Walter Röhrl hat mit 66 Jahren so ziemlich alles in seiner Karriere erlebt, was der Motorsport zu bieten hat. Der Regensburger gewann die prestigeträchtige Rallye Monte Carlo auf vier verschiedenen Fabrikaten, krönte sich 1980 und 1982 zum Rallye-Weltmeister, setzte Rekordzeiten auf dem Pikes Peak und erzielte außerdem noch zahlreiche Erfolge bei Touren- und Sportwagenrennen. Doch an der Rallye Dakar nahm 'Der Lange' nie teil.

"So alt kann ich gar nicht werden, dass mich das reizen würde", erzählte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und fuhr fort: "Ich bin ein großer Fan von Carlos Sainz gewesen. Ich konnte es nie verstehen, dass er die Dakar gefahren ist." Der Oberpfälzer hätte selbst zahlreiche lukrative Angebote für einen Start bei der Rallye Dakar gehabt, bei denen er sogar das Dreifache verdient hätte, wie für ein gesamtes Jahr Weltmeisterschaft. "Aber auch wenn sie mir zehn Millionen geboten hätten, hätte ich es nicht gemacht", ist er sich sicher.

Als Grund gibt er die enormen Sicherheitsrisikos an: "Das als Abenteuer zu fahren ist toll, aber wenn der eine über den Busch drüberfährt, der andere über eine Kuppe drüberspringt, dann ist das doch nichts anderes als russisches Roulette." Bei den Gedanken an die Sicherheit, kommen ihm auch Zweifel an seine aktive Zeit in der Rallye-WM. "Wenn ich diese Videos sehe aus meiner Audi-S1-Zeit, dann bin ich schockiert. Ich schäme mich richtig dafür", erzählte er mit Blick auf das hohe Risiko, das für die Zuschauer damals bestand. "Aber das war so, die haben da gestanden und sind einfach im letzten Moment weggesprungen. Man fuhr da gegen eine geschlossene Menschenmenge."

Kein Geld für Idioten

In Portugal sei sein Konkurrent Henry Toivonen wegen der Zuschauer einmal schneller gewesen. Im Service wandte sich Röhrl an sein Team, das ihn deshalb kritisierte. "Ich hab' dann erklärt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis ich jemanden tot fahr'. Es geht nicht anders", erinnerte er sich. Die Teamleitung entgegnete lapidar: "Glaubst du, dass du das viele Geld kriegst, damit du auf die Idioten aufpasst?"

Auch wenn sich der Rallye-Sport seit der aktiven Zeit gravierend verändert hat, so ist die Essenz für den Bayern immer noch dieselbe. "Der Grundgedanke war früher die Prüfung von Mensch und Material auf Zuverlässigkeit. Diese aneinandergereihten Minirennen heute haben ja nichts mehr mit diesem Gedanken zu tun. Aber zum Glück ist der wichtigste Grund, warum ich den Rallye-Sport für den größten Motorsport halte, immer noch der gleiche." Der Grund liegt für Röhrl in der erzieherischen Funktion des Sports. "Wenn Sepp [Wiegand] glaubt, er ist der große Star, und er lässt es brennen, dann fährt er sich morgen die Rübe ab - weil der Baum eben nicht auf die Seite springt."

"Jedes Jahr werden die Autos schneller, und jedes Jahr wird den Fahrern noch mehr Platz für Fehler eingeräumt", fuhr die Legende fort und formulierte den charakterbildenden Teil noch deutlicher: "Das ist doch pervers. Das ist doch ein Sport, der dich zur Gewissenhaftigkeit erzieht. Der Abgrund ist eben da, da musst du den Fuß vom Gas nehmen und nicht fordern, dass einer den Abgrund auffüllt." Die Ernsthaftigkeit ist für einen Rallye-Piloten auch dringend notwendig, wie Röhrl, weiß, "weil sonst ganz schnell die Lichter ausgehen."