Die Sportwagen-Welt berappt sich wieder von dem Erdbeben, das die Bekanntmachung der Pläne für das LMP2-Regelment ab 2017 ausgelöst hat. Die Hersteller versuchen sich mit dem Vorhaben, nur mehr vier Chassishersteller und einen Standard-Motor zuzulassen, anzufreunden. Für die USCC wird eine Ausnahme bei der Motorenregelung gemacht, außerdem dürfen mittels Aero-Kits die Prototypen an Serienfahrzeuge angeglichen werden. In Le Mans sollen diese US-LMP2 dann mittels BOP mit den europäischen Standardmotor-LMP2 in Le Mans antreten. Klingt ambitioniert, und stößt nicht bei allen auf Begeisterung.

Der Einzige, der sich bislang offen positiv zu den neuen Regularien geäußert hat, ist Oreca-Chef Hugues de Chaunac, der gegenüber Daily Sportscar kommentiert: "Die LMP2 ist ein sehr harter Markt, der noch schwieriger geworden ist, seit Teams anfangen, ihre eigenen Fahrzeuge zu bauen und damit die Kostengrenze unterlaufen. Wir müssen mehr Autos verkaufen, um die großen Investitionen zu rechtfertigen, die die Entwicklung eines solchen Fahrzeugs mit sich bringt." Chaunac ist in einer komfortablen Position: Oreca und Onroak (Ligier) dürften als größte LMP2-Hersteller (und der Tatsache, dass sie in Frankreich stationiert sind, wie hinter vorgehaltener Hand gemunkelt wird) die besten Chancen haben, in den erlesenen Kreis der vier Auserwählten aufgenommen zu werden.

Von Oreca gibt es den vollen Support, Foto: Oreca
Von Oreca gibt es den vollen Support, Foto: Oreca

Weiterer Zuspruch von Herstellern

Alle weiteren Akteure äußern sich nur anonym. Keiner möchte sich mit einer falschen Aussage momentan aus dem Rennen um die vier Slots befördern. Somit werden weitere Stimmen nur anonymisiert kommuniziert. Ein Hersteller erklärt gegenüber Endurance Info: "Der globale Markt beträgt etwa 40 Autos. Derzeit muss man mindestens fünf Autos plus fünf Ersatzkits verkaufen, um kostenneutral zu arbeiten." Momentan sind LMP2-Fahrzeuge von sieben verschiedenen Herstellern auf dem globalen Markt vertreten, der WEC, USCC, ELMS und die asiatische LMS umfasst. Zu viele für eine kostengedeckelte Klasse, in der ein Fahrzeug nicht mehr als 450.000 Euro kosten darf.

In der USCC sollen die LMP2-Boliden optisch an Straßensportwagen angeglichen werden, Foto: IMSA
In der USCC sollen die LMP2-Boliden optisch an Straßensportwagen angeglichen werden, Foto: IMSA

Der Hersteller nimmt auch Stellung zum geplanten Einheitstriebwerk: "Eine Saison in der FIA WEC kostet etwa drei Millionen Euro. Ein Motor kostet etwa 80.000 Euro und muss alle 6.000 Kilometer neu aufgebaut werden. Dieser Wiederaufbau kostet die Hälfte des gesamten Motors." Das neue Aggregat solle deutlich günstiger und mit längeren Wartungsintervallen daherkommen, um die derzeitigen Kosten von 9 Euro pro Kilometer zu verringern.

Noch immer ist der Spagat zwischen einer zweitklassigen LMP2 in Europa und einer erstklassigen LMP2 in Amerika einer der Stolpersteine. "Es ist absolut notwendig, dass Teams auf beiden Seiten des Atlantiks fahren können", wirft ein anderer Hersteller ein. Wichtig sei, dass sich etwas tue: "Derzeit verlieren die Hersteller durch den Verkauf von Autos Geld." Allerdings gibt es noch Zweifel: "Wir brauchen nachvollziehbare Selektionskriterien. Warum wird genau dieser Hersteller ausgewählt? Und was passiert, wenn der Einheitsmotor zum Einsatz kommt?" Der Hersteller verweist darauf, dass es zu einer kuriosen Konstellationen wie einem HPD-Nissan kommen könnte.

Ein weiterer Hersteller glaubt, dass die neuen Regeln Zeit bräuchten: "Die Daytona Prototypen haben ihren Peak im vierten oder fünften Jahr erreicht. Gleiches geschah mit der Sportwagen-Weltmeisterschaft Ende der 80er-Jahre und der GTP-Serie." Aus diesem Grunde sei es ein guter Schritt, die Autos zunächst für vier Jahre einzufrieren. "Die Autos werden lange einsetzbar sein, was Leute dazu anregen wird, sie zu kaufen."

SMP Racing wird seine Eigenkreation BR01 maximal drei Jahre einsetzen können, Foto: Andre Lemes
SMP Racing wird seine Eigenkreation BR01 maximal drei Jahre einsetzen können, Foto: Andre Lemes

Massive Kritik von Teams und Zulieferern

Doch es hagelt auch Kritik an vielen Ecken. Eine ganze Reihe von ebenfalls anonymen Teamchefs und Herstellern sowie Zulieferern, die vermutlich außen vor bleiben werden, haben gegenüber Daily Sportscar ihrem Unmut freien Lauf gelassen. Hier eine Auswahl der Reaktionen:

  • "Es wurde kein sinnvoller und nachvollziehbarer Grund angegeben, zu erklären, warum derart drastische Maßnahmen getroffen wurden. Deshalb bleibt das Gefühl, dass es dem Ganzen mehr als nur ein Hauch an Selbstinteresse zugrunde liegt."
  • "Es besteht eine große Wahrscheinlichkeit, dass die meisten derzeitigen Chassis, Motoren und Reifenhersteller auf einen Schlag aus dem Wettbewerb gedrängt werden. Das ist ein großer Schritt, der im Namen der kommerziellen Interessen von ein oder zwei Großherstellern unternommen werden."
  • "Ich bin verblüfft, dass dies überhaupt in Erwägung gezogen worden ist, ohne alle Beteiligten in Kenntnis zu setzen; und noch schlimmer, ganz ohne Beteiligung der Teams, die doch die Kunden des ACO sind!"
  • "Ich habe mehrere Monate lang an einem P2-Projekt gearbeitet, das kommerziell haltbar gewesen wäre. Das ist durch diesen Plan auf einen Schlag zerstört worden. Es ist heftig, dass der Organisator scheinbar Neueinsteiger davon abhalten will, an der Meisterschaft teilzunehmen. Hiermit wird eine erfolgreiche Formel durch einen Schritt ins Ungewisse ersetzt, wonach niemand gefragt hat."
  • "Es gibt nur wenige potenzielle Gewinner hier. Ein oder zwei Chassishersteller, die ohnehin schon stark vertreten sind und der Organisator selber durch Antrittskosten für festgelegte Zulieferer."
  • "Es scheint so, als würden wir für Orecas Unfähigkeit, in der LMP2 genug Geld zu machen, schuldig gesprochen werden. Die Strafe dafür ist höchstwahrscheinlich unser Rauswurf aus dieser Branche. Wie verkehrt kann man es eigentlich machen?"
  • "Wettbewerb ist immer gut für den Sport und die gesamte Industrie. Je mehr ‚Spec‘ man einführt, umso weniger relevant wird es für diese Leute. Das funktioniert weder von einem entwicklungstechnischen, noch einem werbetechnischen, noch einem kompetitiven Standpunkt. Das bringt ein Konzept, das vom ACO wunderbar ausgedacht und umgesetzt worden ist, runter auf das Niveau einer mittelklassigen Monoposto-Serie."
  • "Nicht ein Wort wurde uns von ACO oder FIA über diese Pläne mitgeteilt. Keine Information und schon gar keine Konsultation. Man fühlt sich dabei nicht gerade wie ein geschätzter Stakeholder."
  • "Als ich das gelesen habe, dachte ich, es wäre der 1. April! Ich sehe überhaupt keine Vorteile für die Teams, von ein paar geringeren unbedeutenden Randkosten einmal abgesehen. Das ist nicht genug, um die massive Reduktion an Auswahlmöglichkeiten auf dem künftigen Markt zu kompensieren."
  • "Diese Regeln sind mehr LMP3 als die eigentlichen P3-Regeln es sind!"
Die Vielfalt in der ELMS wird 2017 verschwunden sein, Foto: Adrenal Media
Die Vielfalt in der ELMS wird 2017 verschwunden sein, Foto: Adrenal Media

Auch die von Motorsport-Magazin.com diskutierte inoffizielle Variante, die besagt, dass Teams wie Strakka Racing oder SMP Racing in die LMP1 gezwungen werden sollen, wird im Fahrerlager aufgegriffen. Doch die Beteiligten glauben, dass der Schuss nach hinten losgehen wird. "Es gibt eine Theorie, dass größere Teams in die LMP1 gezwungen werden sollen. Das wird definitiv nicht geschehen", gibt eine Quelle gegenüber Daily Sportscar an. "Sicherlich nicht unter diesen Umständen. Die Aussicht, doppelt so viel auszugeben, nachdem das eigene Equipment entwertet worden ist, ist für niemanden interessant."

Stattdessen warnt die Quelle, dass die Teams dem Sport den Rücken kehren. "Einer meiner Kunden erzählte mir, dass dies einen Abgang in Richtung GT3 viel wahrscheinlicher macht. Da hätten wir eine große Auswahl an Fahrzeugen und Reifen." Stephane Ratel wird die weitere Entwicklung der neuen Regeln wohl interessiert verfolgen.