Andrea Dovizioso heißt der Sieger beim Katalonien-GP der MotoGP in Barcelona. Und das, obwohl er nach dem Rennen verriet: "Es ist ein komisches Gefühl, denn ich habe gewonnen, obwohl ich nicht einmal zu 100 Prozent gepusht habe." Das war jedoch an diesem Rennsonntag auch gar nicht nötig, denn sonst wäre Doviziosos Ducati im Endspurt dramatisch eingebrochen. Wieso, das erklären wir von Motorsport-Magazin.com Schritt für Schritt in der Rennanalyse.

Voraussetzungen und Schlüsselfaktoren für den Katalonien-GP

  • Das niedrige Griplevel: Im Vorfeld wurde der Asphalt in Barcelona heftig kritisiert. Die Asphaltdecke am Circuit de Catalunya wurde zuletzt 2004 erneuert. Kein Wunder also, dass die Piloten die starken Bodenwellen auf dem Kurs bemängelten. Hinzu kam noch die Abnutzung der Strecke, denn über die Jahre wurde die Oberfläche immer glatter und glatter. Die vielen Kilometer, die die Formel 1 jährlich dort abspult, tun ihr Übriges zum schlechten Streckenzustand. "Die Jungs, die hier getestet haben, meinten, dass der Belag in einem kritischen Zustand ist, was den Grip und die Wellen angeht", so Valentino Rossi bereits am Donnerstag vor dem GP.
  • Die sengende Hitze: Zum schlechten Zustand des Circuit de Barcelona-Catalunya kam auch noch die drückende Hitze dazu, die das MotoGP-Feld erwartete. Lufttemperaturen von mehr als 30 Grad Celsius und Asphalttemperaturen jenseits der 50 Grad Celsius brachten Fahrer und Reifen ans Limit. Barcelona hatte aufgrund dessen bereits vor dem Wochenende den Ruf, ein reines Ausscheidungsrennen zu sein. Der Hintergrund: Diese hohen Temperaturen machen die Strecke noch einmal rutschiger. "Es war schon im Test sehr schwierig, wenn wir hier am Sonntag Asphalttemperaturen von 50 Grad haben, wird es noch härter", war sich Andrea Dovizioso schon nach den Testfahrten sicher.
  • Alle Teams hatten mit der großen Hitze zu kämpfen, Foto: Ducati
    Alle Teams hatten mit der großen Hitze zu kämpfen, Foto: Ducati
  • Die angedeutete Pace unter diesen Umständen: In den Trainings hat sich bereits angedeutet, was sich im Rennen schließlich bewahrheitet hat: Die Werksteams von Honda und Ducati kamen bei der Hitze und dem geringen Griplevel am Besten zurecht. Hier machte es sich bezahlt, dass beide Werke im Vorfeld des Grand Prix zu zwei Testtagen anrückten. Yamaha hingegen bezahlte bitter für seine Abwesenheit. Die einzige M1 mit Potenzial für ein Top-Resultat war Rookie Jonas Folger. Vor allem WM-Leader Maverick Vinales kam auf gar keinen grünen Zweig. "Ich frage mich auch jedes Mal, wenn ich über die Ziellinie fahre, warum ich solche Probleme habe. Ich weiß es nicht", so ein ratloser Vinales nach dem Qualifying.
  • Reifenwahl und Reifenmanagement: Essenziell für ein gutes Abschneiden in Barcelona waren die Wahl der richtigen Reifenmischung sowie das richtige Reifenmanagement. Die Top-3, Dovizioso, Marquez und Pedrosa, haben allesamt dieselbe Wahl getroffen: Vorne die harte Mischung, hinten den Medium-Reifen. Damit fanden sie den für sich perfekten Kompromiss aus Grip und Haltbarkeit. Dass es auch mit der Kombination Hart-Hart ging, stellte Lorenzo als Vierter unter Beweis. "Ich hatte mit den harten Reifen einfach mehr Grip in den ersten fünf, sechs Runden", argumentierte der Ducati-Pilot.

Die Reifenwahl der Top-10 in Barcelona:

FahrerTeamReifen vorneReifen hinten
Andrea DoviziosoDucatiHartMedium
Marc MarquezRepsol HondaHartMedium
Dani PedrosaRepsol HondaHartMedium
Jorge LorenzoDucatiHartHart
Johann ZarcoTech3 YamahaMediumMedium
Jonas FolgerTech3 YamahaMediumMedium
Alvaro BautistaAspar DucatiMediumMedium
Valentino RossiYamahaMediumMedium
Hector BarberaAvintia DucatiMediumMedium
Maverick VinalesYamahaMediumMedium

Erste Rennhälfte: Die Spitzengruppe formiert sich

Unter diesen Voraussetzungen formierte sich im ersten Renndrittel bereits die Spitzengruppe, bestehend aus Dani Pedrosa, Marc Marquez, Andrea Dovizioso und Jonas Folger. Jorge Lorenzo führte bis Runde sechs und konnte so den "Initial Grip" seiner harten Reifen perfekt ausnutzen. Doch dann verdrängten Marquez und Pedrosa den Ducati-Piloten von der Spitze, und Lorenzo rutschte in die 47er-Zeiten ab. In der späteren Spitzengruppe wurden die ersten 47er-Zeiten erst in Runde acht gefahren, hierfür zeichneten Marquez und Folger verantwortlich.

Lorenzo konnte im mittleren Renndrittel nicht den Anschluss halten und fiel bis zum elften Umlauf auf Position acht zurück. Danilo Petrucci, der wie Lorenzo auf Hart-Hart fuhr, versuchte hingegen, die verlorene Zeit nach seinem Startpatzer wieder gutzumachen und jagte die Top-4. Doch den Anschluss zu Marquez, Pedrosa, Dovizioso und Folger konnte er nie wirklich herstellen. Bis Runde 15, also bis zu dem Zeitpunkt, an dem Folger erstmal eine Sekunde auf die Spitze fehlte, hatte Petrucci stets einen Respektabstand von mindestens sechs Zehnteln auf den Deutschen.

Zweite Rennhälfte: Dovizioso dreht auf, Folger fällt ab

Spätestens ab Runde 15 war klar, dass drei Fahrer den Sieg unter sich ausmachen: Dani Pedrosa, der schon seit Runde acht in Führung lag, Andrea Dovizioso und Marc Marquez. Folger musste seiner Reifenwahl und seinem Fahrstil Tribut zollen und fiel deutlich zurück. "Zwischen der 13. und 15. Runde hat der Reifenabbau eingesetzt. Ich habe dann ein weicheres Motor-Mapping eingestellt um den Reifen zu schonen, bin dadurch leider aber von der Spitzengruppe abgefallen. Ich habe dann wieder auf das aggressivere Mapping gewechselt, dabei aber den Reifen endgültig verheizt", so der deutsche Rookie.

An der Spitze war besonders auffällig, dass Andrea Dovizioso stets mit Tempo-Überschuss auf Start-Ziel unterwegs war, aber immer rechtzeitig vor Kurve eins das Gas zugemacht hatte und so hinter Dani Pedrosa auf Platz zwei blieb. Das hatte auch einen guten Grund: "Dani hat auf seine Reifen aufgepasst, aber ich konnte den Vorderreifen besser verwalten, weil ich auf der Geraden schneller war und deshalb nie wirklich hart bremsen musste", merkte Dovizioso nach dem Rennen an. In Runde 17 schlug er schließlich zu und setzte das letztlich siegbringende Manöver.

Dovizioso konnte mit frischeren Reifen eine höhere Pace gehen und Pedrosa so innerhalb von zwei Runden um 1,4 Sekunden distanzieren. Marquez erkannte die Zeichen der Zeit und schnappte sich Pedrosa einen Umlauf nach Dovizioso. Doch auch er konnte den Ducati-Pilot nicht gefährden, lediglich in Runde 19 kam er nochmal auf 0,6 Sekunden heran. "Als er gepusht hat, habe ich drei Runden lang versucht, mitzuhalten. Aber dann habe ich mir gesagt: Stürze nicht und nimm lieber die 20 Punkte mit", musste sich Marquez eingestehen. Der Weg zum Sieg für Dovizioso war frei.

Fazit

Bei Andrea Doviziosos Sieg kamen gleich mehrere Faktoren zusammen. Einerseits natürlich die Testkilometer, die man wenige Wochen vor dem Rennen schon abspulen konnte, ihm in die Karten. So hatten er, aber auch Teamkollege Lorenzo und die Repsol-Honda schon einen entscheidenden Trumpf in ihrer Hand. Als hilfreich entpuppten sich aber auch die Charakteristika der Ducati.

Im Gegensatz zur Honda liegt ihr Schwerpunkt nämlich weiter hinten, weshalb sie schon von Haus aus schonender mit den Vorderreifen umgeht. Hinzu kommt noch die brachiale Power der Desmosedici, dank der Dovizioso den Vorderreifen in den Bremszonen weiter schonen konnte. Mit dem frischsten Reifenmaterial in der entscheidenden Schlussphase konnte den Italiener so niemand mehr aufhalten.