Valentino Rossi strahlte nach dem Grand Prix von Amerika über beide Ohren. Kein Wunder, hatte er doch gerade mit Platz zwei die Gesamtführung in einer für ihn zu Beginn so schwierigen Saison übernommen. Rossis Rennen hätte aber um ein Haar nicht auf dem Podium, sondern in der Auslaufzone von Kurve drei des Circuit of the Americas geendet. Johann Zarco attackierte dort in Runde sieben seinen Yamaha-Kollegen äußerst hart an der Innenseite, Rossi musste seine M1 aufrichten und durch die asphaltierte Auslaufzonen, um eine Kollision zu vermeiden.

Da er durch die Abkürzung in den Schlangenkurven - Rossi fuhr in diesem Umlauf im betreffenden Sektor seine drittbeste Zeit und überhaupt seine schnellste Rennrunde - aber Zeit auf die vor ihm fahrenden Honda-Piloten Marc Marquez und Dani Pedrosa gutmachte, brummte ihm die Rennleitung eine Strafe auf. 0,3 Sekunden wurden am Ende des Rennens auf seine Gesamtzeit addiert. Eine harte, schlussendlich aber wohl richtige Entscheidung.

Renndirektor Mike Webb begründete diese gegenüber Crash.net: "Die Überlegung hinter der Strafe war, das ein Fahrer keinen Vorteil erlangen darf, wenn er die Strecke verlässt. Das war hier aber klar der Fall, weil Rossi dadurch Marquez nähergekommen ist. Das korrekte Verhalten wäre also gewesen, sich auf die Position zurückfallen zu lassen, die er vor der Kurve innehatte, und die war direkt vor Zarco. Dann wäre ihm nichts passiert. Was wir Rossi aber zugutegehalten haben, war, dass er von einem anderen Piloten abgedrängt wurde. Ansonsten wäre die Strafe härter gewesen."

Rossi weist Zarco zurecht

Rossi hegte auch keinen Groll gegen die Rennleitung, sehr wohl aber gegen seinen Widersacher Zarco. "Ich hatte nur zwei Möglichkeiten: So zu fahren wie ich es getan habe oder mit Johann zu kollidieren. Ich habe in der Begründung gelesen, dass ich die Strafe bekommen habe, weil ich mir durch dieses Manöver einen Vorteil erarbeitet habe. Das stimmt auch. Ich habe abgekürzt und war dadurch schneller. Ich habe daher kein Problem mit der Rennleitung, sondern mit Johann", stellte er deutlich klar.

Routinier Rossi führte daraufhin genau aus, was ihn am Verhalten von Rookie Zarco störte: "Er ist wirklich schnell und hat großes Potenzial. Das hier ist aber nicht die Moto2. Wenn du hier überholen willst, dann musst du das anders machen. Er ist bei seinen Manövern viel zu spät dran. Johann muss sich in Zukunft etwas beruhigen."

Zarco verteidigt sein Manöver gegen Rossi

Zarco selbst war sich keiner Schuld bewusst. "Wenn du an dieser Stelle die Entscheidung triffst, innen reinzuhalten, dann musst du es auch durchziehen, sonst stürzt du. Valentino hat einen kleinen Fehler gemacht und den wollte ich ausnützen. Leider sind wir nicht beide nebeneinander durch die Kurve gekommen", schilderte der Tech3-Pilot seine Sicht der Dinge.

Etwas Rückdeckung erhielt Zarco aus dem Repsol-Honda-Lager. "Das Manöver war natürlich aggressiv, aber in dieser Situation pusht jeder Fahrer zu 100 Prozent", meinte Marc Marquez. "Ich bin auch ein sehr aggressiver Pilot, Valentino genauso. Wir haben in der Vergangenheit hart überholt, tun es jetzt und werden es auch in Zukunft machen. Wenn man selbst so aggressiv ist, muss man auch damit rechnen, dass andere Piloten gleich fahren. Das ist Racing."

Marquez erinnerte Rossi an die harten Manöver, die sie selbst bereits gezeigt haben, Foto: motogp.com
Marquez erinnerte Rossi an die harten Manöver, die sie selbst bereits gezeigt haben, Foto: motogp.com

Dani Pedrosa verwies auf die große Umstellung beim Wechsel aus der Moto2 in die MotoGP und gewährte Zarco etwas Welpenschutz: "Ich kann mich noch erinnern, als ich in die MotoGP gekommen bin. Man muss sich an so viele Dinge gewöhnen, etwa das größere Gewicht und die höheren Geschwindigkeiten. Diese Faktoren machen ein ganz anderes Timing notwendig. Man hat viel weniger Zeit und Platz, außerdem sind die Gegner im Zweikampf wesentlich stärker. Man braucht also einen anderen Zugang und es dauert ein wenig, bis man den gefunden hat."

Rossis Strafe in Austin nicht ausschlaggebend

Am Ende war die Strafe für Rossi aber ohnehin nicht entscheidend. Er konnte Pedrosa, der wie Rossi mit dem Medium-Vorderreifen unterwegs war, den aber deutlich stärker beanspruchte, drei Runden vor Schluss überholen und schnell eine Lücke aufmachen. Diese war deutlich größer als die 0,3 Sekunden, die Rossi am Ende noch aufgebrummt bekam. Pedrosa konnte mit seinem massiv lädierten Vorderreifen nicht gegenhalten.

Von Rossis Strafe wussten beide Piloten bis nach dem Rennen aber nichts. Wie Rossi verriet, hatte man sich bei Yamaha dazu entschieden, mit der Kommunikation mittels Pitboard abzuwarten und ihn erst über die Strafe zu informieren, falls diese im Kampf um Platz zwei entscheidend sein hätte können. "Nachdem ich mich von Dani aber gleich absetzen konnte, hielten sie es nicht mehr für nötig", erklärte Rossi, der die Entscheidung seines Teams begrüßte. "Wenn auf dem Pitboard '0,3 Penalty' gestanden wäre, hätte ich vielleicht nur '3 Penalty' gesehen und mir gedacht, dass ich drei Sekunden herausfahren muss. Dann wäre ich eventuell ein zu großes Risiko eingegangen und gestürzt. Die Entscheidung war also richtig. Ich musste es nicht wissen."