Die MotoGP und die Superbike-Weltmeisterschaft unter dem Dach des Vermarkters Dorna - diese Ankündigung hatte besonders im WSBK-Fahrerlager für einen Aufschrei und schlechte Stimmung gesorgt. Seinen Anteil daran hat auch Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta, der in der Öffentlichkeit die Superbike-Weltmeisterschaft nur selten mit einem guten Wort bedacht und die klare Vormachtstellung der MotoGP als Königsklasse untermauert hat.

Nun, wo beide Klassen durch den Einsatz der Firma Bridgepoint unter einer Leitung agieren, stellt sich die Frage, welche Veränderungen auf die Superbike-Weltmeisterschaft zukommen werden - und vor allem: Hat die Dorna mit der MotoGP in Zeiten der Einführung von CRTs und Einheits-Elektronik nicht eigentlich selbst genug Aufgaben zu lösen, bevor Ratschläge erteilt werden können?

Die Angst vor tiefgreifenden Veränderungen in der Superbike-Weltmeisterschaft ist durchaus berechtigt: Schließlich hatte sich die WSBK in der Vergangenheit gegen durch die FIM vorgeschlagene Entwicklungseinschränkungen zur Vereinheitlichung der Klassen gewehrt und somit die sechs verschiedenen Hersteller bei Laune gehalten. Da es für Teams ohne Werksunterstützung immer schwerer ist, in der WSBK zu überleben, erscheint es umso wichtiger, die gute Stimmung in der seriennahen Klasse aufrecht zu erhalten.

Wird Infront Motor Sports-CEO Paolo Flammini auch künftig noch eine Position erfüllen?, Foto: WorldSBK
Wird Infront Motor Sports-CEO Paolo Flammini auch künftig noch eine Position erfüllen?, Foto: WorldSBK

Die Zusammenführung der Vermarktung scheint für die Dorna genau zum richtigen Zeitpunkt zu kommen. Denn es gibt einige WSBK-Entscheidungen, die bei der Dorna alles andere als positiv betrachtet werden. Beispielsweise die Tatsache, dass Infront-Chef Paolo Flammini die Rechte zur Durchführung eines Laufes auf dem Buddh International Circuit in Indien für 2013 zu einem Schnäppchenpreis verkauft und somit der Dorna die Chance auf die Austragung eines MotoGP-Rennens zum gewünschten Termin genommen hat. Ezpeleta hatte sich durch die Öffnung eines neuen Marktes erhofft, die Hersteller, die 2014 mit der Einführung einer einheitlichen elektronischen Steuereinheit konfrontiert werden, zumindest in Ansätzen mit guten Marketingmöglichkeiten besänftigen zu können.

Die angekündigte MotoGP-Veränderung gilt besonders in Honda-Kreisen als Schreckgespenst. Dass HRC ab der Saison 2013 auch das Superbike-Team Ten Kate Honda mit Motoren, Chassis-Neuerungen und Elektronik ausrüsten wird, kann bereits als Zeichen der Abkehr von HRC gegenüber der Dorna verstanden werden. Nicht ohne Grund sehen viele Kritiker den künftigen Einsatz des Vermarkters Dorna auch als Möglichkeit, den Herstellern in Zukunft die Alternativen zu nehmen - Motto: Friss oder stirb. Immer häufiger wird daher aktuell auch die britische Meisterschaft BSB als ein Beispiel für feste Regeln und Vorschriften, allerdings auch als Synonym für die Freiheit der Sports - beispielsweise durch ein Minimum an Elektronik - angeführt.

Nachholbedarf in der Vermarktung

Doch worin liegen die Stärken und Schwächen der WSBK? Die Reifenausrüstung durch Pirelli ermöglicht es den Fahrern im Gegensatz zur MotoGP-Variante von Bridgestone eine echte Show abzuliefern. Auch das Superpole-Format hat sich etabliert und verspricht mit den verschiedenen Sessions und besonders den beiden Rennen am Sonntag Spannung für die Motorsport-Fans - genau der Punkt, nach dem Ezepelta für die MotoGP sucht. Als einziger Schwachpunkt der Superbike-Weltmeisterschaft bleibt die schlechte Vermarktung zu nennen. Aktuell laufende TV-Verträge haben es in der Vergangenheit unmöglich gemacht, verschiedene Internetkanäle mit Streams zu versorgen. Mit einer besseren Abdeckung in den genannten Medienbereichen und somit auch einer Übertragung in Länder, in denen die Rennen aus vertraglichen Gründen nicht live übertragen werden, würde das Interesse an der WSBK international wachsen.

Apropos Nähe: Auch in diesem Punkt kann die Superbike-Weltmeisterschaft einen Vorteil vorweisen. Im Gegensatz zur MotoGP werden Tickets - auch für das Fahrerlager - zu fairen Preisen verkauft. Fans, Fahrer und Teams kommen so in engeren Kontakt und vermitteln den Eindruck einer großen Familie, in der Rivalität nur auf der Rennstrecke gelebt wird. Die MotoGP generiert gerade im Paddock-Bereich sicher bedeutend mehr Geld, aber baut auf diesem Weg auch eine große Distanz zwischen allen Beteiligten auf, die aus rein sportlicher Sicht fraglich erscheint.

Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta ist für seine ausgetüfftelten Pläne bekannt, Foto: Milagro
Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta ist für seine ausgetüfftelten Pläne bekannt, Foto: Milagro

So oder so scheint es der einzig logische Weg für die Dorna zu sein, die WSBK in ihrer Form bestehen zu lassen und keine Experimente zu wagen, um die Superbike-Weltmeisterschaft zu einer Spielwiese oder zweiten Klasse hinter der MotoGP werden zu lassen. Um diese Richtung zu entgehen, scheint es allerdings unabdingbar zu sein, dass das Management-Team um Paolo Flammini an Bord bleibt.

Doch genau diese Personalie scheint noch nicht gesichert. "Wir werden meine Position in den kommenden Wochen diskutieren", sagte Flammini, der die Klasse gemeinsam mit seinem Bruder ins Leben gerufen hatte, im Rahmen einer Pressekonferenz in Magny-Cours. Da Dorna-Chef Ezpeleta erst in Motegi mit führenden Köpfen der Hersteller an einen Tisch kommt, wird eine definitive Entscheidung über die künftigen Strukturen noch auf sich warten lassen.