Am kommenden Wochenende, vom 10. bis 12. April, wird im britischen Silverstone der erste von acht WM-Läufen über die Renndauer von sechs Stunden ausgetragen. Porsche legte mit dem für die zweite Saison seit der Rückkehr in den Spitzen-Motorsport deutlich weiterentwickelten 919 Hybrid insgesamt 30.863 Testkilometer zurück.

Der V4-Zylindermotor mit Turbo und Abgasenergierückgewinnungssystem treibt den Porsche an, Foto: Porsche
Der V4-Zylindermotor mit Turbo und Abgasenergierückgewinnungssystem treibt den Porsche an, Foto: Porsche

Das seit 2014 bestehende revolutionäre WEC-Reglement, das leistungsstarke und innovative Hybridantriebe fordert, war ausschlaggebend für Porsches Rückkehr in die Topliga des Motorsports. Die zweite Generation des Porsche 919 Hybrid ist noch effizienter und stärker geworden. Dank intensiver Weiterentwicklung des dreiteiligen Antriebskonzepts konnte Porsche den Le-Mans-Prototyp erstmals für die höchste Energie-Rückgewinnungsklasse (8 Megajoule) anmelden. Kein Rennwagen setzt so viel Energie um wie der Porsche 919 Hybrid – weder Formel-1-Rennwagen noch Le-Mans-Prototypen anderer Automobilhersteller. Die Ingenieurskunst, Hybridsysteme mit extrem hohem Energieumsatz darstellen zu können, hat auch höchste Relevanz für elektrifizierte Straßenfahrzeuge wie die Plug-in-Hybrid-Modelle von Porsche.

In der WEC werden Automobilherstellern, die mit ihren Le-Mans-Prototypen in der Klasse 1 (LMP1) um den Gesamtsieg kämpfen, weitreichende Innovationen im Bereich Hybridantrieb abverlangt. Dafür genießen die Ingenieure größere Freiheiten als in jeder anderen bedeutenden Rennserie. So sind beim Verbrennungsmotor viele Auslegungen erlaubt – Diesel und Benziner, Sauger und Turbo, kompakt bis großvolumig. Damit muss mindestens ein Energierückgewinnungssystem kombiniert werden.

Es dürfen aber auch mehrere sein. Wie sie funktionieren und in welchen Medien sie ihre Energie speichern, ist ebenfalls völlig freigestellt. Was das Reglement allerdings rigoros beschränkt, ist der Energieverbrauch pro Runde. Das gilt sowohl für den verbrannten Kraftstoff als auch für den genutzten Strom, und zwar abhängig voneinander. Die Faustformel: Je mehr Strom ein Auto erzeugt und nutzt, desto weniger Kraftstoff darf es verbrennen. Daraus ergibt sich eine komplizierte Kosten-Nutzen-Rechnung – ein anspruchsvoller Denksport für Ingenieure. Und so entsteht im Wettbewerb Know-how, das zukünftigen Straßensportwagen von Porsche zugute kommen wird.

Der Hybrid-Antriebsstrang des Porsche 919 Hybrid, Foto: Porsche
Der Hybrid-Antriebsstrang des Porsche 919 Hybrid, Foto: Porsche

Der Zweiliter-V-Vierzylinder im Porsche 919 Hybrid, ein Benziner mit Turbo-Aufladung, ist das kompakteste und effizienteste Triebwerk, das Porsche bisher gebaut hat – Downsizing in allerhöchster Güte. Der Motor treibt die Hinterachse mit über 500 PS an. Ruft der Fahrer außerdem die Energie aus den Rückgewinnungssystemen ab, treiben zusätzlich mehr als 400 PS die Vorderachse an. So wird der Porsche 919 Hybrid temporär zu einem Allradler mit rund 1000 PS Systemleistung.

Der 919 verfügt über zwei Energierückgewinnungssysteme. Eines sammelt beim Bremsen an der Vorderachse frei werdende Energie ein, das andere funktioniert über eine Turbine im Abgastrakt und macht den Porsche 919 Hybrid zum einzigen Prototyp in der Weltmeisterschaft, der auch beim Beschleunigen Strom erzeugt. Der Speicher für den Strom aus beiden Systemen ist eine eigens entwickelte flüssigkeitsgekühlte Lithium-Ionen-Batterie. Sie kann in kurzer Zeit viel Energie aufnehmen und abgeben (hohe Leistungsdichte), hat trotzdem eine relativ hohe Speicherkapazität (Energiedichte) und gleichzeitig ein überschaubares Eigengewicht. Dank klugen Designs vom Monocoque bis zum Antriebsstrang wurde der Porsche 919 Hybrid für die Saison 2015 gleichzeitig robuster und leichter. Im vergangenen Jahr lag er noch etwa 30 Kilogramm über dem Mindestgewicht von 870 Kilogramm, jetzt ist es trotz des leistungsstärkeren Hybridsystems erreicht.

Das Chassis und alle Karosserie-Bestandteile bestehen aus Kohlefaser, Foto: Porsche
Das Chassis und alle Karosserie-Bestandteile bestehen aus Kohlefaser, Foto: Porsche

Alexander Hitzinger, der Technische Direktor des LMP1-Programms, fasst die technischen Herausforderungen zusammen: "Der Umstieg in die acht Megajoule-Klasse muss sich lohnen. Dafür muss man alle Faktoren berücksichtigen und Nachteile überkompensieren, sonst ergibt das keinen Sinn. Das heißt: Obwohl erstens die geringere Benzinmenge den Verbrenner Leistung kostet, obwohl zweitens das Potenzial für die Rückgewinnung auf sieben Rennstrecken schlechter ist als in Le Mans und obwohl drittens einzelne Bauteile schwerer sind, müssen die Rundenzeiten durch die Zusatzenergie unterm Strich besser sein."

Die Fahrer verfügen nun über ein Jahr Erfahrung im Umgang mit dem Energieeinsatz. Timo Bernhard (Bruchmühlbach-Miesau), Brendon Hartley (Neuseeland) und Mark Webber (Australien) bilden weiterhin ein Team und teilen sich den Prototyp mit der Startnummer 17. Das Schwesterauto mit der Startnummer 18 steuern Romain Dumas (Frankreich), Neel Jani (Schweiz) und Marc Lieb (Ludwigsburg), ebenfalls ein eingespieltes Trio.

Fritz Enzinger, Leiter LMP1, sagt vor dem Saisonstart: "Wir sind noch immer ein junges Team. Wir haben jedoch unsere Debütsaison mit einem Sieg in Brasilien abgeschlossen, entsprechend sind die Erwartungen an uns jetzt gestiegen. Unsere Saisonvorbereitung war sehr intensiv. Die zwei Sechsstundenrennen in Silverstone und in Spa sowie noch zwei weitere Ausdauertests werden die Vorbereitungen auf den Saisonhöhepunkt in Le Mans im Juni abschließen."