Die anspruchsvolle Rennstrecke von Spa-Francorchamps in den belgischen Ardennen hat durchaus Gemeinsamkeiten mit dem Circuit de 24 Heures in Le Mans: Mit 7,004 Kilometern ist eine Runde relativ lang und die Volllastpassagen sind beträchtlich. Die Höhenunterschiede allerdings sind deutlich größer als in Le Mans, lange Bergaufpassagen verlangen den effizienten Hybridantrieben alles ab, die Senke Eau Rouge flößt jedem Rennfahrer Ehrfurcht ein. Nach der schnellen Passage durch Blanchimont werden die Piloten beim Anbremsen der Schikane brutal in die Gurte gepresst. Über das Wetter zu reden, ist in Spa meist ein ernstes Thema.

In Spa darf der Porsche 919 Hybrid gemäß dem neuen Reglement der Sportwagen-Weltmeisterschaft WEC in Spa pro Runde 4,78 Megajoule (MJ) elektrische Energie im Hybridsystem erzeugen (rekuperieren), speichern und damit den Elektromotor an der Vorderachse antreiben. 4,78 MJ entsprechen einem Wert von rund 1,33 Kilowattstunden (kWh), einer Einheit mit der auch der Stromverbrauch in jedem Haushalt gemessen wird. Geht man bei sechs Stunden Renndauer von rund 170 gefahrenen Runden aus, entspricht dies 226,1 kWh elektrischer Energie. Damit erzeugt das äußerst leistungsfähige Hybridsystem des Porsche 919 während des nur sechs Stunden langen Rennens kaum weniger elektrische Energie als der durchschnittliche Musterhaushalt in Deutschland in einem ganzen Sommermonat verbraucht. Dies zeigt, welch großes Potenzial in dieser neuen Technologie für zukünftige Serienfahrzeuge mit Hybridantrieb steckt.

Beim WM-Auftakt in Silverstone hatte das Trio des Porsche 919 Hybrid mit der Startnummer 20, Timo Bernhard (Bruchmühlbach-Miesau), Brendon Hartley (Neuseeland) und Mark Webber (Australien), Rang drei geholt. Das Schwesterauto mit der Nummer 14 von Romain Dumas (Frankreich), Neel Jani (Schweiz) und Marc Lieb (Ludwigsburg) sammelte aufgrund eines Ausfalls durch Antriebsdefekt noch keine WM-Punkte.

Die Stimmen vor dem Rennen

Fritz Enzinger, Leiter LMP1: Wir können auf unseren Leistungen von Silverstone aufbauen. Das neue Porsche Team hat dort sogar unter den erschwerten Witterungsbedingungen ein sehr solides Debüt abgeliefert. Unsere Fahrer waren großartig, und in der Box haben wir die richtigen Entscheidungen getroffen. Trotzdem dürfen wir uns nicht blenden lassen. Es gibt noch unzählige Situationen, die wir zum ersten Mal erleben werden. Der zweite WM-Lauf ist schon die Generalprobe für Le Mans. Unsere Hauptaufgabe in Spa ist ganz klar: beide Porsche 919 Hybrid ins Ziel zu bringen.

Romain Dumas (#14): Spa ist eine meiner Lieblingsrennstrecken. Sie hat tolle Hochgeschwindigkeitskurven, enge Ecken, Höhenunterschiede und eine tolle Rennatmosphäre durch die leidenschaftlichen Fans. Ich habe dort schon einige Rennen gewonnen – zwei Mal die 24 Stunden von Spa, vor zwei Jahren ein Rennen im LMP1 und früher einen Lauf in der Formel 3000. Ich denke, in Silverstone waren wir gut, und in Spa werden wir noch besser.

Neel Jani (#14): Unser erster Einsatz als Team hat in Silverstone gut geklappt, und so konnten wir insgesamt viel lernen, was uns jetzt in Spa den nächsten Schritt ermöglichen wird. Aerodynamisch wird uns zwar auch in Spa etwas Abtrieb fehlen, aber die guten Hochgeschwindigkeitswerte sollten in den Volllastpassagen besser zum Tragen kommen als in England. Und sollte es wieder regnen, spielt der Mangel an Abtrieb sowieso keine Rolle. Das Sechsstundenrennen ist gleichzeitig die Generalprobe für Le Mans, das macht es natürlich für uns alle besonders aufregend.

Marc Lieb (#14): Spa ist eine Abtriebsstrecke und davon hat der LMP1 natürlich viel mehr als ein GT-Auto. Ich freue mich sehr darauf, mit dem 919 Hybrid das erste Mal durch Eau Rouge zu fahren. Die Frage, ob man durch diese Kurve in der Senke mit Vollgas fahren kann oder nicht, bleibt spannend. Der Kurs hat einen sehr schönen Fluss und ist immer wieder eine Herausforderung. Eine der schönsten Erinnerungen meiner Karriere datiert aus 2003, als ich in Spa bei meinem allerersten 24-Stunden-Einsatz Gesamtsieger wurde.

Timo Bernhard (#20): Spa wird schön. Die Rennstrecke ist großartig, eine Fahrerstrecke mit langer Sportwagentradition. Ich erwarte dort viele Fans. Nicht nur aus Belgien, auch für viele Deutsche, Engländer, Franzosen und Niederländer ist Spa gut erreichbar. Bis zu meinem Zuhause sind es nur rund 200 Kilometer, deshalb wird auch Familie vor Ort sein. Der Podestplatz in Silverstone hat uns noch mal Rückenwind gegeben, um weiter dazuzulernen. Und er hat uns die ersten WM-Punkte gebracht. Ich bin seit Jahren nicht mehr um Punkte gefahren. Selbst 2011 gab es in der Vorläuferserie nur Herstellerpunkte aber keine Fahrerwertung.

Brendon Hartley (#20): Alle Fahrer lieben Spa und ich bin da keine Ausnahme. Die Strecke ist eine der besten der Welt. Ich bin dort mit allen möglichen Autos gefahren und 2012 in meinem ersten Langstreckenrennen aufs Podium. Spa sollte unserem Auto besser liegen als der Kurs in Silverstone. Die Geraden sind nicht ganz so lang wie in Le Mans, aber wir werden beeindruckende Höchstgeschwindigkeiten sehen. Vor der berühmten Eau Rouge sollte man nie den Respekt verlieren. Ich bin gespannt, ob wir sie mit Vollgas durchfahren können oder nicht.

Mark Webber (#20): Wir waren alle unheimlich angespannt und wollten die Premiere mit Qualifying und Rennen anständig hinter uns bringen. Es lief besser als erwartet, und jetzt ist es gut, dass schon gleich der nächste Einsatz ansteht, damit wir diesen Schwung mitnehmen können. Der Austausch im Team zwischen den Fahrern, den Ingenieuren an der Rennstrecke und in Weissach ist phänomenal. Jeder schaut nach Verbesserungen. Aber bei aller Aufregung bleiben wir doch realistisch. Wir haben es noch nicht geschafft, beide Autos ins Ziel zu bringen. In Spa sollen die Nummer 14 und die Nummer 20 zuhause ankommen.