Was macht Langstreckenrennen für dich so besonders?
Alex Wurz: Es ist ein Kindheitstraum und meine Karriere verlief so glücklich, dass er in Erfüllung ging. Ich muss sagen dass es für mich immer mein Traum war, in einem geschlossenen Sportwagen zu fahren. Daher bin ich sehr glücklich, in so einem Auto zu sitzen, das noch dazu auf Michelin-Reifen fährt, die perfekt zu meinem Fahrstil passen.

Die Rolle, die ich bei Toyota einnehme, passt ebenfalls gut zu mir. Als erfahrener Pilot muss ich auch zwischen den Rennen arbeiten. Während meiner Kariere habe ich immer sehr gut mit dem Team an der technischen Entwicklung arbeiten können; ich mache das sehr gerne und das Team ermutigt mich, es zu tun. Es liegt in meiner Natur, sehr viel Wert auf die Teamarbeit, lange Rennen und die richtige Strategie zu legen. Dieser Sport ist wie für mich gemacht.

Wann hast du deine ersten Erfahrungen im Langstreckensport gesammelt? Was hat dieses Feuer ausgelöst?
Alex Wurz: Als ich ein kleiner Junge war, habe ich die Motorshow in Wien besucht und dort stand ein Porsche 962 von Walter Lechner. Zu dieser Zeit bin ich bereits Kart gefahren und direkt neben dem Porsche stand ein Kart. Es war ein Auto, das ich immer sehen wollte, es hat mich fasziniert.

Ich denke, die Jungs an dem Messestand konnten sehen, dass mich das Auto in seinen Bann gezogen hat. Sie haben mich auf den Stand geholt und ich durfte mich in das Auto setzen! Als ich drin gesessen habe, haben sie die Tür geschlossen und es war das erste Mal, dass ich in einer anderen Welt war. In diesem Moment habe ich gedacht, dass es eine ziemlich coole Sache ist. Ein wenig später habe ich Sportwagen bei Testfahrten in Zeltweg beobachtet. Zu dieser Zeit waren sie schneller als die Formel 1. Sie waren unglaublich schnell und wirklich cool!

Als ich jung war, gab es das Mercedes Junior Team mit Wendlinger, Frentzen und Schumacher, das wollte ich auch irgendwann mal erreichen. Diese Jungs konnten sich glücklich schätzen, in so tollen Autos zu fahren. Für mich waren sie der Weg zur Liebe, die ich für geschlossene Sportwagen entwickelt habe.

Die neue Ära hat begonnen

Stehen wir an der Schwelle zu einer neuen goldenen Ära des Sportwagensports? Die Hersteller scheinen mehr und mehr Interesse an den technischen Möglichkeiten und Herausforderungen hier zu zeigen.
Alex Wurz: Ich denke, wir sind jetzt gut in diese neue Ära gestartet. Vor zwei Jahren sind wir schon einmal da gewesen, doch dann musste Peugeot unglücklicherweise sein Programm stoppen. Hätten sie nicht den Zwang verspürt, das tun zu müssen, hätten wir drei großartige Sportwagen-Werksteams, die bereits jetzt mit höchster Technologie, die auch für die Serienproduktion relevant ist, gegeneinander antreten würden.

Peugeots Rückzug war ein Rückschlag, aber jetzt zählen wir bereits die Tage runter, bis Porsche zu uns stößt. 2014 werden drei Hersteller mit interessanter, erstaunlicher Technologie das Ganze sehr interessant machen. Auch gibt es völlig verschiedene Herangehensweisen, wie jeder einzelne Hersteller das Reglement auslegt. Die neuen Autos werden sogar wesentlich relevanter für die Autos in der realen Welt als es die Gruppe C jemals gewesen ist.

Gruppe C war eine der pursten Motorsport-Formeln, die wir jemals gesehen haben; viel Leistung, viel Abtrieb, wunderschöne Autos und - ja, auch Gefahr. Das hat die Gruppe C zu einem Favoriten für jedermann gemacht. Aber ich sehe und fühle, dass wir zu einer derartigen Ära mit derartig viel Aufmerksamkeit zurückfinden, und die Technologie hat dabei eine große Rolle gespielt. Natürlich zieht das einige Leute an, aber vielleicht ist es wesentlich wichtiger als das Racing und die coolen Autos, die Leute für die Technologien, die zu ihrem eigenen Auto beitragen, zu begeistern, was sich an erhöhtem Interesse an der Marke wiederspiegeln könnte.

Bist du jemals ein Gruppe-C-Auto gefahren?
Alex Wurz: Leider nein, aber ich würde reinpassen, ich habe in einigen gesessen! Sie sind faszinierend, aber ein bisschen furchteinflößend.

Wo siehst du große Unterschiede in der jetzigen Ära verglichen mit früheren Erfahrungen in Werksteams?
Alex Wurz: Es mag überraschend klingen, aber es gibt keinen großen Unterschied. Man kommt jedes Jahr wieder zurück und alles entwickelt sich weiter und scheint mehr Aufmerksamkeit für Details zu erfordern.

Es gab Zeiten, als es mehr um das Fassungsvermögen der Tanks ging, deshalb hat man sich darauf viel mehr konzentriert als auf Spritsparen. Heutzutage fahren wir überall absolut Vollgas, sogar in Le Mans fahren wir voll, einen 24-Stunden-Vollgas-Sprint. Effizienz ist weiterhin wichtig, man muss ein Auge auf den Spritverbrauch und insbesondere den Reifenverschleiß haben, aber das Wichtigste ist Pace, und diese konstant zu haben.

Jetzt kommt die Notwendigkeit, auf Details und die Effizienz zu achten, ins Spiel. Natürlich auf der einen Seite wegen der fantastischen Technologie, die wir selbst entwickeln, aber auch durch die fantastische Technologie unserer Gegner. Alle geben Vollgas, und um zu gewinnen muss man die ganze Zeit immer am Ball bleiben, es gibt keinen Raum für Fehler.

Die Leistung von 2010 zurück, bitte

Aber natürlich besteht auch dabei die Notwendigkeit zu Kompromissen...
Alex Wurz: Natürlich, denn dies ist vielleicht der puristischste Teamsport im ganzen Rennsport. Jeder muss seinen Teil des Ganzen erfüllen: Die Fahrer müssen das Auto in einer guten Position, aber auch an einem Stück für ihre Teamkollegen zurückbringen, die Pitcrew muss ihre Arbeit ohne Fehler erledigen und muss uns ein Fahrzeug ohne Schwächen hinstellen, und das Team zu Hause in den Hallen muss immer am Ball bleiben, sowohl bei dem, was sie selbst innerhalb der Regeln für machbar erachten, als auch in Reaktion auf die Konkurrenz.

Und somit zurück zu Toyota, wieder in eine andere Ära. Der TS030 Hybrid war eines der am weitesten entwickelten Fahrzeuge dieses Planeten. Wie fühlt es sich an, wenn die Superkondensatoren einem den Kick verpassen? Und wie fühlt es sich im Vergleich zu den früheren Diesel-LMP1 an?
Alex Wurz: Ich muss zugeben, dass ich ein bisschen ‚old school‘ bin. Ich bin noch immer nicht glücklich, dass die Regelmacher die Leistung so signifikant nach 2010 reduziert haben. Damals hatten wir riesige Flügel und viel Leistung - etwa 900 PS im Peugeot - und Drehmoment ohne Ende! Genau das hat mich zu den Sportwagen geholt und ich hätte diese Regeln gerne noch immer. Aber genug geweint und über die alten Tage geschwärmt. Die Rundenzeiten sind noch immer da, obwohl die Leistung um etwa 200 PS zurückgefahren worden ist. Das liegt an der enormen technischen Entwicklung, und das Hybridsystem ist ein Teil davon.

Der Kick, den es einem gibt, ist sehr beeindruckend. Die ersten KERS-Systeme in der Formel 1 waren schwach; sie haben mehr Kopfschmerzen verursacht als sie Vorteile gegeben haben. Dann kommt man zum TS030 Hybrid und vom ersten Test mit dem Hybrid-Sportwagen an gab es diesen ‚Wow‘-Effekt. Dies ist das beeindruckendste Teil an dieser Maschine, es ist vollkommen in den Antriebsstrang integriert; wir können nicht fahren, ohne dass es funktioniert. Das macht dieses Fahrzeug so einzigartig. Es ist ein echter Hybrid und keine Mogelpackung wie man sie an anderen "Hybrid"-Fahrzeugen sieht, wie in der Formel 1, wo man das System abstellen kann und trotzdem weiterfährt.

Gute Erinnerungen an 2012

Es gab einige echte "Momente" in Le Mans in den letzten Jahren, wie 2012, als Toyota entgegen aller Erwartungen das Rennen sogar anführte. Hast du dir ausgerechnet, dass das passieren würde?
Alex Wurz: Wir waren besser und konstanter auf den Reifen, während Audi die Leistung ein wenig zurückschrauben musste, was ihre Rundenzeiten stark beeinträchtigt hat. Aber sie waren auf den Reifen noch immer nicht so konstant, so dass wir aufgeholt haben. Ich hatte einen guten Stint, dann fuhr Nicolas [Lapierre] ebenfalls einen guten und plötzlich waren wir da. Es war sehr cool, aber leider wussten wir auch, dass es nahezu eines Wunder bedürft hätte, das Rennen mit der kurzen Vorbereitungszeit zu Ende zu fahren; es war einfach nicht fertig entwickelt.

Dann gab es die letzten Rennen der Saison 2012, in denen Toyota Racing zum Rennsieger wurde...
Alex Wurz: Das war großartig, richtig cool. Wir sind nach Le Mans mit nur einem Auto angetreten. Wir hatten einfach zu wenige Ersatzteile. Alles ist mit sehr wenigen Ressourcen geschehen und ich denke, dass dies die Sache noch beeindruckender macht. Uns ist klar geworden, dass wir sehr konstant waren. Wir sind sehr schnell gewesen, mussten aber auch mehr Boxenstopps machen wegen der Sprit-Gleichwertigkeiten. Unsere Konstanz auf den Reifen war der Schlüssel. Je enger und winkliger eine Strecke ist, umso mehr kommt sie unserem agilen Fahrzeug entgegen. Audi herauszufordern und zu gewinnen war ein echter Knaller.