Herve, es sieht so aus als hättest du mit der Verpflichtung von Jonas Folger alles richtig gemacht. Wie groß ist die Erleichterung, dass dein Plan aufgegangen ist?
Herve Poncharal: Die Verpflichtung von Jonas war ohne Zweifel ein großes Risiko. Letztes Jahr haben mir viele Leute hier im Paddock gesagt, dass ich ein Idiot bin, weil ich ihn geholt habe. Jetzt sagen mir die gleichen Leute, dass ich ein Genie bin. Es ist immer ein schmaler Grat zwischen 'Zero' und 'Hero'. Ich bin aber weder ein Genie, noch ein Idiot. Ich bin einfach nur ein normaler Typ, der Jonas vertraut hat und sich jetzt freut, dass es mit ihm so gut klappt.

Seine bisherigen Leistungen müssen aber auch dich überrascht haben.
Herve Poncharal: Viele Medien haben Jonas als die Offenbarung der Wintertests bezeichnet. Ich denke, dass das absolut zutrifft. Vinales ist natürlich unglaublich schnell, aber das konnte man erwarten. Bei Jonas hat wohl kaum jemand damit gerechnet, dass er so stark ist. Das ist natürlich nicht nur für ihn ein tolles Gefühl, sondern auch für uns, denn einen Fahrer aus der Moto2 in die MotoGP zu holen, ist immer ein Risiko. Manche Fahrer schaffen es gut, viele haben aber auch Probleme.

Warum bist du dieses Risiko mit Jonas und Johann Zarco gleich doppelt eingegangen?
Herve Poncharal: Wenn man nicht bereit ist, Risiken einzugehen, wozu ist man dann hier? Die Fahrer müssen draußen auf der Strecke auch ständig Risiken eingehen, um schnell zu sein. Da können wir doch nicht so konservativ denken. Das ist erstens langweilig und zweitens erreicht man so auch nichts. Natürlich hätte ich auch erfahrene Piloten holen können, aber ich wollte auf junge Fahrer setzen und ihnen beim Lernen zusehen. Im Moment bin ich mit meiner Entscheidung sehr glücklich.

Folger zeigte von den ersten Testfahrten in Sepang an groß auf, Foto: Tech 3
Folger zeigte von den ersten Testfahrten in Sepang an groß auf, Foto: Tech 3

Und wie war dein Gefühl, als Jonas im November nach einer schwierigen Moto2-Saison bei den Valencia-Tests erstmals auf der Yamaha M1 gesessen ist?
Herve Poncharal: Ich muss zugeben, dass ich da ziemlich nervös war. Wenn er in Problemen gesteckt wäre, hätten mir alle Leute unter die Nase gerieben, dass sie es mir ja schon immer gesagt haben. Jonas war aber von der ersten Runde an auf dem Bike wirklich beeindruckend. Sein Speed auf eine Runde ist hervorragend, aber auch die Rennsimulationen waren richtig gut.

Hast du eine Erklärung, warum er in der Moto2 solche Probleme hatte und in der MotoGP jetzt so brilliert?
Herve Poncharal: Ich habe im Vorjahr oft mit ihm über seine Schwierigkeiten gesprochen, aber er konnte mir nie erklären, woran es liegt. Genauso wenig kann er erklären, warum er nun so stark ist. Er hat mir nur gesagt, dass er jetzt endlich so fahren kann wie er will. Sein Körper, sein Fahrstil, das Motorrad - alles passt zusammen. Es hat einfach Klick gemacht. Wir neigen oft dazu, alles rationell erklären zu wollen. Manchmal herrscht aber einfach eine Art Magie, die man nicht erklären kann. Das muss man akzeptieren.

Du siehst aber zumindest, wie Jonas mit dem Team zusammen arbeitet. Wie verhält er sich da?
Herve Poncharal: Abgesehen von seinem fahrerischen Talent ist Jonas einfach ein super netter Kerl. Es ist extrem wichtig, dass die Crew gerne mit einem Fahrer zusammenarbeitet. Vor allem als Rookie muss man in der MotoGP wirklich wie ein Schwamm sein und all die neuen Erfahrungen aufsaugen: 270 PS anstatt 120, Michelin-Reifen statt Dunlops, Carbonbremsen statt Stahl, eine Menge Elektronik statt dem absoluten Grundpaket. Da kann man es nicht brauchen, dass eine schlechte Atmosphäre im Team herrscht und der Fahrer so noch zusätzlichem Druck ausgesetzt ist. Mir haben ohnehin schon ein paar Leute, die mit Jonas in der Vergangenheit gearbeitet haben, gesagt, dass er nicht besonders gut mit Druck umgehen kann. Da wollen wir ihm helfen.