dort trocken ist, sind die Passagen genial. Aber wehe, es regnet dort. Dann wird die Straße matschig und es wird extrem schwer, das Auto zu kontrollieren. Im vergangenen Jahr war ich Zweiter, was mein bestes Ergebnis bisher dort war. Das würde ich gern wieder erreichen, um unserem eingeschworenen Team bei der Heimrallye ein gutes Ergebnis zu schenken."

Sébastien Ogier:
"Ich versuche, die Rallye Deutschland völlig unbeschwert anzugehen. Natürlich, ein Sieg in Deutschland wäre ein enorm wichtiger Schritt in Richtung Titel und die Weltmeisterschaft ist mein großer Traum in dieser Saison. Wenn man sich den Punktestand derzeit anschaut, muss ich aber nicht unbedingt gewinnen und alles auf eine Karte setzen. Mein Ziel wird sein, mein Polster in der Fahrerwertung zu behalten. Ein Sieg in Deutschland wäre jedoch für mein Team fantastisch. Sie hätten ihn mehr als verdient. Unsere Mannschaft macht zurzeit einfach den Unterschied aus. Wir gehen mit einer Menge Selbstvertrauen nach Deutschland. Und ganz ehrlich: Warum sollten wir dort nicht gewinnen?"

Andreas Mikkelsen:
"Die Rallye Deutschland wird eine sehr spezielle Rallye. Sowohl für das Team als auch für die Fahrer. Ein gutes Ergebnis ist für Volkswagen bei der Heim-Rallye besonders wichtig. Alle Beteiligten werden besonders fokussiert sein. Die Rallye Deutschland ist die erste echte Asphalt-Rallye des Jahres, und das mit vielen verschiedenen Asphalt-Arten. Es gibt drei verschieden Arten von Wertungsprüfungen. Zum einen gibt es die Militär-Wertungsprüfungen mit ziemlich aggressivem Beton, dann die Weinfelder mit engen schotterartigen Straßen und schließlich gibt es die Straßen aus perfektem, ebenem Asphalt. Für mich ist die Rallye Deutschland die herausforderndste Asphalt-Rallye. Vor der Rallye hatten wir einen Test auf Asphalt, bei dem unser Auto exzellent funktioniert hat. Ich freue mich jetzt wirklich sehr auf die Rallye Deutschland."