Mit vielen Fragezeichen startete die World Endurance Championship 2012 in ihre erste Saison. Würde die fragile Allianz zwischen ACO und FIA halten? Können die Rennen Spannung bieten oder wird es Seriensieger geben? Welche Auswirkungen würde der plötzliche Peugeot-Rückzug mit sich bringen? Und schließlich: Können sich die Teams die Überseerennen leisten? Nach einer Saison und der Starterliste für 2013 kann man festhalten: Die Sportwagen-Weltmeisterschaft ist auf dem richtigen Weg. ACO und FIA arbeiten aller früherer Differenzen zum Trotz Hand in Hand, die neue Starterliste umfasst 32 fest eingeschriebene Teams. Man kann sich auf die Schulter klopfen.

Für Sir Lindsay Owen-Jones ist das aber erst der Anfang: Der Vorsitzende die FIA Endurance Commission, bei der die Fäden in der Zusammenarbeit zwischen dem Automobilklub des Westens und der internationalen Motorsportbehörde zusammenlaufen, möchte mit dem 2014er-Reglement in eine Lücke stoßen, die durch weltweit immer striktere Reglements aufgestoßen wurde. Die technische Arbeitsgruppe, an der auch der Ex-Technikchef von Williams in der Formel 1, Patrick Head, mitarbeitet, ist längst im kommenden Jahr: "Die Technik-Leute sind längst im Jahr 2014", sagt Owen-Jones gegenüber Daily Sportscar.

Der frühere Vorstandsvorsitzende des L'Oreal-Konzerns und begeisterte Motorsportler fährt fort: "Sie stopfen nun alle Schlupflöcher, klären all die kleinen Fragen, die auftreten, wenn Leute in solche Projekte involviert sind, all diese kleinen Dinge, die geklärt und besser definiert werden müssen." 2012 nutzte Toyota beispielsweise ein Schlupfloch im Reglement aus, um den Heckflügel zu verbreitern. Owen Jones erklärt weiter, dass auch auf sportlicher Seite noch viel Detailarbeit anstehe, zum Beispiel gebe es noch einige offene Fragen beim Einsatz des Safety Cars. "Sie arbeiten daran und sorgen für alles, angefangen bei guten Rennen bis hin zu Initiativen zur Kostensenkung."

Technischer Fortschritt als Herz des Langstreckensports

Technischen Fortschritt fördern..., Foto: Toyota
Technischen Fortschritt fördern..., Foto: Toyota

Die neuen Regeln bringen eine Revolution mit sich: Erstmals seit der Ära der Gruppe C ist das Motorenkonzept völlig frei wählbar, doch die Energiemenge wird begrenzt. "Ich denke, dass dies absolut lebenswichtig für den Langstreckensport ist, denn dies sind die Gene des Endurance Racings. Dies war immer die Disziplin im Motorsport, in der der technische Fortschritt am deutlichsten zu sehen war. Sachen wie die Scheibenbremsen in den 50ern oder Audi mit den Dieselmotoren - diese Dinge veränderten die Art und Weise, wie wir den Motorsport betrachten."

Heute stehe der Motorsport vor einem Problem: "Jeder sieht, dass es eine Krise in der Weltwirtschaft gibt, aber im Motorsport gibt es eine andere Krise, eine moralische Krise: Während die Regelmacher rund um die Welt den Herstellern immer größere Restriktionen vorgeben, haben wir ein reales Risiko, dass der Motorsport für eine große Zahl von Autoherstellern irrelevant werden könnte. Ich denke, es ist sowohl ein Risiko als auch eine Gelegenheit für den Langstreckensport, zu sagen: 'Hey, wir sind relevant!'" Der Langstreckensport sei die einzige Disziplin im Motorsport, in der nicht bloß natürliche Ressourcen für eine gute Show verschwendet werden, findet er klare Worte.

...und die Privaten nicht vergessen, Foto: Eduard Einberger
...und die Privaten nicht vergessen, Foto: Eduard Einberger

Spriteffizienz solle nicht bloß als Alibi gelten: "Im Langstreckensport ist die Spriteffizienz ein großes Plus. Es ist nicht bloß ein gewisses Gadget, um uns modisch darzustellen. Es ist ein realer Vorteil, die Regeln bauen darauf auf. Wir liefern einen großen Freiraum bei der Wahl des Motors und sind der Energierückgewinnung in weit größerem Stil als je zuvor gegenüber aufgeschlossen." Natürlich könne er nicht sagen, wie gut das Reglement ist, bevor es im Einsatz war. Doch die bisherigen Reaktionen sowohl von der Fachpresse als auch den Konstrukteuren seien durchweg positiv gewesen.

Der Spagat zwischen Werken und Amateuren

Bei allen kostenintensiven Technologien sollen aber auch die Privatiers nicht zu kurz kommen. Owen-Jones kann hier auf eigene Erfahrung zurückblicken, schließlich trat er zwischen 1994 und 1996 dreimal in Le Mans an. "Wir haben zwei Klassen, die sich speziell an Privatteams richten. Die LMP2 ist eine sehr gesunde, lebhafte und umkämpfte Klasse. Was wir hier für die Zukunft getan haben, ist, ein Klasse nur für Privatteams mit niedrigem Fahrzeuggewicht und ohne Hybridantrieb bereitzustellen." Über die Zeit habe sich gezeigt, dass Privatteams in der LMP1 nicht um Siege kämpfen können, wenn nicht bei den Werksteams etwas schief laufe.

"Der andere Teil der Antwort ist die LMGTE Am und ich bin froh, dass diese sich gut entwickelt. Von unseren vier Klassen richten sich zwei ausdrücklich an Privatteams. Aus dem Feedback, das wir bekommen, lässt sich schließen, dass diese Teams in einer akzeptablen Situation sind, Sponsoren zu finden und weiter zu machen", zeigt sich der einst als bester Manager Europas ausgezeichnete Engländer froh über den gelungenen Spagat zwischen Werken und Privatteams.

Zunächst steht aber noch die Saison 2013 auf dem Programm. Das Starterfeld ist noch einmal gewachsen und zwei Werke stehen sich im Kampf um die LMP1-Krone gegenüber: "Auf dem Papier haben wir die besten Voraussetzungen für eine der besten Saisons im Langstreckensport seit Jahren und das ist sehr, sehr aufregend. Das letzte Jahr ging wunderbar zu Ende und jetzt sollten wir einen starken Wettbewerb über die gesamte Saison hinweg haben. Wir können es kaum abwarten, zu sehen, wie alles in Silverstone startet, wenn die Fahrer um die Royal Automobile Tourist Trophy kämpfen!"