Ihr seid 2010 zu Audi gekommen, haben zwei Mal Le Mans gewonnen und sind nun Weltmeister. Das war offenbar keine ganz falsche Karriere-Entscheidung...
Marcel Fässler: Es ist eine Ehre für mich, für Audi fahren zu dürfen. Darauf habe ich immer gehofft. Als es so weit war, habe ich mit meinen Teamkollegen von Anfang an Erfolg gehabt - erst in Le Mans und jetzt auch in der Weltmeisterschaft. Ich bin stolz darauf, ein Audi-Werksfahrer zu sein.

André Lotterer: Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Möglichkeit bekommen habe. Ich war auch lange in Japan unterwegs - und da ist es schwer, nach Europa zurückzukehren. Die Zeit mit Audi ist ein Riesenschritt in meiner Karriere. Ich habe niemals damit gerechnet, so schnell erfolgreich zu sein und zwei Siege in Le Mans zu feiern.

Benoît Tréluyer: Nachdem ich einen großen Teil meiner Karriere in Japan verbracht hatte, wollte ich nach Europa zurückkehren und dort Langstrecken-Rennsport betreiben. Das wollte ich mit einem Spitzenteam tun. Ich hatte das Glück, zu Audi zu kommen. Eine bessere Entscheidung hätte ich nicht fällen können.

Trotz eures Sieges in Le Mans übernahmen Tom Kristensen und Allan McNish - Ihre späteren Titelgegner - dort die Tabellenführung. Wie habt ihr eure Aufholjagd erlebt, die erst beim Finale zum WM-Titel führte?
Marcel Fässler: Wir haben einfach versucht, Rennen für Rennen das Beste zu geben. Wir waren immer konkurrenzfähig und vorn dabei. Als wir die Führung einmal hatten, wollten wir sie natürlich nicht mehr abgeben.

André Lotterer: Bei so gleichwertigen Konkurrenten darf man sich keinen Fehler erlauben und kann nur Stück für Stück aufholen.

Erfolgreiches Trio, Foto: Audi
Erfolgreiches Trio, Foto: Audi

Benoît Tréluyer: In Sebring und in Spa sind uns nicht die besten Ergebnisse gelungen. Da gingen uns wertvolle Punkte verloren. Dafür lief es in Le Mans umso besser. Nach dem Sieg haben wir uns überlegt, wie wir die weitere Meisterschaft angehen. Wir hatten einen deutlichen Rückstand, aber wir haben gut gearbeitet. Und wir haben immer alles gegeben. Uns gelangen gute Rennen und wir haben nur wenige Fehler gemacht. Wir mussten immer ins Ziel kommen und möglichst weit oben auf dem Podium stehen. Und das ist uns gelungen.

Ihr habt in diesem Jahr drei Erfolge in der WEC gefeiert. Welcher Sieg wird in Erinnerung bleiben?
Marcel Fässler: Natürlich strahlt der Erfolg in Le Mans ein bisschen heller. Aber jeder Sieg ist einzigartig, deshalb ist es schwer, einen herauszustellen.

André Lotterer: Le Mans. Es war ein echter und harter Kampf bis ins Ziel gegen unser Schwesterauto. Das war ein großer Spaß, aber natürlich auch sehr intensiv.

Benoît Tréluyer: Gewiss war Le Mans der schönste Erfolg. Bahrain habe ich als sehr angenehme Überraschung empfunden. Bei dem Rennen herrschte eine gute Atmosphäre. Emotional war auch Fuji ein sehr prägendes und generell gutes Wochenende, auch wenn wir enttäuscht waren, nicht gewonnen zu haben.

In diesem Jahr gab es viele Strecken im Kalender, die neu für euch waren. Hat es eine gleich in eure persönliche Favoritenliste geschafft?
Marcel Fässler: Jede Strecke hatte etwas Faszinierendes. Mir hat Brasilien toll gefallen: Es ist ein Traditionskurs mit so vielen Erinnerungen an bedeutende Rennen. Als Land hat mich Japan tief beeindruckt: die Freundlichkeit und das gegenseitige Wertschätzen waren schöne Erfahrungen.

André Lotterer: Ich lebe seit neun Jahren in Japan und liebe das Land - deshalb habe ich mich sehr gefreut, dass Fuji im Kalender war. Mit den vielen Fans war es fast ein Heimrennen für mich. Ansonsten waren Sebring, Spa und Le Mans meine Highlights.

Benoît Tréluyer: Silverstone war eine faszinierende Erfahrung für mich. Auch Brasilien war klasse, obwohl die Bodenhaftung auf dieser Strecke nicht die beste war. Ich mag klassische Strecken lieber als moderne und interessiere mich auch für die damit verbundene Geschichte.

Was war das härteste Rennen der Saison?
Marcel Fässler: Ganz klar die 24 Stunden von Le Mans. Der Druck bei diesem Rennen ist einfach enorm groß, man darf keinen Fehler machen. Nach meinem Dreher wollte ich deshalb unbedingt alles richtig machen - das war psychisch extrem anstrengend.

André Lotterer: Für mich war es Bahrain wegen der großen Hitze draußen und im Cockpit - vor allem während meines Doppelstints. Das war mental und physisch das Härteste, was ich bisher im Motorsport erlebt habe.

Benoît Tréluyer: Ich habe Fuji physisch und psychisch als das härteste Rennen empfunden. Von Anfang bis Ende mussten wir attackieren. Im Verkehr war das sehr hart und verlangte volle Konzentration. Und im letzten Streckenteil war es für uns schwierig, weil unser Hybrid-System erst oberhalb von 120 km/h zum Vortrieb genutzt werden darf. Auch die Abstimmung für drei ganz unterschiedliche Streckensektoren war sehr schwierig.

Zuletzt fuhr Toyota auf Augenhöhe, Foto: Audi
Zuletzt fuhr Toyota auf Augenhöhe, Foto: Audi

Toyota war ein starker Herausforderer. War die zweite Saisonhälfte härter als erwartet?
Marcel Fässler: Wir haben schon in Le Mans gesehen, welche Pace Toyota hat. Dort hat noch die Standfestigkeit gefehlt, aber wir wussten, dass es ein ernst zu nehmender Gegner ist. Sie haben uns mehr als einmal geärgert, deshalb dürfen wir uns nicht auf unseren Erfolgen ausruhen.

André Lotterer: Toyota und Audi haben unterschiedliche Konzepte, von denen jeder auf seine Weise profitiert. Wir haben mit unserem e-tron quattro eine sehr hohe Effizienz, die Konkurrenz war dafür hier und da schneller. Toyota hat viel Erfahrung im Motorsport, deshalb hat es mich nicht gewundert, einen so harten Gegner zu haben.

Benoît Tréluyer: Ich habe Respekt vor dem, was Toyota erreicht hat. Wir starten mit unterschiedlichen Technologien. Unser Auto ist besonders in schnellen Kurven extrem gut. In der zweiten Saisonhälfte gab es viele Kurse mit sehr engen Kurven wie in Bahrain oder Schanghai, die unserem Konzept nicht so entgegenkommen. Dafür haben wir mit dem R18 e-tron quattro ein besonders effizientes Auto. Deshalb haben beide Konzepte oft bis zum Ende eines Rennens um den Sieg gekämpft.

Nach Le Mans habt ihr euch dafür eingesetzt, als Trio weiterzufahren. Hat sich das ausgezahlt?
Marcel Fässler: Ich bin Dr. Ullrich dankbar, dass er uns allen dreien die Möglichkeit gegeben hat, Weltmeister zu werden. Wir wussten, dass wir zu dritt mehr Kompromisse eingehen müssen als Konkurrenten mit nur zwei Fahrern. Aber wir sind ein Team und hatten alle den WM-Titel als großes Ziel.

André Lotterer: Wir sind eine tolle Truppe und haben immer viel Spaß, wenn wir zusammen unterwegs sind. Ich fand es cool, dass wir zusammenbleiben durften. Auch wenn es Nachteile hat: Das Gefühl, die Erfolge zu dritt teilen zu dürfen, entschädigt für alles.

Benoît Tréluyer: Es war auf jeden Fall die richtige Entscheidung, auch wenn es nicht immer in jedem Bereich ein Vorteil ist, zu dritt zu sein. In den Freien Trainings verliert man individuelle Fahrzeit, wenn die verfügbare Zeit fair auf alle drei Fahrer verteilt wird. Und gerade in der zweiten Saisonhälfte waren uns viele Strecken neu. Aber wir sind unserem Teamspirit treu geblieben. Auf Strecken wie Bahrain war es ein Vorteil, denn es war im Rennen unglaublich heiß und wir konnten zwischen drei Fahrern wechseln und uns länger erholen.