Es gibt in der Karriere eines manchen Sportlers Schlüsselerlebnisse, die über den weiteren Ausgang der Laufbahn mitentscheiden. Knappe oder unerwartete Siege, die urplötzlich eine Lawine an Erfolg losbrechen. Verletzungen und moralisch vernichtende Niederlagen, die einen Betroffenen für immer zurückwerfen können - oder gestärkt daraus hervorgehen lassen.

Das Jahr 2012 war für Tom Sykes ein ebensolches Jahr. Ein negatives Schlüsselerlebnis, an dem er genauso gut hätte zerbrechen können, das in seinem Fall jedoch ein gutes Ende nahm. Durch den Titelgewinn 2013 krönte Sykes nun nicht nur seine Zweirad-Karriere, sondern vertrieb vor allem die bösen Geister der Vorsaison, als er mit gerade einmal einem halben Punkt Rückstand auf den Weltmeister Max Biaggi WM-Zweiter wurde.

Frühere Karrierestationen

Der am 19. August 1985 im englischen Huddersfield geborene Sykes begann seine offizielle Zweiradkarriere 2003 im Alter von gerade einmal 17 Jahren in der britischen Supersport Meisterschaft. Nach Gesamtrang acht in der ersten Saison wurde Sykes in den folgenden beiden Jahren Fünfter und Sechster der hartumkämpften Serie. Sein Durchbruch gelang ihm jedoch erst im Jahr 2006, als er hinter dem heutigen MotoGP-Pilot Cal Crutchlow als Meisterschaftszweiter von sich Reden machte.

Angetan von Sykes' konstant guten Leistungen in der Supersport-Meisterschaft 2006, verpflichtete das Vent-Axia Honda-Team aus der englischen Superbike-Meisterschaft den Emporkömmling für die Saison 2007. In zwanzig Rennen sah Sykes 18 Mal die Zielflagge und wurde nach zwei Podiumsplatzierungen und zwei weiteren vierten Rängen Gesamtsechster der höchsten britischen Zweirad-Meisterschaft.

Erster Kontakt mit der MotoGP 2007

Nach nur einem Jahr bei Honda wechselte Sykes innerhalb der Meisterschaft zum Team Rizla Suzuki, für das er ein äußerst erfolgreiches Jahr absolvierte. Einen zweiten und zwei dritte Ränge zu Saisonbeginn toppte er mit drei Siegen in Serie in Oulton Park und Knockhill, und war ab diesem Zeitpunkt bis zum Saisonende Stammgast auf den Podesten der Superbike-Rennen. Das zweite Jahr in der Serie beendete Sykes als Gesamtvierter mit 316 Punkten, lediglich zwei Zähler hinter "Erzfeind" Cal Crutchlow.

Doch nicht nur in der britischen Superbike-Szene ließ Sykes aufhorchen: So saß er bereits kurze Zeit nach seinem Wechsel zu Suzuki auf der MotoGP-Maschine des japanischen Herstellers, um mit seiner Testarbeit wichtige Datenanalysen für das Suzuki-Team in der Königsklasse des Zweiradsports zu sammeln.

World Superbike Premiere 2008

Nur ein Jahr später gab Sykes im Alter von 23 Jahren sein Debut in der internationalen Superbike-Szene, wenn auch nur als Wildcard-Pilot. Direkt bei seinem ersten Rennen in Brands Hatch qualifizierte sich der junge Lokalmatador als Sechster. Nach einem unglücklichen, technisch bedingten Ausfall im ersten Rennen, sah Sykes in Lauf zwei als sensationeller Siebter die Zielflagge. Als Sykes beim nächsten Superbike-Lauf im Donington-Park als Wildcard-Starter Zweiter wurde, schien eine große Karriere vorgezeichnet.

Der Durchbruch ließ allerdings auf sich warten: In seiner ersten kompletten Superbike-Saison mit Yamaha wurde er WM-Neunter und erreichte keine einzige Podiumsplatzierung. Im folgenden Jahr erreichte Sykes auf einer Kawasaki lediglich WM-Rang vierzehn und stand erneut kein einziges Mal auf dem Treppchen. Trotz seines ersten Sieges in der Superbike im Jahr 2011 am Nürburgring beendete Sykes das Jahr lediglich als WM-Dreizehnter mit unglaublichen 364 Punkten Rückstand auf Weltmeister Carlos Checa. Das mit großen Vorschusslorbeeren bedachte Ex-Talent schien gescheitert.

Bittere Niederlage im Herzschlagfinale 2012

Nur wenige Monate nach dem Karriere-Tiefpunkt sollte für Sykes allerdings der raketenhafte Aufstieg in die Spitze der Superbike-Riege beginnen. Mit einer stark verbesserten Kawasaki und durch den Misserfolg gereift, erwies er sich von Saisonbeginn an konkurrenzfähig und schickte sich sogar an, nach dem WM-Titel zu greifen ...

Nachdem sich Marco Melandri, Max Biaggi und Tom Sykes bereits über die komplette Saison einen haarsträubenden Dreikampf an der Spitze der Superbike-Weltmeisterschaft geliefert hatten, schien sich Melandri drei Runden vor Schluss einen kleinen aber möglicherweise entscheidenden Vorsprung gegenüber den beiden Kontrahenten herausgefahren zu haben. Mit 15,5 Punkten Vorsprung auf Biaggi und 31 Punkten Vorsprung vor Sykes ging es an den Nürburgring zum sechst- und fünftletzten Rennen.

Dass in der Superbike alles möglich ist, zeigten die unglaublichen Geschehnisse der folgenden Rennen. Melandri fuhr durch Stürze und technische Defekte bedingt nur noch einmal in die Punkte - Platz zwei beim vorletzten Rennen des Saisonfinales in Magny-Cours, und verabschiedete sich krachend aus dem Meisterschaftskampf. Die Tür stand offen für den Zweikampf Biaggi gegen Sykes.

Mit seinem Triumph beim viertletzten Saisonrennen in Portimao verkürzte Sykes, der Biaggi bereits seit Wochen überlegen schien, den Rückstand auf den Italiener auf gerade einmal 14,5 Punkte. Eine dramatische Wende und der größte Erfolg in Sykes' Karriere lagen greifbar nahe. Jedoch suchte ihn das Pech im darauffolgenden Rennen heim - Sykes blieb ohne Punkte, Melandri wurde Dritter und die WM schien bei 30,5 Punkten Rückstand vor den letzten beiden Rennen entschieden.

Das hochdramatische Finale in Magny-Cours hatte jedoch noch einmal eine Wendung parat. Nach Platz drei für Sykes und einer Nullnummer Biaggis stand der Vorsprung des Italieners vor dem letzten Rennen erneut bei 14,5 Punkten - die Ausgangslage war klar: Bei einem Sieg Sykes' dürfte der Italiener maximal Sechster werden, wollte der Brite triumphieren. In einem hochdramatischen Rennen siegte Sykes denkbar knapp, jedoch wurde Biaggi Fünfter und sicherte sich mit gerade einmal einem halben Punkt Vorsprung den WM-Titel.

Die Triumphfahrt 2013

Mit insgesamt neun Siegen und 18 Podien erwies sich Tom Sykes als der Dominator der Superbike-WM 2013 und bewies wie bereits im Vorjahr, dass er den Charakter besitzt, aus großen Rückschlägen gestärkt hervorzugehen. Allerdings begann die Saison äußerst verhalten. Im vierten Saisonrennen in Aragon gelang dem Kawasaki-Pilot mit Rang drei sein erster Podestplatz. Zudem lag Sykes zu diesem Zeitpunkt mit bereits 47 Punkten Rückstand auf WM-Rivale Sylvain Guintoli lediglich auf Gesamtrang sechs.

Besagtes Podium entpuppte sich jedoch als Katalysator und startete eine Serie von starken Ergebnissen Sykes'. So holte er sich bei der nächsten Runde in Assen den ersten Saisonsieg und sah im zweiten Rennen als Zweiter die Zielflagge. In Monza folgten ein zweiter und ein dritter Rang, bevor Sykes bei seinem ersten Heim-Rennwochenende im englischen Donington gar einen Doppelsieg einfuhr.

Kurz vor der Saisonhälfte sah die WM-Welt für Sykes nach sieben Podestplätzen in Folge bereits deutlich rosiger aus. Denn mit Gesamtrang zwei und nur noch 28 Punkten Rückstand auf Guintoli keimten Hoffnung und Glaube an den großen Wurf stetig weiter. Nach einem weiteren Podium in Portimao gelang dem Kawasaki-Racer in San Marino bereits zum zweiten Mal in der laufenden Saison ein Doppelerfolg, der ihn in der Gesamtwertung bis auf magere vier Pünktchen an Guintoli heranbrachte.

Durch seine vierzehn Gesamtzähler beim zweiten Heimspiel in Silverstone übernahm Sykes nach 20 von 28 Saisonrennen mit 287:286 Punkten gegenüber Guintoli schließlich erstmals die Führung in der WM-Wertung. Ein spannendes Saisonfinale lag in der Luft, das möglicherweise sogar noch die Herzschlagentscheidung des Vorjahres toppen könnte. Vier Siege in den folgenden sechs Rennen, inklusive des dritten Doppelpacks, ließen die einstmals knappe Konstellation allerdings schnell im Winde verwehen.

Faktisch verhinderte nur enormes Pech Sykes' vorzeitige Krönung zum Weltmeister beim vorletzten Lauf in Magny-Cours: Nach einem Doppelsturz der Verfolger Eugene Laverty und Sylvain Guintoli auf regennasser Strecke gut eine Runde vor dem Ende wurde das Rennen abgebrochen - beide behielten ihre Punkte für die Ränge zwei und drei. Trotz dieses Ärgernisses blieb Sykes von einem erneuten Schicksalsschlag verschont und schrieb sich nach Rang drei im vorletzten Rennen in Jerez auch ohne Schlüsselmoment in die Superbike-Analen ein...