Max Biaggi ist nicht nur auf der Rennstrecke für Überraschungen gut. Am Dienstag erklärte der Italiener mit den Worten, "Ich habe diesen Platz ausgesucht, weil hier alles begann und hier alles endet", in Vallelunga aus heiterem Himmel seinen Rücktritt.

"Ich bin gelassen, weil es eine bewusste und keine erzwungene Entscheidung war. Meine Familie hat eine entscheidende Rolle bei der Entscheidung gespielt. Ich habe erkannt, wie viele Stunden ich meinen Kindern und meinem Umfeld genommen habe. Es ist an der Zeit, ihnen jetzt den Raum zu geben", sagte Biaggi, der zu den populärsten und schillerndsten Persönlichkeiten der Szene gehört und an einer Fortsetzung seines Engagements bei Aprilia nach dem diesjährigen glücklichen Superbike-Titelgewinn gegen Tom Sykes kaum Zweifel gelassen hatte.

"Ich habe nicht eine Sekunde daran gedacht, aufzuhören", hatte der Italiener verlauten lassen - allerdings klar gemacht, dass es für ihn nur eine Zukunft bei Aprilia gibt. Das verwunderte wenig, schließlich hat der Italiener als erfolgreichster Aprilia-Pilot aller Zeiten Geschichte geschrieben und bewiesen, dass die Verbindung passt. "Ich würde meine Karriere gerne bei ihnen beenden. Es ist der gegenseitige Respekt und die Zuneigung füreinander, die mich hier halten. Die vier gemeinsamen WM-Titel rücken nicht so schnell in Vergessenheit", sagte Biaggi im Sommer der Gazzetta dello Sport.

Entwicklung deutete auf Fortsetzung hin

Die Weichen für eine weitere Zusammenarbeit schienen gestellt zu sein. Durch seine Teilnahme an den Testfahrten in Magny-Cours nach dem letzten Saisonlauf sowie den Äußerungen zum aktuellen Verhandlungsstand unterstrich Biaggi zuletzt sein Vorhaben 'Karrierefortsetzung'.

"Ich habe nicht aus körperlichen Gründen oder wegen der Konkurrenzfähigkeit des Bikes aufgehört. Ich habe einen Vertrag mit Aprilia aufgegeben, der identisch zum diesjährigen gewesen wäre", machte der Italiener bei der Pressekonferenz klar. Er sei nicht so wie manche Politiker, die an ihrem Amt kleben würden. "Es ist einfach nur fair meinen Platz freizumachen, um jungen Leuten eine Chance zu geben", sagte Biaggi, der seit 1991 den internationalen Motorradrennsport prägte und bereits 1994 den ersten WM-Erfolg auf der Aprilia bejubeln konnte.

Max Biaggi und Valentino Rossi lieferten sich heiße Duelle, Foto: xpb.cc
Max Biaggi und Valentino Rossi lieferten sich heiße Duelle, Foto: xpb.cc

Bis 1997 ließ der charismatische Römer drei weitere Titel folgen. Auch in den folgenden Jahren mischte er in der 500cc-Klasse und in der späteren MotoGP vorn mit, musste sich allerdings mehrfach knapp geschlagen geben. Seit 2000 waren es vor allem die Duelle mit Biaggis härtestem Rivalen Valentino Rossi, die auf und neben der Strecke für zahlreiche Aufreger in der GP-Welt sorgten.

Besonders in Erinnerung geblieben ist den Motorsport-Fans dabei das Rennen von Suzuka, bei dem Biaggi seinen Rivalen Rossi bei Topspeed auf der Start- und Zielgeraden von der Strecke gedrängt hatte und dafür kurz darauf den ausgestreckten Rossi-Mittelfinger sah. Wenige Wochen später lieferten sich die beiden Landsleute zwischen Rennende und Siegehrung in Barcelona einen Schlagabtausch, der für Biaggi mit einer lädierten Nase endete und bis zum letzten Auftritt des Römers in der Königsklasse weitere Neuauflagen finden sollte.

Ende 2005 war das Kapitel MotoGP und damit auch der Zwist mit Rossi für Biaggi beendet. Schon während der Saison hatte der Italiener mehrfach öffentlich die Werks-Honda kritisiert. Wenig überraschend wurde sein Vertrag nach Rang fünf in der Gesamtwertung daher nicht verlängert. Trotz großer Sponsorenunterstützung fand Biaggi für die Saison 2006 weder in der MotoGP, noch in der Superbike-Weltmeisterschaft einen Platz.

Nach einem Jahr Pause ging er mit dem Alstare Suzuki Corona Extra-Team an den Start und konnte am Saisonende mit 17 Podestplatzierungen eine starke Bilanz und Gesamtrang drei bejubeln. Einem durchwachsenen Jahr beim Privatteam Sterilgarda Go Eleven und Platz sieben am Saisonende folgte die Rückkehr zu Aprilia. "Ich erinnere mich auch an 2009, als sie mich fragten, ob ich für Aprilia entwickeln und fahren will. Die RSV war komplett neu und der Enthusiasmus groß. Wir haben nie erwartet, in nur zwei Jahren den WM-Titel holen zu können", kommentierte der Vater zweier Töchter die Entwicklung von Aprilia, die nach siebenjähriger Abstinenz wieder die Herausforderung Superbike-Weltmeisterschaft angegangen waren.

Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt

Bei seinem ersten Titel für den italienischen Hersteller im Jahr 2010 konnte der Bestverdiener seiner Klasse bereits zwei Rennen vor dem Saisonende alles klar machen und mit zehn Erfolgen den Gesamtsieg bejubeln. In Magny-Cours sicherte sich Biaggi in diesem Jahr zum zweiten Mal in seiner Karriere mit 0,5 Zählern Vorsprung in einem wahren Herzschlagfinale den Superbike-Titel. Die Zurückeroberung des WM-Titels erschien für Biaggi nach dem durchwachsenen Jahr 2011, welches er nach einem Fußbruch noch als Dritter beendete, wie eine Genugtuung, die augenscheinlich genau zum richtigen Zeitpunkt kam.

Biaggi, der neben starken Leistungen auf der Strecke vielfach mit Diva-Allüren glänzte, hat mit diese Entscheidung eine ganz neue Seite von sich präsentiert. Mit 41 Jahren stellt der Italiener jetzt nicht mehr seinen Spaß und seine Leidenschaft am Rennsport in den Mittelpunkt, sondern orientiert sich im Sinne seiner Familie neu. Als amtierender Weltmeister hat der Italiener nun alle Möglichkeiten, sich neuen Herausforderungen zu stellen. Der Zeitpunkt hätte besser nicht gewählt werden können und spricht eindeutig für Biaggi, der sich mit dem Abgang nach einem Höhepunkt in jedem Fall einen Platz in der Historie unter dem Stichwort "Legende" sichert - egal, ob er vielleicht doch in einer Managerposition auf die Bildfläche zurückkehrt.