Was für ein Auftritt der Langstrecken-Weltmeisterschaft auf dem Nürburgring und was für eine Demonstration von Porsche: Vor 62.000 Zuschauern holten Timo Bernhard, Mark Webber und Brendon Hartley einen Kantersieg mit über einer Runde Vorsprung auf die Teamkollegen Romain Dumas, Neel Jani und Marc Lieb. Diese hatten gleich drei Stop&Go-Strafen von insgesamt 95 Sekunden erhalten, weil es ein Problem mit dem Fuel Flow Meter gab. Trotzdem konnte das Trio auch wegen eines Monster-Stints von Neel Jani Audi noch abfangen und ein Machtwort in der WEC für die verbleibenden Rennen sprechen. Insgesamt gab es vier Full Course Yellows (das WEC-Äquivalent zum virtuellen Safety Car) während der sechs Stunden.

Sprit-Debakel wirft Porsche auf Platz vier zurück

Vom Start weg fuhr Neel Jani auf und davon und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Sukzessive vergrößerte der Schweizer den Vorsprung, während dahinter Timo Bernhard mit einem defekten Splitter an seinem Porsche kämpfte. Die beiden Audi verloren jede Menge Zeit gemeinsam mit Bernhard, da sie den untersteuernden 919er nicht überholen konnten, während Jani einen riesigen Vorsprung an der Spitze herausfuhr.

Der erste Stopp warf dann den Porsche von Bernhard, Webber und Hartley hinter den Audi von Fässler zurück, als die Front des Fahrzeugs getauscht wurde. Beim Joest-Team wurden allerdings nicht die Reifen gewechselt, so dass Mark Webber alsbald am Heck des Schweizers wieder auftauchte. Noch während des zweitens Stints stellte der Australier die Doppelführung wieder her. Audi schien unterdessen Temperaturprobleme zu bekommen und musste einen Schongang einlegen, Porsche setzte sich ab.

Trotz dreier Stop&Go-Strafen rangen Dumas/Jani/Lieb Audi noch nieder, Foto: Simninja.de
Trotz dreier Stop&Go-Strafen rangen Dumas/Jani/Lieb Audi noch nieder, Foto: Simninja.de

Ein erster Vorgeschmack für das, was folgen sollte, kam auf, als Marc Lieb eine 5-Sekunden-Stop&Go-Strafe aufgebrummt bekam, weil der Porsche Nummer 18 zu viel Sprit verbraucht hat. Der ganze Vorsprung war dahin, Lieb und Webber bekämpften sich daraufhin mit allen Mitteln, einmal wurde der Australier gar von der Strecke gedrängt. Beim Boxenstopp drehte sich das Bild: Die Nummer 17 übernahm die Führung, doch für die Teamkollegen brach eine Welt zusammen: Der Durchflusssensor schien bei Porsche nicht richtig zu funktionieren und es gab zwei weitere Strafen, 30 und 60 Sekunden für zu hohen Spritverbrauch.

Das warf Romain Dumas, der die bittere Pille schlucken musste, auf die vierte Position zurück - beinahe wurde er in die Arme von Toyota getrieben. Danach schien Porsche die Probleme beheben zu können, doch der Schaden war bereits angerichtet: Knapp eine Minute Rückstand hatte die 18 auf die beiden Audi, die relativ dicht beisammen lagen, sich aber wieder auseinanderzogen, als Andre Lotterer die Nummer 7 fliegen ließ. Es reichte aber nicht, um irgendetwas gegen den Führenden auszurichten.

Neel Jani bringt Porsche wieder ins Spiel

Chancenlos: Toyota blieb eine Randnotiz, Foto: Speedpictures
Chancenlos: Toyota blieb eine Randnotiz, Foto: Speedpictures

Im Gegenteil, Timo Bernhard, Mark Webber und Brendon Hartley fuhren in einer eigenen Liga und überrundeten sogar die Konkurrenz aus Ingolstadt - eine schallende Ohrfeige. Doch es kam noch schlimmer für Audi: Porsche bekam die Sprit-Probleme wieder in den Griff und Neel Jani leistete nahezu Übermenschliches, als er einen Rückstand von einer Minute in einem Zweieinhalbfach-Stint wieder zufuhr. Nach der vierten FCY war er vorbei am Audi Nummer 8 und lag nur knapp hinter dem Audi der Tabellenführer.

Kurz vor Ablauf der letzten Stunde kochte dann der Kessel: Jani griff Treluyer für Platz zwei an, doch dahinter stürmte di Grassi heran. Treluyer hielt den Porsche so lange auf, dass di Grassi herankam. Jani griff an, kam vorbei, Treluyer konterte, es kam zur Berührung und Treluyer war wieder vorn. Di Grassi nutzte das aus und ging nun an Jani vorbei, dann auch an Treluyer und lag nun auf Platz zwei. Beim letzten Boxenstopp aber war Porsche wieder schneller und Marc Lieb, der von Jani übernahm, lag jetzt vor den beiden Audi. das änderte sich bis ins Ziel nicht mehr, obschon Audi noch versuchte, mit allen strategischen Möglichkeiten mitzuhalten. Di Grassi war im letzten Stint zwar schneller als Andre Lotterer, ließ diesen jedoch wegen der Meisterschaftssituation wieder vor.

Riesenjubel bei Kolles: Erstmals holte der CLM P1/01 die private LMP1-Trophäe, Foto: Speedpictures
Riesenjubel bei Kolles: Erstmals holte der CLM P1/01 die private LMP1-Trophäe, Foto: Speedpictures

Keiner der drei privaten LMP1 kam ohne Probleme über die Distanz. Der erste Rebellion war bereits nach der Einführungsrunde platt, für Alexandre Imperatori, Dominik Kraihamer und Daniel Abt war der Nürburgring keine Reise wert. Auch der zweite R-One von Nicolas Prost, Nick Heidfeld und Mathias Beche kam nicht viel weiter und hatte technische Probleme. Das erlaubte dem ByKolles-CLM von Simon Trummer und Pierre Kaffer, an die Spitze zu gehen. Doch eine Kollision sorgte dafür, dass Kaffer der Heckflügel wegflog. Dass er dabei das Auto auf der Strecke hielt, war eine fahrerische Genialleistung. Nach der Reparatur war der CLM weiter vorn und feierte seinen ersten Subklassenerfolg.

KCMG verweist G-Drive in die Schranken

In der LMP2 gab es den erwarteten Kampf zwischen G-Drive Racing und KCMG: Nick Tandy brachte den blauen Oreca 05 zunächst komfortabel in Führung, doch die Onroak-Ligier holten zwischenzeitlich auf. Speziell Gustavo Yacaman kam dicht an den Oreca heran, als Matthew Howson dort am Steuer saß. Im letzten Renndrittel jedoch gewann die Mannschaft aus Hong Kong wieder die Oberhand: Matt Howson, Richard Bradley und Nick Tandy feierten Saisonsieg Nummer zwei für das neue französische Coupe.

Eindrucksvoll: Für KCMG ist es der zweite Sieg in Folge, Foto: Speedpictures
Eindrucksvoll: Für KCMG ist es der zweite Sieg in Folge, Foto: Speedpictures

Hinter den beiden LMP2-Frontteams kam die Mannschaft von Benoit Morand auf die dritte Position. Ein erfolgreiches Debüt für Archie Hamilton, der die Stammfahrer Pierre Ragues und Oliver Webb verstärkt. Platz fünf ging an Signatech Alpine mit den Fahrern Nelson Panciatici, Paul-Loup Chatin und Vincent Capillaire trotz eines zwischenzeitlichen Drehers, der mit verantwortlich für die vierte FCY war. Der Strakka-Gibson zeigte guten Speed, hatte aber einige Schweirigkeiten mit dem Speedlimiter, was mehrere Strafen nach sich zog.

Doppelter Heimsieg für Manthey

Das Rennen in der GTE Pro begann mit einem Kracher: Gimmi Bruni und Toni Vilander rollten nach nur 15 Minuten mit Elektronikproblemen aus. Das sorgte für die erste Full Course Yellow, die James Calado im zweiten Ferrari als Einziger zum Stopp nutzte und daher kurze Zeit off sequence fuhr - nach der zweiten FCY waren alle wieder im selben Trott. Schon früh richtete sich der Manthey-Porsche von Michael Christensen und Richard Lietz an der Spitze ein, der Ferrari dahinter. Ein früher Rückschlag für Fred Makowiecki und Patrick Pilet: Ein Frühstart zog eine Durchfahrtsstrafe nach sich.

Einen frühen Rückschlag mussten auch Stefan Mücke, Darren Turner und Jonny Adam hinnehmen: Ihr Aston Martin V8 Vantage schien nicht richtig zu laufen und das Fahrzeug fiel ins Feld der GTE Am zurück, wo es das ganze Rennen über nicht mehr rauskam. Auch die anderen V8 Vantage hatten womöglich infolge der jüngsten BoP-Anpassungen nie den nötigen Speed. Somit war der Weg frei für die Manthey-Porsche: Christensen und Lietz siegten vor Makowiecki und Pilet.

Das Manthey-Team sorgte für einen perfekten Porsche-Tag, Foto: Speedpictures
Das Manthey-Team sorgte für einen perfekten Porsche-Tag, Foto: Speedpictures

Dieser Doppelsieg ging jedoch nicht ohne Kontroverse über die Bühne: Zwei Strafen gab es gegen die Startnummer 92. Die erste für einen Frühstart, die zweite für eine Kollision: Bei der dritten Full Course Yellow lag Fred Mako direkt hinter James Calado. Als die Flaggen rauskamen, verzögerte Calado und der Porsche fuhr auf den Ferrari auf. Das trieb die Karosserie in den Radkasten, so dass bei Calado der linke Hinterreifen zu schleifen begann, was sich auch nach dem Wechsel auf Davide Rigon fortsetzte. Die Folge: Ein Reifenschaden. Rigon fiel aber nur auf die dritte Position zurück, die völlig chancenlosen Aston Martin kamen auf die Plätze vier (Sönensen/Nygaard), fünf (Rees/MacDowall/Stanaway) und sechs (Mücke/Turner/Adam).

In der GTE Am wechselte die Reihenfolge immer wieder - je nachdem, wo gerade ein Amateur auf dem Auto saß. Zwischenzeitlich lag sogar Patrick Dempsey an der Spitze. Am Ende setzten sich die SMP-Piloten Viktor Shaitar, Alexey Basov und Andrea Bertolini durch, nachdem der Aston Martin von Paul Dalla Lana, Pedro Lamy und Mathias Lauda zwischenzeitlich stehen blieb. Es reichte trotzdem noch zum zweiten Platz für Aston Martin Racing vor dem AF-Corse-Ferrari von Emmanuel Collard, Francois Perrodo und Rui Aguas.