Nach über 350 Rennen in der Motorrad-Weltmeisterschaft erschüttert Valentino Rossi eigentlich nichts mehr. Und doch sah man am Sonntag in Le Mans einen Rossi, der den Tränen nahe war. Nach seinem Sturz in der viertletzten Kurve des Grand Prix von Frankreich lehnte er fassungslos auf seiner nicht mehr zu startenden Yamaha, war den Tränen nahe. Kein Wunder: Rossi hatte gerade eine Menge Punkte Titelkampf gegen seinen Teamkollegen Maverick Vinales liegen lassen. Der darf sich noch dazu über den mentalen Bonus freuen, Rossi im ersten direkten Aufeinandertreffen der beiden in die Schranken gewiesen zu haben. Und für den Rossi besonders schlimm: Er ist sich ziemlich sicher, dass er Vinales noch abgefangen hätte.

"Für mich war es eigentlich ein perfektes Rennen. In der Schlussphase habe ich mich auf dem Bike extrem wohlgefühlt und bin besser gefahren als je zuvor mit diesem Motorrad", resümierte Rossi anschließend. "Natürlich wäre es im letzten Streckenteil noch extrem hart geworden. Ich war aber genau dort sehr stark und glaube, dass mich wirklich nur noch diese vier Kurven vom Sieg getrennt haben. Leider habe ich aber in diesem entscheidenden Moment einen Fehler gemacht."

Rossi findet keinen Grund für Crash

Welcher Fehler es war, konnte sich Rossi aber auch über zwei Stunden nach Rennende nicht erklären: "Wir haben die Daten bis ins kleinste Detail studiert und nichts gefunden. Auch auf dem Motorrad habe ich nichts gespürt, einfach plötzlich das Hinterrad verloren. Das ist sehr eigenartig, denn normalerweise muss man in dieser Situation nur auf die Front aufpassen. Ich bin aber der Meinung, dass man irgendetwas falsch machen muss, um zu stürzen. Mir muss also ein ganz kleiner Fehler passiert sein."

Rossi weiß aber auch, dass es gar nicht so weit hätte kommen müssen. Drei Runden vor Ende des Rennens hatte er Vinales in Kurve drei ausgebremst und so die Führung übernommen, sah schon wie der sichere Sieger aus. Dann unterlief ihm aber im letzten Umlauf in Kurve acht ein folgenschwerer Patzer. Er verbremste sich, musste eine weitere Linie gehen und Vinales eroberte die Spitze zurück. "Das war der eigentliche, ganz große Fehler", gesteht Rossi. "Ich war nur etwa einen Stundenkilometer zu schnell, aber das hat gereicht, um beim Anbremsen die Kontrolle zu verlieren und von der Linie abzukommen. Der Sturz ein paar Kurven später war dann nur eine Folge dieses Fehlers."

Rossi trauert Sieg und WM-Punkten nach

Aus seiner Enttäuschung über das Aus kurz vor Rennende machte Rossi keinen Hehl: "Das ist unglaublich schade. Für mich und das Team war es das beste Wochenende des Jahres. Wir waren noch nie so konkurrenzfähig, sowohl in den Trainings als auch im Rennen. Da ist es doppelt bitter, wenn man mit null Punkten nach Hause fahren muss und in der Weltmeisterschaft so an Boden verliert. Vom möglichen Sieg gar nicht zu reden."

Dennoch richtet Rossi im Moment der Niederlage den Blick schon wieder nach vorne. "Was bleibt, ist ein Wochenende, an dem ich sehr stark war. Jetzt müssen wir versuchen, in den nächsten Rennen mit diesem Speed weiterzumachen", gibt er die Marschrichtung vor. In zwei Wochen wartet ja Rossis großes Heimrennen in Mugello. Nach dem Sturz in Le Mans und dem bitteren Motorschaden im letztjährigen Italien-GP hat er dort nun gleich zwei Rechnungen zu begleichen.