Sich nicht in die Karten schauen zu lassen, ist im Motorsport gang und gäbe. Vor allem aber dort, wo es kostbare technische Entwicklungsarbeit vor neugieriger Konkurrenz zu schützen gilt. Ein klassischer Fall ist diesbezüglich Porsches neuer Le-Mans-Prototyp. Gänzlich abseits der Öffentlichkeit und vermummt bis zum Gehtnichtmehr wurde der Bolide in der vergangenen Woche das erste Mal über Asphalt geführt. Trotz des Versuchs, ja nichts preiszugeben, hat Motorsport-Magazin.com Interessantes zu dem neuen Renner herausfinden können.

Bei der Analyse der ersten, nicht gerade sehr unterschiedlichen Fotos fiel in erster Linie die löchrige Nase des Fahrzeugs auf. Die Ingenieure aus Weissach haben sich ganz offensichtlich für das Modell eines offenen Splitters (1) entschieden, einer Art Frontflügel ohne Flügel. Mit Hinblick auf die nun mehr oder minder finalisierten Regularien für die kommende Saison ein logischer Schritt. Experten sind der Meinung, dass derartige Splitter-Konstruktionen einen klaren Vorteil gegenüber den momentan gebräuchlichen Diffusor-Konzepten haben werden.

Hybridsystem vorne verbaut

Beim zweiten Hinsehen ist zudem ein besonders bemerkenswerter Karosserieschlitz (2) aufgefallen, und zwar ein Stückchen unterhalb des Porsche-Emblems. Sehr wahrscheinlich ist dies ein Lufteinlass zu Kühlungszwecken. Da der Motor aber im Heck zu finden ist, kann man davon auszugehen, dass es sich um das Hybridsystem des Wagens handelt, welches durch frischen Fahrtwind temperiert werden soll. Der baldige Wegfall einer Vorschrift, die besagt, dass Hybrideinheiten in der Front ihre geschaffene Zusatzleitung erst ab Tempo 120 abgeben dürfen, unterstützt diese Theorie.

Zwei weitere Einbuchtungen vorne sowie jeweils eine an den beiden hinteren Kotflügeln sind ganz offensichtlich zur Kühlung der Bremsen (3) vorgesehen. Sowohl die Audi- als auch die Toyota-Konstrukteure haben dies bei ihren aktuellen Modellen etwas anders gelöst. Selbst die bisher gezeigten Animationen der privaten LMP1-Autos für 2014 um Nicolas Perrin, Dome und Rebellion-Oreca zeigen in diesem Punkt keine solchermaßen simplen Lösungen.

Fuhr den Porsche beim Rollout: Timo Bernhard (rechts), Foto: Porsche
Fuhr den Porsche beim Rollout: Timo Bernhard (rechts), Foto: Porsche

Nennenswertes ist auch an der Cockpit-Kuppel des Stuttgarter Flitzers zu sehen. Komplizierte und eher langweilige Passagen in den Regelbüchern des Automobile Club de l´Ouest schreiben neue Abmessungen des Überrollbügels vor. Das Ergebnis der Interpretation Porsches: ein stufenförmiges Dach (4). Bis dato gilt ein solcher Dreh jedoch nicht als universell akzeptiert, zumindest "Mulsanne´s Corner" zufolge. Es könnte also durchaus sein, dass Porsche in diesem Bereich noch einmal wird Hand anlegen müssen. Dies zeigt jedenfalls, wie hoch das technische Niveau in der LMP1-Kategorie gegenwärtig ist.

Was das Herz des noch in Dazzle-Camouflage beklebten Porsches angeht, halten sich die Verantwortlichen ebenso bedeckt wie in puncto Heck. Wolfgang Hatz, Vorstand Forschung und Entwicklung im Hause Porsche, nüchtern und knapp gegenüber Motorsport-Magazin.com: "Für die Fotos habe ich die Frontansicht einfach attraktiver gefunden." Ob dies die ganze Wahrheit ist? Vermutlich, ja. Wir sind dennoch sehr gespannt auf die nächsten Probefahrten der neuen Nummer eins in Porsches Motorsportprogramm.