Zwischen 1978 und 1982 trat Graziano Rossi, Vater des heute neunfachen Weltmeisters Valentino, in der Viertelliter- und Halbliterklasse zu 22 Grand Prix an. Er pilotierte Motorräder der Marken Suzuki, Morbidelli und Yamaha und fuhr 114 Karrierepunkte ein. Seine drei 250ccm-Siege 1979 auf den Pisten in Jugoslawien, Assen und Anderstop in Schweden bildeten das Highlight. "Ich begann in 1979 ziemlich gut, aber meinen drei Siege sind nichts verglichen mit der langen Liste von Valentino mit über 100 Siegen", anerkannte Rossi senior die Leistungen seines Sohnes in einem Interview mit der Website SuperBikePlanet.com. " Wenn ich meine Karriere beschreiben müsste, wäre die wohl treffendsten Worte 'kurz und unglücklich'."

"Du weißt, es ist Jedermanns Traum in der besten Kategorie gegen die schnellsten Racer auf den schnellsten Motorrädern zu fahren. Und auch wenn ich in der 250er-Klasse eine unglaublich schnelle Morbidelli hatte, war ich auch keine Ausnahme, die Klassen zu wechseln, sobald ich die Möglichkeit dazu hatte", erinnert er sich noch heute an seine Rennerfahrungen. Im Jahr 1978 hatte Rossi senior in Nogaro in Frankreich in der 500er-Klasse debütiert und sich Rang sechs gesichert. Kenny Roberts sr. gewann jenes Rennen. Ein Jahr später trat Graziano in der 250er-Klasse an, wo er fünf Rennen bestritt, die er alle auf dem Podest beendete. Nebenbei fuhr er in zwei Läufen noch in der 500er-Klasse weiter. 1980 stieg er komplett in die Halbliter-Szene auf.

"Ich muss hinzufügen, dass ich glaube, dass es die richtige Entscheidung war, nur hat sich das Leben dann anders gedreht", schwelgte Graziano in Erinnerungen. "Wenige Leute wissen, dass ich im Februar 1980, im Winter vor meiner ersten Saison, einen Unfall auf der öffentlichen Straße hatte, in welchem ich mich ernsthaft verletzte. Wieder gesund zu werden brauchte eine lange Zeit. Daher hatte ich keine wirkliche Chance auf Rennsiege in 1980. In jenem Jahr standen vier oder fünf Racer im Wettbewerb. Um die Wahrheit zu sagen, bin ich sehr glücklich, dass ich nach einem so schlimmen Unfall hier sitzen und mit dir sprechen kann." Dennoch sicherte sich Rossi senior den fünften Gesamtrang - hinter Kenny Roberts, Randy Mamola, Marco Lucchinelli und Franco Uncini.

1982 erlebte Graziano Rossi einen weiteren schlimmen Unfall bei den 200 Meilen von Imola. "Mit dem Effekt, dass ich den Rennsport komplett aufgeben musste", trauerte er. "Ich kann mich an gar nichts mehr erinnern, aber dank Claudio Costa bin ich noch am Leben. Wenn er nicht gewesen wäre, hätte ich mit großer Wahrscheinlichkeit nicht überlebt. Ich persönlich glaube, dass die Arbeit von Claudio die wichtigste in der gesamten Meisterschaft ist, da alle Karrieren der Teilnehmer zu einem gewissen Punkt an ihm hängen."

Vale wollte keine Ratschläge vom Vater

Wie Graziano Rossi schon eher betonte, sind die Erfolge seiner Karriere nichts verglichen mit denen seines Sohnes. Doch trotzdem versuchte der Vater natürlich, seinem Sohn Ratschläge zu geben und zu helfen. Doch Klein-Vale wollte diese gar nicht haben. "Wenn ich mich recht erinnere war das letzte Mal, als ich ihm einen Rat geben wollte, als er sechs Jahre alt war", lachte der Vater. "Valentino ist ein sehr starker Charakter. Als wir begannen mit Go-Karts und Minibikes zu spielen, habe ich ein paar Mal versucht ihm einen Rat zu geben. Aber bald bemerkte ich, dass das sinnlos war, denn er brauchte meinen Rat gar nicht. Er mag es nicht, wenn ihm jemand etwas lernen will, er will das lieber selbst herausfinden. Natürlich, im Leben, gab es Situationen wo es gut war, dass ich an seiner Seite war. Ich meine, zum Beispiel, als er ein Team wählen musste, die Mechaniker und die Motorräder kaufen. Natürlich war das größtenteils ganz am Anfang seiner Karriere."

Aber trotzdem hegen Valentino und Graziano ein enges Verhältnis. Dieses geht sogar über ein normales Vater-Sohn-Verhältnis weit hinaus. Sie sind eher wie Kumpels. "Denn ein Vater würde seinem Sohn immer Ratschläge geben wollen und, wie ich zuvor bereits sagte, steht das in Valentinos Fall nicht zur Debatte. Unsere Beziehung ist daher etwas anders, vielleicht viel inniger. Valentino führte im Alter von fünf, zehn und sogar fünfzehn ein ziemlich normales Leben. Aber es ist immer schwer, einen Teenager unter Kontrolle zu halten. Die Eltern können nur eines tun, was gleichzeitig auch das Wichtigste ist. Sie können ihrem Sohn die Möglichkeit geben, verschiedene Dinge, Leute und Lebenssituationen kennenzulernen, sodass sie danach für sich selbst entscheiden können, welche davon ideal wären. Der Erziehungsberechtigte kann nicht mehr als das tun."

Im Konkreten Fall der Familie Rossi sei dies unter anderem gewesen, das Vater Graziano eine gute Beziehung zu Carlo Pernat und zur Marke Aprilia unterhielt. "Aus diesem Grund begann Valentino am Anfang seiner Karriere auf Aprilia und Carlo half uns", sagte er. "So war mein Sohn in der Lage, einige Leute zu treffen und, eine neue Situation, von ihnen sehr viel lernen. Und das ist es, wie ich ihm am meisten helfen konnte."

Wichtig an seinen Kindern Valentino und Clara seien Graziano zwei Dinge. "Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit. Valentino ist ein sehr ehrlicher und aufrichtiger Mann. Das heißt, dass er immer sagt, was er denkt und dass er keinen Müll erzählt." Und er bewundere, dass Valentino der Alte geblieben sei. "Zum Beispiel einmal angenommen, dass du gut unterwegs bist und die Leute um dich herum sagen: 'du bist gut, du bist der beste'. Wenn du das glaubst, wirst du eingebildet und du vergisst, woher du kommst. Das wichtigste ist, ehrlich zu bleiben, der der du wirklich bist und dass du auf dem Boden bleibst. Sobald du glaubst, dass du der Beste bist, bist du nicht mehr der Beste. Von diesem Punkt an gibt es keinen Fortschritt. Valentino hat niemals geglaubt, dass er der Beste ist, nicht einmal jetzt. Er arbeitet wirklich hart und er ist bei jedem Rennen in der Lage zu lernen und Fortschritte zu machen."

"Ein guter Fahrer wird so lange lernen, bis er an den Punkt kommt, wo er das Rennenfahren aufgibt", weiß Graziano. "Valentino bleibt der Alte und er selbst, genauso, wie als er begann und er ist immer noch bescheiden, was seine Herangehensweise zum Rennsport insgesamt betrifft."