Erster Sieg für den Porsche 919 Hybrid: Die Werksfahrer Romain Dumas (Frankreich), Neel Jani (Schweiz) und Marc Lieb (Ludwigsburg) gewannen mit dem innovativen Le-Mans-Prototypen am Sonntag das Sechsstundenrennen von São Paulo. Es war der achte und letzte Lauf zur FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC 2014. Erst zum Saisonbeginn war Porsche nach 16 Jahren Abstinenz wieder in die Topkategorie des Langstreckensports zurückgekehrt.

Romain Dumas, Neel Jani und Marc Lieb auf dem Podest, Foto: Andre Lemes
Romain Dumas, Neel Jani und Marc Lieb auf dem Podest, Foto: Andre Lemes

Ein hohes Tempo zeichnete bereits die Entwicklung aus - weniger als zwei Jahre lagen zwischen dem Beschluss zum Wiedereinstieg in die Topkategorie der Sportwagen-Weltmeisterschaft 2011 und der ersten Ausfahrt des Porsche 919 Hybrid am 12. Juni 2013 auf dem hauseigenen Prüfgelände. In diesem Zeitraum wurden im Porsche Entwicklungszentrum Weissach ein neues Bürogebäude sowie eine Werkstatt für den Le-Mans-Prototypen der Klasse 1 (LMP1) errichtet.

Die Mannschaft wuchs von null auf 230 Rennsportexperten, rund 150 von ihnen sind Ingenieure. Maschinen, Materialien und Komponenten wurden beschafft - ob Hochvolttechnik oder Fahrsimulator. Der komplexeste Rennwagen, den Porsche bislang gebaut hat, entstand in Rekordzeit. An der Spitze des Porsche Teams Fritz Enzinger (Leiter LMP1), Alexander Hitzinger als Technischer Direktor und Andreas Seidl als Teamchef.

Auf Anhieb auf dem Podest

Beim Renndebüt im April in Silverstone gelang auf Anhieb der erste Podestplatz. Beim zweiten Sechsstundenrennen im Mai im belgischen Spa-Francorchamps folgte die erste Poleposition. Beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans hatte ein Porsche 919 Hybrid insgesamt 37 Runden lang geführt, war dann aber gut zwei Stunden vor dem Ziel an zweiter Position liegend mit Motorschaden ausgefallen.

In Silverstone ging es sofort aufs Podest, Foto: Porsche
In Silverstone ging es sofort aufs Podest, Foto: Porsche

Das Schwesterauto erreichte das Ziel nach langer Reparaturpause auf Platz elf der Gesamtwertung und als Fünfter in der Klasse. Im Wetterchaos von Austin (Texas, USA) im September war die Mannschaft erneut auf Siegkurs, ehe ein Defekt zu Leistungsverlust führte. Im Oktober in Fuji (Japan) und im November in Shanghai (China) erlebte das Team zwei problemlose Sechsstundenrennen und freute sich über zwei weitere dritte Plätze sowie in Shanghai über die zweite Poleposition. Der siebte Einsatz brachte am 14./15. November den nächsten Schritt nach vorn: nach Poleposition Nummer drei standen erstmals beide Fahrerbesetzungen auf dem Podium. Beim Finale in São Paulo dann endlich auch ganz oben. In Interlagos waren zudem erstmals beide Porsche 919 Hybrid aus der ersten Reihe gestartet.

Durchbruch für zukunftsweisenden Hybridantrieb

Kein anderer Prototyp im Starterfeld der Langstrecken-Weltmeisterschaft 2014 verfügt über ein vergleichbar effizientes und komplexes Hybridsystem wie der Porsche 919 Hybrid. Der Rennwagen ist Technologieträger für zukünftige nachhaltige Antriebssysteme des Sportwagenherstellers. Das neue Effizienzreglement der Langstrecken-WM, das eine festgelegte Energiemenge pro Rennrunde vorschreibt, bot für Porsche die entscheidende technologische Herausforderung zum Wiedereinstieg. Die Entwicklung und Umsetzung im eigenen Haus waren eine logische Konsequenz.

Durchbruch für zukunftsweisenden Hybridantrieb, Foto: Porsche
Durchbruch für zukunftsweisenden Hybridantrieb, Foto: Porsche

Alles am Porsche 919 Hybrid ist dem Diktat höchster Effizienz bei maximaler Performance unterworfen. Die Aerodynamik ebenso wie die Materialauswahl für den Leichtbau, aber am spektakulärsten ist das Antriebskonzept mit dem extrem kompakten Zweiliter-Vierzylinder-Turbomotor und den beiden Energierückgewinnungssystemen. LMP1-Fahrzeuge, die von Automobilherstellern eingesetzt werden, müssen seit 2014 hybridisiert sein. Aber über das "Wie" schweigt sich das Reglement aus. Zylinderzahl, Hubraum, Diesel oder Benziner - alles ist frei. Der limitierende Faktor ist die Energie, die pro Runde zur Verfügung steht. Das gilt für die Kraftstoffmenge, aber auch für die elektrische Energie, die aus den Speichern abgerufen werden kann.

Die Speicher bestehen beim 919 Hybrid aus flüssigkeitsgekühlten Lithium-Ionen-Batteriezellen, und diese werden genährt aus zwei Systemen: An der Vorderachse wird beim Bremsen kinetische Energie in Strom verwandelt, im Heck wird aus Abgasenergie elektrisch Nutzbares. Die Rekuperation thermodynamischer Abgasenergie ist einzigartig im Starterfeld der Sportwagen-WM. Hierbei tritt praktisch eine zusätzliche Turbinen-Generator-Einheit an die Stelle des so genannten Wastegates. Porsche nutzt dieses überschüssige Abgas: Es treibt eine zweite Turbine an und damit auch einen Generator, der elektrische Energie erzeugt. Bislang verlorene Energie wird genutzt. Dank der Abgasenergierückgewinnung ist der Porsche 919 Hybrid das einzige Auto im Feld, das nicht nur beim Bremsen, sondern auch beim Gas geben Energie zurückgewinnt.

Beim 24h-Rennen von Le Mans hatte ein Porsche 919 Hybrid insgesamt 37 Runden lang geführt, Foto: Adrenal Media
Beim 24h-Rennen von Le Mans hatte ein Porsche 919 Hybrid insgesamt 37 Runden lang geführt, Foto: Adrenal Media

Das Ziel des FIA-Reglements, den Kraftstoffverbrauch der Prototypen gegenüber dem Vorjahr um 30 Prozent zu senken, wurde erreicht. Auf dem Weg zum ersten Sieg sammelten die Porsche 919 Hybrid 2.323 Führungskilometer. Insgesamt legten die beiden Prototypen 23.232 Rennkilometer in acht Läufen zurück. Dabei haben sie etwa 3.592 Kilowattstunden Strom produziert und eingesetzt. Das ist genug, um den Strombedarf eines durchschnittlichen deutschen Haushalts für über ein Jahr (373 Tage) zu decken.