Als Podiumsfavorit ging Dani Pedrosa nicht ins MotoGP-Rennen von Le Mans. Denn sein Wochenende hatte ziemlich miserabel begonnen: Vorletzter im dritten Freien Training, knapp am zweiten Qualifying vorbeigeschrammt und letztlich nur Startplatz 13. Doch im Rennen fuhr der Honda-Werksfahrer völlig entfesselt, lieferte eine beherzte Aufholjagd und landete am Ende als lachender Dritter nach Fehlern von Rossi und Marquez auf dem Podium. Ganz nebenbei überflügelte er damit auch noch Rossi und Marquez im WM-Klassement und ist nun mit 17 Punkten Rückstand Zweiter hinter Maverick Vinales.

Der Schlüssel zum Erfolg: Mehr Aggressivität

Von Startplatz 13 kommend ackerte sich Pedrosa unaufhaltsam durchs Fahrerfeld und legte beim Überholen eine in der Form selten von ihm gesehene Aggressivität an den Tag. Er erläutert: "Wenn du ein gutes Gefühl hast, das Bike gut fahren kannst und dich wohlfühlst, dann kannst du mit dem Bike spielen und die Kurven so fahren, wie du willst. Das ist auch der Schlüssel zum Erfolg", so Pedrosa. "So ist es jetzt einfacher, auf dem Bike zu tun, was ich will. Wenn ich mit dem Reifen ein besseres Gefühl habe, gibt mir das die Chance, aggressiver zu sein."

Der Erste, der diese neuentdeckte Aggressivität in der Fahrweise so richtig zu spüren bekam, war Cal Crutchlow. Pedrosa hing zur Rennmitte hinter seinem Markenkollegen fest, sah eine Lücke, wo keine besonders große Lücke war, hielt hinein und rempelte den Briten ordentlich an, sodass der gleich noch eine Position an Dovizioso verlor. Sogar Pedrosa gab nach dem Rennen zu: "Das Manöver mit Cal war am Limit. Ich sah eine Lücke, fuhr innen durch, aber weil ich mich nach rechts lehnte, konnte ich ihn nicht mehr sehen. Er machte seine Linie zu. Ich wollte ihn nicht berühren, aber zum Glück ist niemand gestürzt."

Große Sorgen vor der ersten Schikane

Vor dem Rennen hatte sich Pedrosa noch ganz andere Sorgen gemacht. "Es war vor dem Start wirklich eine harte Situation", gibt er angesichts des dreizehnten Startplatzes zu. "Ich dachte die ganze Nacht darüber nach, wie ich es durch die erste Schikane schaffen soll. Sie ist so eng und man kann dort so leicht kollidieren. Ich wusste, dass ich eine gute Pace hatte, aber ich wusste auch, dass ich irgendwie durchkommen muss." Doch Pedrosa hatte Glück. Er kam heil durch die Schikane und war nach der ersten Runde bereits Siebter.

Geholfen haben dürften Pedrosa neben dem Mut zur Lücke auch die wärmeren Bedingungen. Zum ersten Mal an diesem Wochenende hatte im Rennen der Asphalt weit über 30 Grad, was dem leichten Pedrosa zu Gute kommt. Bei kühlem Asphalt tut er sich weiterhin schwer, seine Michelins auf Temperatur zu bekommen, doch im Rennen stellte das kein Problem dar. Prompt fuhr er im zweiten Renndrittel Spitzenzeiten und hielt sogar eine Weile lang mit einer 1:32.633 die schnellste Rennrunde. Nur die Werks-Yamahas hatten am Ende eine bessere Pace, wie Pedrosa eingesteht: "In den letzten Runden hatte ich mehr Mühe und bekam am Vorderreifen Chattering. Am Ende war Yamaha stärker, aber von meinen Verfolgern war keiner nahe an mir dran." Tatsächlich kam Pedrosa letztlich vier Sekunden hinter Zarco und sieben Sekunden hinter Sieger Vinales, aber auch beruhigende vier Sekunden vor Dovizioso ins Ziel.

Insgesamt ist Pedrosa angesichts des durchwachsenen Starts in sein Wochenende sehr glücklich. "Es ist ein herrliches Gefühl, auf dem Podium zu stehen, nachdem ich aus der fünften Reihe durch die Schikane musste", strahlt er. "Als ich ins Ziel fuhr, dachte ich einfach nur: Das ist echt toll."

Lob von Sieger Vinales

Auch Rennsieger Vinales zollte Pedrosa am Ende Respekt: "Dani hatte ein unglaubliches Rennen, erklärte der WM-Führende. Ich bin ein Fahrer, der immer auf die anderen Fahrer achtet. Er hat echt einen tollen Job gemacht." Nun betrachtet Vinales den Honda-Werksfahrer sogar als einen seiner Hauptrivalen in der WM. So schnell also wurde Pedrosa vom Underdog zum ernsthaften WM-Konkurrenten.