Grundsatzfrage: Du bist ja als Supertalent durch Formel ADAC und Formel 3 gestartet. Hast du am Anfang schon von der Formel-1-Karriere geträumt?
Stefan Mücke: Natürlich, am Anfang der Karriere hofft wahrscheinlich jeder Fahrer, einmal in der Formel 1 zu landen. Aber ganz realistisch: die Anzahl derjenigen, die es bis dorthin schaffen, ist gering. Das ist von vielen Dingen abhängig wie Sponsoren oder persönlichen Beziehungen. Von daher ist es kein Problem, wenn man schaut, dass man einen Weg in den professionellen Motorsports abseits der Formel 1 findet. Ich hatte beispielsweise in meiner Formel-3-Zeit schon einen Mercedes-Vertrag, durch den es ja dann auch in die DTM ging.

Wäre eine Saison in der GP2 nicht finanzierbar gewesen?
Stefan Mücke: Genau, das war in dem Moment einfach nicht möglich und daher war es gut, dass ich schon in der Formel 3 die Unterstützung von Mercedes hatte. Die fünf Jahre DTM sind deshalb auch keine schlechte Sache gewesen, die haben mir viel Erfahrung eingebracht und den Schritt in den professionellen Motorsport ermöglicht. Die DTM ist eine sehr hart umkämpfte Meisterschaft, wie wir alle wissen, und das hat mir viel Erfahrung gebracht. Man hat viel gelernt und von daher war es auf jeden Fall eine sehr interessante Erfahrung.

Schritt zu den Sportwagen nicht bereut

Warum hast du den Schritt zu den Sportwagen gemacht?
Stefan Mücke: Logischerweise sind die 24 Stunden von Le Mans eine sehr interessante Geschichte, auf die ich immer heiß war. Die DTM ist sehr national und ich wollte schon in den internationalen Motorsport gehen. Deshalb erfolgte der Schritt in den Langstreckensport und dann der Schritt zu Aston Martin. Ich bin ein Jahr FIA GT und LMS gefahren und habe im nächsten Jahr [2008] schon Unterstützung von Aston Martin Racing gehabt. Ich habe den Schritt auf keinen Fall bereut. Mein erstes Rennen in der FIA GT ist ja gleich ein Sieg gewesen.

Sind die GT-Serien auch fahrerisch interessant für jemanden, der Formelfahrzeuge gewohnt ist?
Stefan Mücke: Klar ist so ein GT-Auto nicht mit einem Formelfahrzeug oder DTM-Auto oder LMP vergleichbar. Natürlich will man als Fahrer immer die schnellsten Autos fahren, und so ein LMP1 kommt einem Formelauto schon sehr nahe und ist sicher auch nochmal ein Stück schneller als DTM. Der GT-Sport ist zwar etwas langsamer, aber trotzdem sind diese Fahrzeuge manchmal schwieriger zu fahren, weil du einfach mehr Bewegung im Auto hast und die Leistungsdichte enorm eng ist. Das beste Beispiel war das Rennen in Sao Paulo gewesen, wo wir stundenlang innerhalb von 1,5 Sekunden gewesen sind. Das zeigt, wie eng es da zur Sache geht. Du darfst dir keinen einzigen Fehler erlauben. Das ist die Herausforderung, und es macht Spaß, über sechs Stunden immer um Sekundenbruchteile zu kämpfen.

Ist es eine zusätzliche Motivation, dass dies jetzt eine Weltmeisterschaft ist?
Stefan Mücke: Es ist klasse, jetzt überall auf der Welt unterwegs zu sein und viele Länder kennenzulernen. Und noch besser ist es, dass es jetzt eine Weltmeisterschaft ist und nicht irgendetwas Nationales. Ein WM-Titel ist immer ein Gewinn.

Über den Tellerrand hinausschauen

Ist diese Serie weniger professionell als die DTM oder würdest du sie sogar darüber setzen?
Stefan Mücke: Die DTM ist natürlich ein ganz anderes Ambiente. Man kann es nicht miteinander vergleichen. Die DTM ist sicher von der Entwicklung her noch um einiges höher anzusiedeln, aber das gilt natürlich auch für die Kosten. Unsere GT-Autos stammen ja wenigstens noch zum Teil von den Serienautos ab, was bei den DTM-Fahrzeugen ja gar nicht mehr der Fall ist. Von daher kann man beide Klassen nicht miteinander vergleichen. Da kommt die DTM der Formel 1 oder den LMP1 schon etwas näher. Wenn man sich Toyota und Audi ansieht, das hat ja schon fast Formel-1-Niveau. Aber der GT-Sport ist doch nochmal etwas anderes. Es ist natürlich auch Werkssport, aber von den Kosten her deutlich niedriger anzusetzen als LMP1 oder DTM.

Schaust du denn in Richtung LMP1? Hast du da Ambitionen, zumal ja Porsche jetzt einsteigt?
Stefan Mücke: Natürlich schaut man auch mal über den Tellerrand hinaus, das ist ganz klar. Und es ist für jeden Fahrer irgendwo ein Traum, mal in Le Mans um den Gesamtsieg zu fahren, und das kann man ja leider nur im LMP1. Ich sage es mal so: Wenn sich etwas ergibt, werde ich sicherlich nicht nein sagen.

Mücke vertritt Aston Martin in vielen Serien wie der Blancpain Endurance Series, Foto: V-IMAGES.com/Fabre
Mücke vertritt Aston Martin in vielen Serien wie der Blancpain Endurance Series, Foto: V-IMAGES.com/Fabre

Aber eine Art Bewerbungsschreiben hast du bei Porsche nicht abgegeben?
Stefan Mücke: Ich bin ja seit langer Zeit bei Aston Martin unterwegs und habe ich mich dort gut eingelebt. Ich denke, ich habe einen ganz guten Stand hier. Aber logischerweise verfolgt man alle neuen Entwicklungen. Man sieht, dass neue Hersteller hinzukommen, und das macht die ganz Sache natürlich interessanter.

Immer unterwegs

Wie viele Rennen fährst du im Jahr? Du fährst ja nicht nur die WEC.
Stefan Mücke: Ehrlich gesagt habe ich es gar nicht nachgezählt. Ich glaube es werden knapp 30, denn manche Rennen sind Doppelveranstaltungen. Es ist schon eine ganze Menge mit WEC, den europäischen und asiatischen GT3-Rennen und der AsLMS. Man ist eigentlich jedes Wochenende irgendwo unterwegs. Aber es hält einen fit und macht natürlich auch jede Menge Spaß.

Hast du es im Nachhinein bereut, die 24 Stunden von Barcelona gefahren zu haben?
Stefan Mücke: So etwas weiß man natürlich nie im Vorfeld, aber so eine Seuche [ein Horror-Crash mit drei gebrochenen Rippen] kann halt immer mal passieren. Gerade wenn so viele Amateure mitfahren, kann so etwas schnell geschehen, das haben wir auf der Nordschleife genauso. Es kann jederzeit passieren, so etwas gehört zum Motorsport leider dazu.